Dass sich Joseph Ratzinger als Papst den Namen Benedikt gewählt hat, geschah nicht ohne Grund. Traditionell wählt sich ein neuer Papst einen Namen, der schon einen Hinweis auf die Ausrichtung des Pontifikats gibt.
Papst Benedikt XVI. hat sich seinen Namen nicht zuletzt mit Blick auf die Bedeutung des benediktinischen Mönchtums in Vergangenheit und Gegenwart gewählt. Im Jahre 1964 erhob Papst Paul VI. den heiligen Benedikt von Nursia zum Patron und Beschützer Europas. Durch seine Ordensregel und seine „Söhne“, die Benediktiner, wurde er einer der Schöpfer der abendländischen Kultur und Lehrmeister der europäischen Völker. Regel und Klöster sind von entscheidender Bedeutung für die folgenden eineinhalb Jahrtausende gewesen, nicht nur in religiöser Beziehung, sondern für die Entstehung, Erhaltung und fruchtbaren Weiterentwicklung all dessen, was wir Abendland oder Europa nennen.
In seiner ersten Generalaudienz auf dem Petersplatz am 27. April 2005 erläuterte Papst Benedikt XVI. die Gründe für seine Namenswahl. Zuerst sprach er davon, dass er sich an das Pontifikat des Friedenspapstes Benedikt XV. anlehnen wolle, der während des Ersten Weltkriegs vergeblich für den Frieden eintrat. Ebenso wolle er sein Petrusamt in den Dienst der Versöhnung unter den Menschen und Völkern stellen. Dann aber fuhr er fort:
„Der Name Benedikt erinnert auch an die herausragende Gestalt des großen ‚Patriarchen des abendländischen Mönchtums’, an den heiligen Benedikt von Nursia, der zusammen mit den Heiligen Cyrill und Methodius Patron von Europa ist. Die zunehmende Ausbreitung des von ihm gegründeten Benediktinerordens hatte großen Einfluss auf die Verbreitung des Christentums in ganz Europa. Deshalb wird der heilige Benedikt in Deutschland und besonders in Bayern, meinem Geburtsland, sehr verehrt; er ist ein grundlegender Bezugspunkt für die Einheit Europas und ein nachdrücklicher Hinweis auf die unverzichtbaren christlichen Wurzeln der europäischen Kultur und Zivilisation. Von diesem Vater des abendländischen Mönchstums kennen wir die Empfehlung, die er den Mönchen in seiner Regel hinterlassen hat: ‚Der Liebe zu Christus nichts vorziehen’ (Regel 72,11; vgl. 4,21). Zu Beginn meines Dienstes als Nachfolger Petri bitte ich den heiligen Benedikt, uns zu helfen, an der zentralen Stellung Christi in unserem Dasein festzuhalten. Er soll in unserem Denken und Handeln immer an erster Stelle stehen!“
Das Bistum Freising – eine „Terra Benedictina“
Reiche Adelsfamilien stifteten im Bistum Freising im 8. Jahrhundert die ersten Klöster. Die Gründungsurkunden nannten als Motiv die Sorge um das „ewige Seelenheil“ des Stifters und seiner Familie. Der frühmittelalterliche Mensch erhoffte sich durch gute Werke für das kommende Gericht einen gnädigen Gott. Daneben schienen auch politische Ziele auf. Um 760 entstand als erstes Kloster im Bistum außerhalb Freisings Isen, um dieselbe Zeit zwischen 760 und 765 wurden weitere Klöster errichtet: Tegernsee, Scharnitz, Schäftlarn, Ilmmünster und Moosburg. Sie alle haben Geschichte und Kultur ihrer Regionen über Jahrhunderte wesentlich geprägt.
Das bedeutendste unter ihnen war Kloster Tegernsee. Die beiden adeligen Brüder Otkar und Adalbert gründeten zwischen 762 und 765 ein Kloster an der Südostecke des Tegernsees, das die Kultivierung und Missionierung des Alpenvorlandes zu übernehmen hatte. Tegernsee wurde bald das wichtigste Kloster ganz Süddeutschlands, sein Wirkungsbereich erstreckte sich bis nach Tirol und Niederösterreich. Nach einem Niedergang im 10. Jahrhundert entstand Tegernsee im Zusammenhang mit der Reform des benediktinischen Mönchtums neu. Der Tegernseer Reformkreis befruchtete nun verschiedene andere Klöster: Niederaltaich, Ebersberg, Seeon, Würzburg und Regensburg-St. Emmeram. Abt Gozbert, vorher Regensburg-St. Emmeram, eröffnete eine Schule, die Buchkunst blühte auf und wurde vorbildlich für alle übrigen bayerischen Klöster. Auch im späten Mittelalter und in der Barockzeit besaß Tegernsee große Ausstrahlungskraft. Alle Benediktinerabteien des alten Bistums Freising fielen 1803 der Säkularisation zum Opfer. Doch konnten im 19. und frühen 20. Jahrhundert mehrere Klöster wieder oder sogar ganz neu gegründet werden. Heute bestehen im Erzbistum München und Freising die Abteien Scheyern, München-St. Bonifaz, Schäftlarn und Ettal. Benediktinerinnen leben in der Abtei Frauenwörth im Chiemsee und in der Münchener Kommunität Venio.
Peter Pfister