Anmerkungen zu Etappe 11
(1) Aus der johanneischen Gemeinde erwachsen, wird von einer „johanneischen Schule“ gesprochen. „Der Jünger, den Jesus liebte“ gilt nicht als Verfasser.
(2) Was als innerjüdischer Konflikt begann, kulminierte durch den Synagogenausschluss der christlichen Gemeinden in einer Verfolgungssituation. Das Judentum selbst musste sich nach der Katastrophe von 70 n. Chr. unter Führung der übriggebliebenen Pharisäer in der Diaspora sammeln und eine neue Identität finden. Abweichler konnte man da nicht brauchen.
(3) Darum werden pauschal „die Juden“ als Gegner benannt. Neben einer Wertschätzung jüdischer Traditionen gibt es einige scharfe negative Urteile über das Judentum. Verletzend und provozierend sind Aussagen in Joh 8,41-43. Da wird den Juden die Abrahamskindschaft abgesprochen und davon gesprochen, dass sie „den Teufel zum Vater“ haben – eine der „antijüdischsten“ Polemiken im ganzen NT.
(4) Das Johannesevangelium betreibt grundsätzlich keine „antisemitische Polemik“. Die geschichtlich bedingte Auseinandersetzung ist klar zu sehen und darf nicht in das Heute übertragen werden.
(5) J. W. Goethe lässt seinen Dr. Faust übersetzen: „Am Anfang war die Tat.“
(6) Gott ist der Logos (griech. ohne Artikel). Logos ist bei dem Gott (mit Artikel). Zwei „Personen“ sind also gemeint: Gott und Logos, der schon immer bei Gott war. Und der Logos ist Gott. Für antike Schriftsteller sind Mythos und Logos kein absoluter Gegensatz: Mythologie! Mythos über den Logos.
(7) Gnosis heißt Erkenntnis. Diese spätantike Strömung des 2. Jahrhunderts n. Chr. teilt mit dem Christentum die Sehnsucht nach Erlösung. Der Ansatz ist dualistisch: Die Gottheit wird als das unwandelbare Gute gedacht gegen das Materielle, dem Böses anhaftet. Der Schöpfergott (Demiurg) ist ein anderer als der Erlösergott. Erlösung findet durch Selbsterkenntnis statt.
(8) Was das Christentum ab dem zweiten Jahrhundert, Arianismus und Doketismus als Stichworte, bis heute in Romanen und Spekulationen beschäftigt: Jesus als Gott habe nur einen Schein-Leib gehabt.
(9) Allein der männliche Samen prägt nach antiker Auffassung das Kind.
(10) Jesus als göttliche Präsenz zu deuten begünstigt die Schaffung eines Kultes.
(11) Ich bin das Brot des Lebens (6,35.48), … das Licht der Welt (8,12), … die Tür (10,7.9), … der gute Hirt (10,11.14), … die Auferstehung und das Leben (11,25), … der Weg, die Wahrheit und das Leben (14,6), … der wahre Weinstock (15,1.5).
(12) Kennt die ältere Generation: die kleinen Sünden bestraft Gott sofort.
(13) Ein Jenseitsglaube wird im Judentum erst einige Zeit vor Jesus und nur von den progressiven Theologen wie die Pharisäer angenommen. Davor gab es nur die Scheol, die Unterwelt. Bis dahin war es kein theologisches Thema bei Abraham, David und den Propheten.
(14) „Stellt euch vor, die Frauen hätten in den Kirchen Schweigen bewahrt!“ – aus Schweden.
(15) Migdal ist ein Fischerdorf am unteren Ende des See Genezareth – oben liegt Kapharnaum.
(16) Im 3. Jahrhundert begründete Hippolyt von Rom die ehrenvolle Bezeichnung Apostola apostolorum – „Apostelin der Apostel“, die von Hrabanus Maurus und Thomas von Aquin aufgegriffen wurde. – In der Legenda aurea, Volksbuch des Spätmittelalters, wurde Maria Magdalena mit Maria des Kleophas, Martha von Bethanien und Lazarus von Juden auf einem segellosen Schiff ausgesetzt, landete in dem französischen Fischerdorf Saintes-Maries-de-la-Mer bei Marseille und missionierte in der Provence. – Der Vatikan hat die Rolle der heiligen Maria Magdalena am 10. Juni 2016 erneut aufgewertet und sie liturgisch den Aposteln gleichgestellt.
(17) Papst Gregor I. setzte im Jahr 591 in einer Predigt Maria von Magdala mit der anonymen Sünderin gleich, die Jesus die Füße wusch (Lk 7,36-50). Diese Identifikation wurde Teil der katholischen Tradition um Maria Magdalena: Maria aus Magdala, aus der Jesus sieben Dämonen austrieb (Lk 8,1-3) wird gleichgesetzt mit der fußwaschenden Sünderin (Lk 7,36-50), später mit der Ehebrecherin in Joh 8, davor mit der Maria aus Betanien (Lk 10,38-42), die nach Joh 12,1-8 mit teurem Salbenöl Jesus die Füße wäscht. – So wird aus einer geheilten Jüngerin eine Sünderin und noch später in der Tradition eine „Prostituierte“, was für die Kunstgeschichte ab der Renaissance ein beliebtes Motiv wurde.