3.3. Blinde und Sehende Text Johannes 9,1-41:
Einheitsübersetzung 2016 |
Lutherbibel 2017 Wenn ich schlecht sehe, brauche ich eine Brille. Wenn ich im Leben nicht mehr durchblicke, benötigt es mehr: gute Freunde oder eine Beratung. Verliebte sehen anderes als Trauernde. „Sehen“ und „Sehen“ sind nicht immer das gleiche.
Wie ein antiker Heilpraktiker streicht Jesus dem Blinden einen Teig auf die Augen. Jesus wirkt, was er gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt.“ Dazu muss der Blinde aber sich im Teich Schiloach waschen. Der Name bedeutet übersetzt: „Gesandter“. Die Jesus-Gemeinde weiß:
Er ist der Gesandte! So können sie sich an Reinigung und Augenöffnen durch die Taufe („Effata-Ritus“) verbunden fühlen.
Am Anfang steht die Frage nach der Schuld. Sie ermöglicht wieder die christologische Zielaussage: Jesus als „Licht der Welt“ zu zeigen, der Licht in die Welt der Blinden bringt. Blindsein und Sehenkönnen werden so zum Bild für die Beziehung der Menschen zu Jesus. Sie umschreiben den Unglauben der Umstehenden und den Glauben der Seinen, die dann später Christen genannt werden.
Jesus lehnt das damalige Weltbild ab: Gute werden belohnt, böses Tun wird bestraft
(12) (Tun-Ergehen-Zusammenhang). Krankheit ist keine Strafe Gottes.
Dann wird es spannend wie in einer Gerichtsverhandlung. Eine Gruppe nach der anderen wird als Zeugen befragt. Die Auseinandersetzung steigert sich. Es geht um den Geheilten vordergründig. Letztlich aber dreht sich alles um Jesus, der die ganze Zeit abwesend ist.
Zuerst befragen jenen die Nachbarn und andere, dann folgt das Verhör vor den theologisch Gebildeten, weil die Heilung am Sabbat geschah – in mehreren Schritten:
Zuerst geht es um die Tatsache und das Wie der Heilung (Eltern befragt), dann beginnt die theologische Überprüfung. Entscheidend ist dabei die Frage nach dem Woher Jesu: Ein Sünder, der das Sabbatgebot nicht hält, kann nicht von Gott sein. Nach der Frage, wie er sehend geworden ist, wird der Gegensatz zwischen Jesus und Mose betont: Die traditionelle Glaubensüberzeugung steht gegen neue Erfahrungen, die der Geheilte verkörpert. Er wird angeklagt und letztlich verstoßen, weil er sich zu Jesus bekennt (V 22 Synagogenausschluss). Das beschreibt den Streitpunkt: Jesus – sie kennen seine irdische Herkunft und sind gleichzeitig blind für seine himmlische Herkunft aus Gott.
Diese Einschüchterungsaktion zeigt die Gemeindesituation: Wer sich zu
Jesus,
dem Christus bekennt, wird ausgeschlossen. Der Blinde wird zum Sehenden durch den Glauben an Jesus.
Der Geheilte, der noch unter dem Eindruck des Wunders steht und noch im Irdischen verhaftet bleibt, versteht nicht ganz. Wer ist mit „Menschensohn“ gemeint? Dann nach der Selbstoffenbarung Jesu reagiert er und bekennt seinen Glauben zu Christus. So ist
wahre Nachfolge geschildert.
Im Angehängten (V 39-41) geht es um die geistige Blindheit. Der Unglaube wird beschrieben als Blindheit, Umherirren in Finsternis, ja lebendig tot sein. Wer den Zweck des Kommens Jesu sehen kann, aber nicht im Glauben bleibt, lebt in Sünde. Hier sind abtrünnige Gemeindemitglieder gemeint. Die vermeintlich Sehenden (Pharisäer, Abtrünnige) sind die wahren Blinden – so das JohEv.