Wolfgangskirche in Pipping, Spätgotischer Hochaltar von 1480/85: Schrein, Seitenflügel und Predella
Wolfgang wird 924 in Pfullingen Baden-Württemberg in das gleichnamige Herrengeschlecht der Pfullinger geboren. Ab seinem siebten Lebensjahr besucht er die Klosterschule auf der Bodenseeinsel Reichenau, nachdem er von einem Kleriker Privatunterricht erhielt. 956 begleitet er seinen Freund Erzbischof Heinrich von Trier eben dorthin, wo er bis 964 an der Domschule lehrt. Nach dem Tod Heinrichs wird er 964 Benediktinermönch im Kloster Einsiedeln. 968 weiht ihn der Augsburger Bischof Ulrich zum Priester. Einer Vision folgend, zieht er als armer Bote durch die damalige Region Noricum und verbreitet dort den Glauben. Bischof Pilgrim von Passau wird so auf ihn aufmerksam und schlägt ihn als Bischof von Regensburg vor.
Der Überlieferung zufolge zweifeln Kaiser Otto I. und der Klerus an Wolfgangs Fähigkeiten, bis Wolfgang einen Erkrankten heilt. Von 972 bis zu seinem Tod 994 in Pupping in Oberösterreich ist er Bischof von Regensburg. Sein Leichnam wird nach Regensburg gebracht und im Kloster St. Emmeram bestattet. 1052 wird er durch Papst Leo IX. heilig gesprochen. Sein Grab befindet sich heute in der Wolfgangs-Krypta von St. Emmeram.
Aufgrund seiner vielseitigen und umsichtigen Tätigkeit als Bischof von Regensburg wird er schon zu Lebzeiten verehrt. Er fördert vor allem Bildung und das geistliche Leben des Klerus und der Orden. Legenden betonen seine Heilkräfte, die Abwehr von Bösem und seine Fürsorge. So ist überliefert, dass der Teufel bei einer Predigt vergeblich versuchte, die Zuhörer durch schillernde Strahlen abzulenken. Auch soll Wolfgang einen Besessenen sowie Blinde und Aussätzige geheilt haben.
Der Legende nach lebte Wolfgang zeitweilig als Einsiedler am Abersee, dem heutigen nach ihm benannten Wolfgangsee in Österreich. Zunächst bewohnte er eine Höhle auf einem Berg, wo sich heute die Wallfahrtskapelle Falkenstein (St. Gilgen) befindet. Sein Einsiedlerleben wurde durch den Teufel gestört, so dass Wolfgang beschloss, sich an einem freundlicheren Ort eine Klause zu erbauen. Er warf seine Axt ins Tal hinab und gelobte, an dem Ort, an dem sie aufkomme, die Kirche zu errichten. So war der Bau der Kirche in der Wildnis jedoch schwierig. Da bot der Teufel seine Hilfe an, unter der Bedingung, dass das erste lebende Wesen, das die Kirche betrete, ihm gehöre. Es war ein Wolf. Voller Wut packte der Teufel den Wolf und fuhr mit ihm durch ein Loch in der Kirchendecke davon.
Wolfgang lebte sieben Jahre in der Einöde, bis sein Aufenthaltsort entdeckt und er wieder als Bischof nach Regensburg berufen wurde. Wolfgang gab den Bitten nach, prophezeite jedoch, dass sich nach seinem Tod am Grab in Regensburg keine Wunder ereignen sollen, stattdessen soll denjenigen, die ihn am Abersee anriefen, geholfen werden.
Zahlreiche Darstellungen vor allem im 14. Jahrhundert machen ihn zu einem der meist verehrtesten Heiligen Deutschlands. Eine der ersten Darstellungen findet sich im Regensburger Evangeliar Kaiser Heinrichs IV. Ende des 11. Jahrhunderts in Krakau. Seine Attribute können Bischofsstab, Kirchenmodell, Wolf, Beil oder Teufel sein. Er ist Patron von Bayern und Regensburg, der Hirten, Schiffer, Holzarbeiter, Köhler, Zimmerleute, Bildhauer, unschuldig Gefangener und des Viehs. Er wird angerufen bei Schlaganfällen, Gicht, Lähmungen, Fußleiden, Ruhr, Hauterkrankungen, Hautentzündungen („Wolf”), Blutfluss, Augenkrankheiten, Bauchschmerzen, Unfruchtbarkeit und Missgeburten.
Die
St. Wolfgangkirche in Pipping wurde in Ihrer heutigen Form vermutlich 1479 /1480 von Bayernherzog Sigismund gestiftet. Jörg von Halsbach soll der Baumeister dieser für den Münchener Raum bedeutenden, spätgotischen Landkirche gewesen sein. Einzigartig ist ihre fast unverändert aus der Erbauungszeit stammende Innenausstattung, die trotz folgender Restaurierungsphasen vor allem ab 1976 und von 2008 bis 2011 ein durchaus authentisches Bild eines spätmittelalterlichen Sakralbaus darstellt.
1352 wird die Kirche zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Ausgrabungen von 1975 brachten einen kleinen Vorgängerbau zutage, der um 1320 datiert wird und der Beleg für eine Landkirche zu Ehren des Heiligen Wolfgangs bereits vor Sigismundszeiten ist. Diese soll von Pilgern auf dem Weg von Augsburg zum Heiligtum des Bischofs an den Wolfgangsee als Wallfahrtskirche gedient haben. Der Heilige sei auf einer Reise 994 erkrankt und in einem Ort namens Pupping zwischen Linz und Passau gestorben. So erklärt sich das Wolfgangpatrozinium der Kirche. Neben ihrer Funktion als Wallfahrtskirche fungierte St. Wolfgang später als Hofkirche von Sigismund, der nach seiner Abdankung 1468 in der nahen Blutenburg residierte. 1701 wurde die Dorfkirche als „point de vue“ des Schlossparkes Nymphenburg in dessen Gesamtplanung einbezogen.
Viel wurde stets über die ausführenden Handwerker und Künstler spekuliert. So sollen Bauleute der Frauenkirche bei der Errichtung der Kirche beteiligt gewesen sein und Fresken und Retabelgemälde von Jan Polack stammen, auch Erasmus Grasser werden einzelne Stücke zugeschrieben. Ein sehr bedeutendes Ausstattungsstück ist der spätgotische Hochaltar von 1480/85, der aus der Hand einer Münchener Werkstatt stammen soll.
Im Schrein befindet sich der Heilige Wolfgang flankiert von zwei Diakonen. In den Flügelgemälden sind Szenen aus der Wolfgang-Legende dargestellt, wie zum Beispiel seine Verehrung in St. Wolfgang am Abersee mit Votivgaben. Beachtlich ist die sehr real wiedergegebene Landschaftsdarstellung um den Heiligen. An der Schreinrückseite befinden sich zwei sehr qualitätvolle Engel mit Leidenswerkzeugen, die 1972 freigelegt wurden und vermutlich zu einem verschollenen Andachtsbild gehören. Die Predella zeigt Christus und Maria mit den Aposteln, Matthias, Petrus, Johannes und Matthäus.
Im 13. Jahrhundert wurde die heutige Kirche
St. Wolfgang im gleichnamigen Ort bei Altenmarkt an der Alz erbaut. Nach der Gründungslegende war hier der Heilige Wolfgang auf der Durchreise und habe sich auf einem Felsblock ausgeruht. Dabei erweichte der Stein und soll die jetzige ausgehöhlte Form angenommen haben. Es ist jedoch zu vermuten, dass der Felsblock aus Untersberger Marmor vom Gletscher entsprechend überformt und vor dem Bau der Kirche als heidnische Kultstätte genutzt wurde. Bis ins 13. Jahrhundert lässt sich sodann eine bedeutende Wolfgang-Wallfahrt bezeugen.
Den Stein umgibt ein dreiseitiger Marmorvorsatz, der folgende Inschrift trägt: "Wahrer Ort und Merkmal so allhier H. Bischoff Wolffgangus in einer Durchreiß bey genohmener Rasst in den Stein als ein Zeichen unterlassen hat." An der rechten Seite des Vorsatzes ist ein rundbogiges Loch, das ihn zu einem sogenannten Schlupfstein macht. Dieser ist zum Durchkriechen bei Rückenleiden, Kinderwunsch und sonstigen Beschwerden. Den Durchschlupf gibt es seit dem frühen 18. Jahrhundert.
Passend zum Patrozinium findet sich der Heilige Wolfgang auch im Choraltar mittig thronend. An die ursprünglich spätgotische Figur, die um 1515 datiert werden kann, wurden 1640 Mitra und Hände neu angesetzt. Zudem wurde die Skulptur teilweise überschnitzt. Flankiert wird der Bischof von den Heiligen Rupert und Erasmus, die wohl ebenfalls 1640 hinzugefügt wurden.
Die heutige Pfarrkirche
St. Wolfgang im Münchner Stadtteil Haidhausen am St.-Wolfgangs-Platz entstand von 1964 bis 1966. Architekt war Michael Steinbrecher. Einzig der Turm stammt noch von der ehemals neubarocken Kirche, die zwischen 1915 und 1920 nach Plänen des Münchner Architekten Hans Schurr errichtet wurde. Der Bau wurde durch Bombenangriffe während des Zweiten Weltkriegs 1943/44 nahezu zerstört. Jahrzehntelang dienten Behelfsbauten der Kirchengemeinde als Gotteshaus.
Der heutige Bau ist blockhaft, schmucklos und weiß verputzt. Charakteristisch sind die hohen Fensterzonen, die den Kirchenraum hell durchleuchten. Die Fenster schuf der Grafinger Künstler Alfred Schöpffe (1917–1992). Von ihm stammt auch das Mosaikrelief mit einer Majestas Domini Darstellung und verschiedenen Menschengruppen an der Rückwand des Altarraumes. Die Anbauten von Pfarrhaus, Amtsräumen, Kindergarten und Pfarrbücherei um einen offenen Vorhof sind in ein Gesamtensemble integriert, das in etwa die Ausmaße der Vorgängerkirche umfasst.
In der Sakristei befinden sich zwei moderne und überaus farbenfrohe Glasgemälde, die den Heiligen Wolfgang mit dem Teufel und den Heiligen Korbinian mit dem Bär zeigen. Dargestellt ist die Szene, als der Teufel dem Heiligen Wolfgang Hilfe beim Kirchenbau anbietet. Demütig reicht er dem Bischof die Mauersteine.
Die Pfarrkirche
St. Wolfgang befindet sich in der gleichnamigen Gemeinde bei Dorfen im Landkreis Erding. Sie ist ein spätgotischer Bau aus dem 15. Jh. mit hochbarocker Ausstattung. Ausgangspunkt der Kirchengeschichte ist die Überlieferung, dass hier um 975 der Heilige Wolfgang auf dem Weg ins Exil durch sein Gebet eine Quelle freilegte. So mag die Wolfgangskapelle im Vergleich zum Hauptschiff, dessen Bauzeit von 1430 bis 1477 angegeben wird, sicherlich noch älter sein. Sie liegt nördlich und ist seitenschiffartig einbezogen. Im Vergleich zum mächtigen, den Kirchenraum bestimmenden Choraltar spielt sie im Raumensemble jedoch eine untergeordnete Rolle.
Beim Betreten der Kirche dominiert das hochbarocke Retabel im Hauptschiff, das den gesamten Chorschluss ausfüllt und laut Inschrift 1679 entstand. Sechs weinlaubumrankte gewundene Säulen gliedern den mit Altaraufsatz in drei Registern horizontal geteilten Aufbau vertikal. Die Schwarz-Goldfassung lässt die spätgotischen Figuren des Heiligen Wolfgangs und seinen Assistenzfiguren dem Heiligen Georg und dem Heiligen Sigismund in ihrer Nische scheinbar erstrahlen. In ein reich mit gratigen Falten gelegtes Gewand umhüllt hält der Kirchenpatron Stab und Kirchenmodell. Seine Physiognomie erscheint porträthaft real mit Doppelkinn, leicht krummer Nase, den detaillierten Fältchen und bedächtigem Blick. Der Heilige Georg zu seiner Linken ist in voller Rüstung dargestellt, den Speer in der erhobenen Rechten dem zu seinen Füßen liegenden Drachen in den Rachen stoßend. Ebenfalls in Rüstung und vergoldetem Mantel befindet sich der Heilige Sigismund rechts. Darüber schwebt in einem rundbogig vergoldeten Barockrahmen die Sonne mit halbrund geflammtem Strahlenkranz, Gewölk und Engelsköpfchen.
In den Seitenteilen sind vom spätgotischen Choraltar aus dem Ende des 15.Jahrhunderts vier Holzreliefs mit Darstellungen aus der Wolfgangslegende übernommen: Seine Bischofswahl, eine Teufelsaustreibung bei einem Mädchen, die Heilung eines Kranken und der sterbende Wolfgang.
Text: Stephanie Hodek, HA Kunst
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