Auf weiblichen Spuren durch die Münchner Innenstadt - Teil 3 Kirchenhistorischer Rundgang beleuchtet die "Frauen im Hintergrund"

Frauen spiel(t)en in der Kirchengeschichte Münchens oft eine bedeutende Rolle. Dennoch muss man heute schon recht genau hinschauen, um im Stadtbild ihre Spuren zu entdecken. Ein Stadtrundgang mit Dr. Roland Götz vom Archiv und der Bibliothek der Erzdiözese tut genau dies: Jeweils vor Ort entstehen vor dem geistigen Auge kurze Frauen-Geschichten, traurige, halbkomische und erstaunliche – von der namenlosen unehelichen Mutter, die ihr Baby aussetzt, bis zur Kaiserin-Witwe und natürlich zur stärksten Frau Bayerns. Wir sind mitgegangen und stellen im dritten und letzten Teil sechs weitere Frauenfiguren vor.
 
Ellen Amman und Maria Anna Lindmayr
Ellen Ammann (l.) und Maria Anna Lindmayr

Station 10 - Erzbischöfliches Palais: Katharina Faulhaber

Portraitaufnahme der Familie Faulhaber, um 1893 herum, mit Michael Faulhaber und seiner Schwester Katharina
Aufnahme der Familie Faulhaber um 1895 herum: Ganz links Katharina Faulhaber, hinten in der Mitte Michael Faulhaber
Mit dem Palais Holnstein und einem seiner Bewohner sind mehrere weibliche Spuren verbunden. Das Palais in der Kardinal-Faulhaber-Straße wurde 1735 bis 1737 im Auftrag von Kurfürst Karl Albrecht für dessen unehelichen Sohn Franz Ludwig Graf von Holnstein erbaut. 1818 erwarb das Königreich Bayern das Gebäude, drei Jahre darauf wurde es zum Bischofssitz, nachdem dieser von Freising nach München verlegt worden war, und ist seitdem als Erzbischöfliches Palais bekannt. Von den bisher 13 Erzbischöfen residierte hier am längsten Michael Kardinal von Faulhaber, der von 1917 bis zu seinem Tod 1952 amtierte.

An seiner Seite oder besser gesagt im Hintergrund stand dem Kardinal dabei seine jüngste Schwester Katharina, die ihm Zeit seines Lebens den Haushalt führte - bereits von 1903 an zu seiner Professur an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Straßburg und dann ab 1910 in Speyer, wo Faulhaber zum Bischof ernannt worden war.

Katharina überlebte ihren Bruder und erbte seinen Nachlass. "Über sie ist aber nichts weiter bekannt, es existieren meiner Kenntnis nach neben dem Familienbild auch keine weiteren Fotos von ihr", erklärt Historiker Roland Götz. "Sie trat nicht in Erscheinung, sondern lebte im Hintergrund." Katharina Faulhaber starb 1957.

Station 11 - Erzbischöfliches Palais: Ellen Ammann

Ellen Amman
Ellen Ammann im Jahr 1909
Das Gegenteil einer "Frau im Schatten" war Ellen Ammann, die 1870 als Ellen Sundström in Stockholm das Licht der Welt erblickte. Sie verliebte sich in den bei ihrer Familie zur Untermiete wohnenden deutschen Orthopäden Ottmar Ammann, heiratete ihn 1890 und zog mit ihm nach München. Dort arbeitete sie in dessen Privatklinik mit, engagierte sich daneben aber in vielfältiger Weise religiös - sie war im Alter von 14 Jahren zum katholischen Glauben konvertiert -, gesellschaftlich und politisch.

So gründete Ellen Ammann 1895 den Marianischen Mädchenschutzverein, den heutigen Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit. Zwei Jahre darauf hob sie die erste katholische Bahnhofsmission in München aus der Taufe, die sie selbst mehr als zwei Jahrzehnte leiten sollte. Auch an der Gründung des Katholischen Frauenbundes war sie beteiligt, dessen Vorsitz sie 1904 übernahm. 1909 begann Ellen Ammann mit dem Aufbau der Frauenschule, der heutigen Stiftungshochschule in der Preysingstraße.

Zusammen mit Kardinal Faulhaber rief sie 1919 die Vereinigung Katholischer Diakoninnen, das heutige Säkularinstitut Ancillae Sanctae Ecclesiae, ins Leben, "wobei man den Begriff der 'Diakoninnen' nicht mit dem heutigen Begriff verwechseln sollte", gibt Roland Götz zu bedenken. Die Diakonin war für Ellen Ammann "der sozialen Versöhnungsarbeit, der Caritas gewidmet, mit allen ihren Kräften".

Als eine der ersten Frauen wurde Ellen Ammann 1919 für die Bayerische Volkspartei in den Bayerischen Landtag gewählt, dem sie bis zu ihrem Tod 1932 angehörte. Dort trat sie für die Themen Jugendfürsorge, Gesundheitswesen, öffentliche Fürsorge und Wohlfahrtspflege ein.

Station 12 - Erzbischöfliches Palais: Dr. Franziska Bösmiller

Franziska Bösmiller
Franziska Bösmiller
"Von dieser Frau hat lange Zeit überhaupt niemand irgendetwas gewusst", berichtet Roland Götz über Franziska Bösmiller. Die unverheiratete, promovierte Lehrerin ist überhaupt erst durch die Veröffentlichung von Einträgen aus ihrem Tagebuch 2017 ins Licht der Öffentlichkeit getreten, das sich inzwischen im Diözesanarchiv befindet. Sie kam mit Kardinal Faulhaber in Kontakt, als sie um 1940 zum katholischen Glauben konvertierte und er sie auf diesem Weg begleitete.

Franziska Bösmiller betreute im Weiteren die Bibliothek im Erzbischöflichen Palais. "Irgendwann hat sich eine Beziehung zwischen ihr und dem Kardinal entsponnen, aber welcher Art genau und wie weitgehend, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen", meint der Historiker. "Laut der Niederschrift in ihrem Tagebuch musste sie auf der Hut vor den Ordensschwestern oder Faulhabers Schwester Katharina sein, wenn sie sich im Palais aufhielt. Auch hat der Kardinal sie wohl in ihrer Schwabinger Privatwohnung besucht - was natürlich eigentlich völlig unmöglich für einen Kardinal war."

Um 1950 beendete Kardinal Faulhaber den Kontakt zu Franziska Bösmiller, die nicht mehr ins Palais eingelassen wurde. In den Tagebüchern des Kardinals firmiert Franziska Bösmiller unter dem Decknamen "Malmolitor".

Station 13 - Dreifaltigkeitskirche: Herzogin Mauritia Febronia von Bayern

Herzogin Mauritia Febronia von Bayern
Herzogin Mauritia Febronia von Bayern in einem Kupferstich von Joseph Anton Zimmermann nach einem Gemälde von Peter Ludwig Herdegen von Culm, um 1770
Auf dem Grundstück der in den Fünfzigern errichteten Neuen Maxburg stand bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Maxburg, die Herzog Maximilian Philipp im 17. Jahrhundert mit seiner französischen Gattin Mauritia Febronia de la Tour d’Auvergne, die von 1652 bis 1706 lebte, als Residenz nutzte. Das kinderlose Paar war fromm, und Mauritia Febronia bestimmte, dass das stattliche Erbe für die Gründung eines Klosters eingesetzt werden sollte.

Station 14 - Dreifaltigkeitskirche: Maria Anna Lindmayr

Maria Anna Lindmayr als Terziarin des Karmelitenordens. Ölgemälde, 1704.
Maria Anna Lindmayr als Terziarin des Karmelitenordens in einem Ölgemälde von 1704
Maria Anna Lindmayr, eine Zeitgenossin von Herzogin Mauritia Febronia, aber anders als diese von keinerlei adligen Abstammung, ist untrennbar mit dem ganzen Komplex an der Maxburgstraße verbunden. Die Bürgertochter, die von 1657 bis 1726 lebte, wohnte gegenüber der heutigen Dreifaltigkeitskirche; ihr Vater war Kammerdiener beim Herzogspaar. Wie dieses war auch die Familie Lindmayr sehr fromm. Aus der kinderreichen Schar wurde eine Reihe von Söhnen Geistliche und mehrere Töchter traten ins Kloster ein. Auch Maria Anna wollte ins Kloster, wurde wegen ihres schwankenden  Gesundheitszustandes und der fehlenden Mitgift aber nirgends aufgenommen. So musste Maria Anna im Haushalt ihrer Eltern verbleiben und dort helfen.

Von ihrer Jugend an besaß Maria Anna eine besondere Verbindung ins Jenseits und sah sich als Überträgerin himmlischer Botschaften: Ihr erschienen die Heiligen, die mit ihr sprachen, und sie hatte Kontakt zu den armen Seelen im Fegefeuer. Sie sah ihre Aufgabe darin, durch fromme Akte zu deren baldigen Erlösung beizutragen. Zunächst war sie in geistlicher Betreuung bei den Jesuiten von St. Michael und dann bei den Karmeliten direkt nebenan. Dort wurde sie Terzianin, also Laienmitglied, des Karmelitenordens.

Im Spanischen Erbfolgekrieg zwischen 1701 und 1714 spielt diese junge Frau mit der besonderen Gabe dann eine Rolle. Der Kaiser in Wien und der französische König streiten um das Erbe des spanischen Königs. Kurfürst Max Emmanuel schlägt sich entgegen seiner Pflicht, als Reichsfürst den Kaiser zu unterstützen, auf die Seite Frankreichs - und damit auf die Verliererseite. Österreich verbündet sich mit England und besiegt die bayerisch-französischen Truppen in mehreren Schlachten. Die Armee rückt auf München zu, wo die Angst umgeht, dass die Stadt wie schon andere in Flammen aufgehen wird.

In dieser Situation legt Maria Anna ein Gelübde ab, dass wenn München von der Zerstörung bewahrt bleibt, die Bewohner:innen eine Dankeskirche zu Ehren der Dreifaltigkeit errichten werden. Dieses spricht sich in München herum, mit der Folge, dass sowohl die Bürgerschaft im Rathaus als auch die Geistlichkeit in der Frauenkirche ebenfalls dieses Gelübde ablegen. Als München zwar besetzt, aber nicht zerstört wird, geht die Stadt den Bau der Dreifaltigkeitskirche an. Die Karmeliten und Maria Anna Lindmayr regen an, mit diesem Bau auch die Errichtung eines Karmelitinnen-Klosters zu verbinden. Dazu sollten unter anderem zwei Häuser, die Maria Anna bereits aufgrund der Stiftungen frommer Frauen gehören, und das Kapital der verstorbenen Herzogin Mauritia Febronia eingesetzt werden.

Mit der „Sammlung Lindmayr“ macht das Archiv des Erzbistums München und Freising einen der umfangreichsten Bestände weiblicher „Ego-Dokumente“ aus der Barockzeit in Bayern online zugänglich und eröffnet so neue Forschungsmöglichkeiten.

Station 15: Dreifaltigkeitskirche - Kaiserin Eleonora Magdalena

Kupferstich der Kaiserin Eleonora Magdalena als Witwe
Kaiserin Eleonora Magdalena als Witwe
Doch der Stadtrat verweigert sich. Da wenden sich die Karmeliten an die Kaiserinmutter Eleonora Magdalena in Wien. Diese war eine große Freundin der unbeschuhten Karmelitinnen und hatte bereits das Prager und das Wiener Kloster der Karmelitinnen sehr gefördert. Die Kaiserinmutter schreibt daraufhin an Maximilian Karl Albrecht Fürst zu Löwenstein-Wertheim, der seit 1705 als kaiserlicher Statthalter in München fungierte, dass sie von der Idee, ein Karmelitinnen-Kloster zu errichten, gehört habe und sie bitte, alles zu tun, um dieses Vorhaben zu unterstützen. Diesen Brief gab Fürst Löwenstein dem Stadtrat zur Kenntnis, der sich einverstanden erklären musste.

So entsteht die Dreifaltigkeitskirche in Kombination mit dem Karmelitinnen-Kloster, in das Maria Anna Lindmayr dann eintritt. "Man könnte sagen, dass das nach dem Motto ging: Wenn mich kein Kloster nimmt, dann eröffne ich selbst eins", so Roland Götz.

Sie lebte dann noch einige Jahre als Nonne und auch als Priorin und stand auch in dieser Zeit noch in einem regen Briefwechsel mit vielen, die sich an sie wendeten, unter anderem auch mit den Damen des Kurfürstlichen Hofes. "Diese Frauen-Connection hat ihr ermöglicht, weit über ihren Geburtsstand hinaus Einfluss auszuüben", berichtet der Historiker.

Gleich nach Maria Anna Lindmayrs Tod 1726 leitete der Freisinger Bischof ein Seligsprechungsverfahren ein, das nach seinem Ableben allerdings nicht weiter verfolgt und trotz weiterer Bemühungen auch nicht mehr aufgenommen wurde. An der Dreifaltigkeitskirche erinnerten Tafeln zwar an den Krieg und das Gelübde, nicht aber an Maria Anna Lindmayr. Erst kürzlich hat ein Verehrerkreis angeregt, mit Gedenktafeln an sie zu erinnern. Den Text zu den Inschriften im Eingangsbereich hat das Archiv des Erzbistums entworfen.
 
Teil 1 "In und um die Frauenkirche" finden Sie hier.

Teil 2 "Von Klosterschwester, Kurfürstin und Königin" finden Sie hier

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Prof. Dr. Johannes Merz