Woher stammt die Tradition des Sternsingens? Was haben die Heiligen Drei Könige damit zu tun? Und wie erwuchs aus einer alten Legende eine der weltweit größten Hilfsaktionen von Kindern für Kinder? Eine Erläuterung.
Meist ziehen Ministranten in der Tracht der Könige aus dem Orient von Haus zu Haus, singen Lieder, sprechen ein Segensgebet und sammeln Spenden, die in der Regel für Missions- und Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt verwendet werden
In den Tagen um Dreikönig ziehen die „Sternsinger“ von Haus zu Haus, über verschneite Felder und durch stille Dörfer. Doch der romantische Brauch täuscht. Denn an Epiphanie, „Erscheinung des Herrn“, wie das Fest im kirchlichen Kalender heißt, geht es gar nicht so sehr um den Auftritt der Könige (oder Weisen oder Sterndeuter, je nach Auslegung) aus dem Morgenland. Sie geben in den biblischen Erzählungen ja lediglich liebenswerte Randfiguren ab.
In den ersten christlichen Jahrhunderten war der 6. Januar vielmehr das Weihnachtsdatum im Osten, und auch im Westen blieb Epiphanie als zweiter Höhepunkt der weihnachtlichen Festzeit erhalten. Die Christen feiern an diesem Tag den Aufgang des Lichtes, das keinen Untergang kennt, den Einzug des Gottkönigs in die Welt, das Offenbarwerden seiner Herrlichkeit. „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“, freuen sie sich.
Die Figuren der Heiligen Drei Könige sind oft prunkvoll gekleidet, wie bei der Krippe in Mariä Himmelfahrt Dorfen
Von den weisen Männern, die dem Mensch gewordenen Gott im Stall von Betlehem ihre Verehrung erwiesen haben, weiß nur der Evangelist Matthäus - ohne Angaben über ihre Zahl oder ihre Herkunftsländer zu machen. Die spätere Tradition hat die Geschichte ausgeschmückt und die Weisen zu morgenländischen Königen befördert.
Als der Kanzler Friedrich Barbarossas die Gebeine der legendären Herrscher 1164 aus Mailand nach Köln brachte - ein kleiner Sieg im Streit zwischen Kaiser und Papst -, entwickelte sich dort bald ein intensiver Kult, der sich im ganzen Deutschen Reich verbreitete. Die drei Könige wurden zu Symbolen der Weltvölker, der dritte hatte von nun an ein Farbiger zu sein. Vornamen wie Kaspar oder Balthasar, vor gar nicht so langer Zeit noch recht beliebt, und Wirtshausschilder „Zum Mohren“, „Zum Stern“, „Zur Krone“ an einst stark frequentierten Straßen lassen noch etwas von der alten Verehrung ahnen.
C*M*B als heiliges Zeichen am Türstock
Nicht bloß als frommen Wunsch, sondern als wirkmächtige heilige Zeichen interpretierte man von Anfang an die vermeintlichen Initialen CMB der Männer mit den geheimnisvollen Namen Caspar („Schatzträger“), Melchior („König des Lichts“) und Balthasar („Gottesschutz“), die man am Abend vor Epiphanie mit geweihter Kreide oben an die Türstöcke der Wohnungen und Ställe schreibt, damit nichts Böses über die Schwelle treten kann. Die Initialen können freilich auch als Abkürzung für die Schutzformel „Christus mansionem benedicat“ („Christus segne dieses Haus“) gedeutet werden.
Wie ein Abbild des pilgernden Gottesvolkes stapfen sie durch das Land, die Sternsinger, in weiße Betttücher oder farbenprächtige Gewänder gekleidet, Kronen aus Goldpapier auf dem Kopf, voran der lange Stab mit dem goldenen Stern. Die Gruppe hat eine uralte Tradition. Sie erinnert an die mittelalterlichen Dreikönigsspiele: dramatische Darstellungen des weihnachtlichen Geschehens, die in Kirchen und Klöstern aufgeführt wurden, als es noch kaum Bücher und wenige des Lesens kundige Leute gab.
Die Sternsinger folgen einer langen Tradition und erinnern an
mittelalterliche Dreikönigsspiele
Heute hat der alte Brauch einen guten neuen Sinn erhalten. Es sind meist die katholischen Ministranten, die in der malerischen Tracht der Könige aus dem Orient von Haus zu Haus ziehen, Lieder singen, ein Segensgebet sprechen und dafür Geld bekommen, das in der Regel für Missions- und Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt verwendet wird. Mit den in Deutschland jedes Jahr gesammelten Millionenbeträgen werden unter anderem Ernährungsprogramme, ärztliche Versorgung, Hilfsprojekte für Straßen- und Flüchtlingskinder, Fördereinrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche und natürlich seelsorgliche Aufgaben finanziert. Es ist die weltweit größte Hilfsaktion von Kindern für Kinder.
Text: Christian Feldmann, freier Autor für den Sankt Michaelsbund, November 2021