In der Vorbereitung auf meine Firmung im Jahre 1968 erzählte uns der damalige Religionslehrer vom Heiligen Geist und seinen Gaben. Vor allem die aus dem Galaterbrief waren ihm besonders wichtig: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 6,2). Nachdem der Heilige Geist ohnehin das „Stiefkind“ der göttlichen Dreifaltigkeit ist, dachte ich mir: Der muss ja ganz schön langweilig sein, sollten diese „Gaben“ alles bedeuten, was er vermitteln kann. Wenn er dann noch als sanfte Taube über allem schwebt, dann fühlt sich ein eher dynamisch veranlagter Teenager nur bedingt angesprochen oder berührt.
Erst später wurde mir klar, dass der Heilige Geist weniger brave Tugenden ausgießt, sondern eine unbändige Kraft darstellt. Sein Wirken, besser gesagt seine Wirkung, ist so mächtig, dass er mit Feuer und Sturm verglichen werden muss. Die Apostelgeschichte legt das wohl nahe (Apg 2). Wenn sein Orkan loslegt, dann bleibt nichts mehr an seinem Ort, wenn es nicht völlig fest verankert war. Wenn sein Feuer zur Wirkung kommt, dann geschieht Veränderung und die kann sehr ungemütlich werden. Die genannten Tugenden im Galaterbrief mögen angenehme Eigenschaften sein. Der Heilige Geist hat für mich in erster Linie mit Leidenschaft und Bewegung zu tun, der Unbrauchbares vernichtet und Platz für Neues schafft, das für die Zukunft taugt.
Ordnung und Übersicht sind in einer Pfarrgemeinde sicher von großem Vorteil. Eine solche Institution ist heutzutage ein viel zu komplexes Gebilde, als dass alles nur spontan und „aus dem Bauch heraus“ gestaltet werden könnte. Verwalter und ordnende Kräfte haben ihre Bedeutung. Die Attraktivität und geistliche Qualität einer christlichen Gemeinschaft wird aber an anderem gemessen. Ich stelle fest, dass Menschen am meisten andere faszinieren, wenn sie etwas mit Herz und Leidenschaft tun. Ein Seelsorgeteam, das nur Dienst nach Vorschrift tut, ein Pfarrhaus, das nur zu Bürozeiten öffnet, werden wenig Interesse wecken. Besonders begeistern Kinder und Jugendliche, die anscheinend noch über die „Leichtigkeit des Seins“ verfügen. Die Arbeit in Kindergärten, die Heiterkeit von Ministrantengruppen, die Lager der Pfadfinder und anderer Verbände, ansprechende Projekte im ökologischen oder gesellschaftlichen Bereich haben ihre Ausstrahlung. Wenn es Erwachsenen gelingt, nicht nur in Gremien und Tagungen Ergebnisse zu erzielen, sondern vor Ort etwas in Bewegung zu setzen, so strahlt das aus.
Und wie sieht es aus mit der Spitze unserer Hierarchie? Nach alter Lehre „besitzt“ sie den Heiligen Geist in besonderer Weise. Papst Franziskus versucht, Bewegung in die Kirche zu bringen und erhält viel positive Aufmerksamkeit, gerade auch von kirchlich distanzierten Menschen. Wie mühsam und mit welchen Rückschlägen aus den eigenen Reihen sein Tun begleitet ist, erleben wir immer wieder. Vielmehr scheint es so zu sein, dass viele Vertreter in den höchsten Rängen sich eher Stillstand statt Bewegung wünschen, manche treten besonders gut auf die Bremse, damit ja nicht zu viel Dynamik aufkommt. Wenn dann Gottes Geist in unserer Kirche noch etwas verändern soll, dann wird das wohl mit Sturm und Feuer geschehen müssen.
Text: Pfarrer Andreas Zach, Leiter der Stadtteilkirche Rosenheim-Inn, entnommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom 16. Mai 2021, Nr. 20