Sehnsucht und Erkenntnis Ene philosophisch-theologische Ursachenforschung über das Licht

In Zeiten „alternativer Fakten“ scheint so etwas wie die Wahrheit kaum noch zu existieren. Mittlerweile gibt es bestimmt irgendwo einen „alternativen Wissenschaftler“, der in seiner dunklen Höhle sitzt und behauptet, die Welt könne auch gut ohne das Licht der Sonne auskommen. Für den Rest der Menschheit, der frei nach Platons Höhlengleichnis hinausgetreten ist in das Licht der Erkenntnis, gilt aber: Die Erde (und der Mensch) benötigt das Licht zum Überleben. 
 
Licht am Höhleneingang
Oft sind das Licht und die Sonne auch eine Metapher für das Leben selbst. In der Philosophie ist die Licht-Metapher seit der Antike nicht mehr wegzudenken, weiß Isabelle Mandrella. Sie ist Professorin für christliche Philosophie an der katholisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gerade Platon habe viel mit der Licht-Metapher gearbeitet, betont die 50-Jährige.

In seiner Erkenntnistheorie spielt das Licht eine wichtige Rolle. Dabei kämen drei Aspekte zusammen, weiß Mandrella. „Das Licht ist das, nach dem wir uns sehnen, das Licht brauchen wir, um richtig erkennen zu können, und der Wärme des Lichts verdanken wir unsere Existenz.“ Diese Argumentation sei laut Mandrella natürlich eine Steilvorlage für christliche Denker gewesen, die Quelle des Lichts – also eigentlich die Sonne – mit Gott gleichzusetzen beziehungsweise ein göttliches Wirken dahinter anzunehmen. „Dass Gott die Ursache allen Seins ist, liegt ja schöpfungstheologisch auf der Hand“, erklärt die Philosophin.

Der berühmte Kirchenlehrer Augustinus etwa sei der Ansicht gewesen, dass Erkenntnis der göttlichen Erleuchtung bedarf. Auch die menschliche Vorstellung, dass wir uns das Reich Gottes, das Leben nach dem Tod als „lichtvollen Zustand“ vorstellen, knüpfe daran an.
 

"Der unmittelbare Zugang zu Gott ist uns verbaut"

 
Eine kleine Einschränkung gilt es allerdings doch zu machen: Leider gleiche unser Auge, so hält es Aristoteles fest, nicht dem des Adlers, der direkt in die Sonne blicken könne. Das menschliche Auge sei eher dem der Nachteule oder der Fledermaus ähnlich.

Für die Frage der Gotteserkenntnis spiele dieses Faktum laut Mandrella natürlich eine wichtige Rolle. „Gott ist demnach zwar das Licht, das immer präsent ist und die Quelle unseres Seins, aber gleichzeitig sind wir Menschen nicht in der Lage, dieses Licht direkt zu sehen – der unmittelbare Zugang zu Gott ist uns verbaut.“

Das müsse aber nicht negativ gesehen werden, sondern stelle auch eine wohltuende und entlastende „Begrenztheit“ dar. Sie verweise auf etwas, das wir zwar nicht unmittelbar sehen können, dessen Präsenz wir aber „als Gewinn wahrnehmen“, betont Mandrella. Ob das nun Gott sei oder einfach nur die Sonne, unterliege der subjektiven Interpretation.
 
Autor: Klaus Schlaug, Münchner Kirchenzeitung, 5/2019

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