Die liturgischen und musikalischen Regeln, Riten und Gebote der österlichen Bußzeit – und warum sie einem großen Spannungsbogen folgen.
Am Aschermittwoch beginnt die 40-tägige österliche Bußzeit, die von vielen auch Fastenzeit genannt wird. An diesem Tag wird die Asche der verbrannten Palmzweige des Vorjahres geweiht und als Kreuz auf die Stirn der Gläubigen aufgetragen
Der österlichen Bußzeit kommt die bedeutsame Aufgabe zu, die Menschen auf das Leiden, das Sterben und die Auferstehung Jesu Christi einzustimmen. Die 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostersamstag – ohne die Sonntage, dazu später mehr – sollen auf das Osterfest und die Taufe vorbereiten. Liturgisch und musikalisch gelten in der „Quadragesima“, auch Fastenzeit genannt, besondere Regeln, Riten und Gebote, die wir uns mit zwei Experten näher anschauen wollen.
Was viele überraschen wird: Neben Fasten und Verzichten stehen in den Wochen nach Aschermittwoch noch zwei weitere Aspekte im Vordergrund – die Tauferinnerung und die Vorbereitung auf das Osterfest. Die Fastenzeit ist ein Angebot zur Neuorientierung im Leben und im Glauben. Es geht um die Hinwendung zum Licht und zum Sinn des Lebens, sagt Michael Wagner, Fachreferent der Abteilung Liturgie im erzbischöflichen Ordinariat. „Neben die Verfehlung und Sünde treten Hoffnung, Sinn und Erfüllung!“
An Karfreitag ziehen die Priester in Stille in die Kirche ein und werfen sich als Zeichen der Buße in stillem Gebet auf den Boden
Das gelte auch für die Musik, erklärt Bernhard Brosch, der stellvertretende Diözesanmusikdirektor im Erzbistum. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich einiges verändert: „Früher ging es in den Liedern der österlichen Bußzeit vor allem um unsere Schuld und Verfehlungen. Heute werden die Themen der Lieder vielfältiger ausgewählt. Sie wirken freundlicher und heller – mehr auf Ostern und die Auferstehung ausgerichtet als auf das Sterben und Leiden Christi.“
Wurde früher nur ein begrenztes Liedrepertoire in diesen Wochen gespielt und gesungen, sind es inzwischen deutlich mehr. Aber auch heute ist die österliche Bußzeit musikalisch etwas Besonderes geblieben. Das Orgelspiel in den Gemeinden wird leise, sparsam und zurückhaltend eingesetzt. Die Chöre singen öfter a-capella, solistisches Instrumentalspiel wird reduziert. Das Orgelnachspiel fällt aus oder erklingt nur leise. Und: Auf das Gloria und Halleluja wird in den Gottesdiensten ganz verzichtet.
„Dramaturgisch läuft alles auf die Osternacht hinaus“
Diese beiden Gesänge werden ab Aschermittwoch bis in die Osternacht nicht gesungen. „Das hat sowohl dramaturgische als auch inhaltliche Gründe“, sagt Bernhard Brosch. „Wir enthalten uns eines Lob- und eines Jubelgesangs, um zu zeigen, dass wir von Aschermittwoch an nicht so weitermachen wollen wie bisher. Dramaturgisch läuft alles auf die Osternacht hinaus, in der das Halleluja sogar drei Mal angestimmt wird!“ An dessen Stelle tritt in der vorösterlichen Zeit ein Christus-Ruf. Das Gloria wiederum darf in der österlichen Bußzeit ausnahmsweise an Feiertagen wie zum Beispiel am Josefitag am 19. März oder beim Patrozinium der Kirche gesungen werden – und am Gründonnerstag. Dann läuten zum Gloria auch die Kirchenglocken und bleiben anschließend still bis zum Gloria der Osternacht.
Der Beginn der österlichen Bußzeit, Aschermittwoch, richtet sich nach dem Osterfest, das immer am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert wird, in diesem Jahr recht früh am 31. März. Von diesem Datum an wird zurückgerechnet: Sechs Sonntage, der Mittwoch davor ist Aschermittwoch. Das sind tatsächlich 46 Tage, aber ohne die Sonntage ergeben sich wieder 40 Tage.
Die Fastensonntage haben einen sehr hohen Rang in der Liturgie und werden begangen wie Hochfeste.
Michael Wagner
„Sie stehen auf einer Stufe mit Weihnachten und können durch kein anderes Fest verdrängt werden.“ Die liturgische Farbe in den Wochen bis Ostern ist violett, das steht für Umkehr und Buße und wird deshalb unter anderem auch im Advent getragen. Am Palmsonntag und Karfreitag wiederum ist es Rot, die Farbe des Blutes, des Feuers und Sinnbild des Heiligen Geistes.
Der fünfte Fastensonntag vor Palmsonntag wurde früher Passionssonntag genannt. Das Direktorium, der jährlich erscheinende liturgische Kalender des Erzbistums, empfiehlt, dass von diesem Tag an „die Kreuze und Bilder in den Kirchen“ verhüllt werden sollen. Auch musikalisch nehme die österliche Bußzeit an diesem Tag eine „spürbare Wendung“, so Bernhard Brosch. „Die Lieder und Stücke sind deutlich stärker auf das Leid und Sterben von Jesus ausgerichtet als in den Wochen davor.“ Gesungen wird beispielsweise das Lied „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“.
Die drei österlichen Tage sind der Höhepunkt des Kirchenjahrs
Mit der Messe vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag endet schließlich die Fastenzeit. Die drei österlichen Tage beginnen, der Höhepunkt des Kirchenjahrs. Michael Wagner: „Mit dem letzten Abendmahl feiern wir bis einschließlich der Osternacht im Grunde einen Gottesdienst. Der Gründonnerstag hat keinen Segen und endet in Stille. Am Karfreitag zieht der Priester in dieser Stille in die Kirche ein und wirft sich als Zeichen der Buße in stillem Gebet auf den Boden.“
Das Kreuz wird Stück für Stück enthüllt, alle Gläubigen verneigen sich vor ihm. „An diesem Tag läuten keine Glocken, jeglicher Schmuck ist aus der Kirche entfernt, der Altar mit violetten Tüchern verhüllt.“ Statt des Glockengeläuts ziehen in vielen Gemeinden am Karfreitag und Karsamstag bis heute die Ministrant:innen mit lauten Rätschen durch die Straßen, um an das Gebet zu erinnern und zum Gottesdienst zu rufen.
„Der Karsamstag hat einen eigenen Charakter für mich“, sagt Michael Wagner. „Die Kirche wird hergerichtet, die liturgischen Geräte werden geputzt, neue Tischdecken aufgelegt, Blumen angerichtet – ein Tag des Übergangs und der stillen Vorfreude.“
In der Osternacht wird das Licht Christi in die dunkle Kirche getragen
Abends wird am von den Ministrant:innen vorbereiteten Osterfeuer die Osterkerze entzündet. „Der Beginn der Osternacht ist frühestens um 21 Uhr am Abend, spätestens um 5 Uhr am Morgen des Ostertages“, heißt es im Direktorium. „In der Osternacht wird das Licht Christi in die dunkle Kirche getragen.“ Dann erklingt das Osterlob, das große Danklied für das Licht der Osternacht, ein besonderer, feierlich gesungener Text im Ton des Hochgebets: „Frohlocket, ihr Chöre der Engel, (…), preiset den Sieger, den erhabenen König!“
Viele Gläubige bringen in der Osternacht auch heute noch Osterkörbe mit, um die Speisen segnen zu lassen
Die Osternacht folgt einem großen Spannungsbogen: Von der Dunkelheit ins Licht, vom Tod zum Leben. Liturgisch ist sie durch vier Teile geprägt: Am Anfang entzündet die Gemeinde das Licht, hört die Heilstaten Gottes in sieben alttestamentlichen Lesungen (Direktorium: „Die Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer darf niemals ausfallen“) und zwei aus dem Neuen Testament (Epistel und Evangelium). Im dritten Teil werden das Taufwasser geweiht, das Taufversprechen erneuert und das Sakrament der Taufe gespendet – sofern Taufbewerber da sind –, bevor der Gottesdienst in die Feier der Eucharistie mündet. „Viele Gläubige bringen in dieser Nacht Osterkörbe mit, um die Speisen segnen zu lassen. Das steht immer noch hoch im Kurs.“
Der Ostersonntag wiederum mit der liturgischen Farbe Weiß ist der ranghöchste Festtag im Kirchenjahr und „ein einziger Tag der Freude und des Lichts“, so Michael Wagner. „Wir singen mit neuer Freude wieder das Halleluja und das Gloria!“ Von heute an beginnt die 50-tägige Osterzeit bis Pfingsten.
Text: Christian Horwedel, Freier Redakteur, Februar 2024
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