Mehr als "Stille Nacht, heilige Nacht"? Umfrage unter Organisten: Welche Lieder sind unverzichtbar für die Christmette?

Für uns Gläubige gehören Lieder wie „Stille Nacht, heilige Nacht“ einfach zur Christmette dazu. Doch welche Lieder spielen die Organisten aus unserem Erzbistum besonders gerne in der Heiligen Nacht? Eine kleine Umfrage unter Kirchenmusikern.
 
Stille Nacht Kapelle
Die Stille Nacht Kapelle in Oberndorf bei Salzburg

Prof. Ruben J. Sturm, Domorganist am Dom Zu Unserer Lieben Frau in München:

Domorganist Ruben Sturm
Ruben Sturm
"Es gibt wohl nur wenige Lieder, die so maßgeschneidert sind, dass man sie nur an einem einzigen Zeitpunkt im (Kirchen-)Jahr singen kann. 'O selige Nacht' gehört dazu.

Wie die weihnachtliche Festankündigung aus dem Martyrologium Romanum führt das besagte Lied zu den Geschehnissen der Heiligen Nacht hin – allerdings nicht in den historisch-biblischen-Kontext, sondern in die poetisch-mystische Stimmung der Weihnachtsnacht. Das ursprünglich achtstrophige Lied umschreibt die Verkündigung der Engel an die Hirten aus dem Weihnachtsevangelium.

'O selige Nacht' ist für mich ein Geist und Seele zum Weihnachtsgeschehen hinführender, musikalisch ansprechender Gesang, der in keiner Christmette fehlen sollte. So kann man sich innerlich bewegt in die Freude der Heiligen Nacht einschwingen - wie es die Engel mit ihrem Gloria – dem ersten in der Geschichte – vorgemacht haben."

Matthias Egger, Dommusikdirektor am Freisinger Dom:

Domorganist Matthias Egger
Matthias Egger
"'Es kommt ein Schiff, geladen' hat für mich seinen treffendsten Sitz in der Liturgie der Heiligen Nacht. Hatte das Lied im alten Gesangbuch noch einen Platz bei den Adventgesängen, rückte es aufgrund seines Übergangscharakters im 'Gotteslob 2013' in die Weihnachtszeit. Die Moll-Tonart der Melodie verweist auf die zurückliegende adventliche Vorbereitungszeit, sie passt auch zur dunklen, nächtlichen Stunde.

Das Bild des einlaufenden Schiffes ist plastisch und mystisch. Es zeichnet die sanfte Ankunft des Kindes, welches sich für uns verloren geben wird und dadurch Rettung bringt. Musikalisch besonders interessant ist der metrische Wechsel in der Mitte des Liedes: Er bringt eine Verbreiterung der Noten, die der Aussage der zweiten Melodiehälfte besonderen Nachdruck verleiht."

Bartholomäus Prankl, Kirchenmusiker in Prien am Chiemsee:

Organist Bartholomäus Prankl
Bartholomäus Prankl
"In Oberndorf, unweit von Salzburg entfernt, entstand vor über 200 Jahren der Weihnachtsklassiker 'Stille Nacht, heilige Nacht'. Pfarrer Joseph Mohr schrieb den Text, Organist Franz Xaver Gruber die Melodie. Am Heiligen Abend 1818 wurde das Lied erstmals bei einer Krippenfeier aufgeführt. Gruber spielte damals Gitarre, weil die Orgel bei der Krippenfeier nicht zum Einsatz kam.

Dass das Lied später weltberühmt wurde, dafür sorgte ein Orgelbauer aus dem Zillertal, der das Lied zufällig hörte und in seine Heimat mitbrachte. Fahrende Händler trugen es dann ins ganze Land hinaus. Bald wurde es zum Beispiel ins Repertoire der Christmette im Berliner Dom aufgenommen und avancierte zum Lieblingslied König Wilhelms IV.

Auch wenn „Stille Nacht, heilige Nacht“ wegen seines weiten Tonumfangs schwer zu singen ist, darf es bis heute in praktisch keinem Weihnachtskonzert und erst recht nicht in der Christmette fehlen. Weil es jeder kennt und mit seiner Kindheit verknüpft, ist das Lied bis heute mit so vielen Emotionen verbunden."

Text: Maximilian Lemli, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Dezember 2022