Sonntag für Sonntag erhält die kroatische Gemeinde in Rosenheim regen Zulauf. Viele Katholikinnen und Katholiken mit kroatischen Wurzeln feiern hier nicht nur Gottesdienst in ihrer Muttersprache, sondern knüpfen auch wertvolle Kontakte in der neuen Heimat.
Die Sonntagsmesse der kroatischen katholischen Gemeinde in der Rosenheimer Christkönigskirche ist stets gut besucht.
Ein gut gefülltes Gotteshaus ist selten in diesen Tagen – außer es steht gerade Weihnachten oder Ostern an. Umso überraschter ist der Besucher, der an diesem Herbstsonntag zum ersten Mal die Eucharistiefeier der Kroatischen Katholischen Gemeinde in der Rosenheimer Christkönigskirche betritt. Nicht nur die 30 Kirchenbänke sind mit vielen Gläubigen besetzt, auch dahinter verfolgen zahlreiche Besucherinnen und Besucher den Gottesdienst im Stehen. Besonders auffällig: Viele Jugendliche und junge Erwachsene haben den Weg in das Gotteshaus gefunden.
Natürlich ist die gut besuchte Kirche auch auf das besondere Charakteristikum einer muttersprachlichen Gemeinde zurückzuführen. Ihr Einzugsgebiet beschränkt sich oft nicht auf einen Stadtteil, sondern geht – wie im Falle der
Kroatischen Katholischen Gemeinde mit ihren rund 8.000 Katholikinnen und Katholiken – weit über Rosenheim hinaus. Zudem ist das Gottesdienstangebot stark begrenzt, so dass sich die Gläubigen vor allem zur Messe am Sonntagmittag in Christkönig versammeln.
Gläubige sind gut integriert
Doch gerade angesichts der ungünstigen Zeit zum Sonntagsbraten um 12:30 Uhr und teils langer Anfahrtswege von Wasserburg bis Holzkirchen lässt sich vermuten, dass den Gemeindemitgliedern diese eine Eucharistiefeier in der Muttersprache viel bedeutet. Ein Eindruck, den Pater Frano Cugura, der die Gemeinde seit 2017 leitet, bestätigt: „Es bedeutet ihnen alles“, erklärt er mit Nachdruck. So eine muttersprachliche Gemeinde sei ein kleines Stück Heimat, ergänzt Martina Bočkaj-Geißler. „Die Menschen, die hierherkommen, sind ziemlich gut integriert“, so die Gemeindereferentin. Viele Kroatinnen und Kroaten engagierten sich zusätzlich auch in ihren deutschsprachigen Pfarreien, seien beispielsweise Mitglied im Pfarrgemeinderat, so Franziskanerpater Cugura, der bereits seit 1988 als Priester in Deutschland tätig ist.
Ivan Marinovič kam vor sieben Jahren nach Rosenheim, um mit seiner jungen Familie finanziell über die Runden zu kommen. Durch den EU-Beitritt Kroatiens 2013 ist ihm die Entscheidung – wie bei vielen seiner Landsleute – leichtgefallen, zumal auch seine Schwester schon in Rosenheim lebte.
Für Marinovič war die kroatischsprachige Gemeinde gerade zu Beginn als Anlaufpunkt sehr wichtig, um sich im Alltag Hilfe zu suchen und Informationen zu erhalten, sich in gewohnter Sprache auszutauschen. Bereits kurz nach seiner Ankunft fand er in München eine Stelle als Informatiker, die ihn auch heute noch ausfüllt. Der kroatischen katholischen Gemeinde ist er ebenso treu geblieben, mittlerweile steht er dem Pfarrgemeinderat vor. „Die Liturgie und die Gebete in der Muttersprache zu hören, das gehört zur Seele“, betont Marinovič. Und Pater Cugura ergänzt: „In keiner anderen Sprache kann man das Gebet so zum Ausdruck bringen wie in der Muttersprache.“
Das Lieblingslied Johannes Paul II.
Deutlich wird an diesem Sonntag, dass ein Besuch bei einer fremdsprachigen Gemeinde bereichernd sein kann. Die gewohnte Liturgie der katholischen Eucharistiefeier sorgt dafür, dass man nicht „fremdelt“, die Gebete lassen sich auf Deutsch leise mitsprechen. Zwar muss man aufgrund der Sprachbarriere auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit Lesung, Evangelium und Predigt verzichten, dazu kommt aber das besondere Charisma der fremden Sprache und Glaubenskultur. Zur Kommunionausgabe singt die Gemeinde etwa das Lied „Krist na zalu“ – „Christus am Ufer“, laut Überlieferung das Lieblingslied Papst Johannes Paul II., welches er persönlich ins Kroatische übersetzt haben soll. Und mit wieviel Hingabe Chor und Gemeinde das Lied über mehrere Strophen vortragen, bleibt auch nach dem Gottesdienst noch in Erinnerung.
"Viele Gottesdienstbesucher:innen engagierten sich auch in ihren deutschsprachigen Pfarreien", so Pater Frano Cugura. Der Franziskanerpater steht der Gemeinde seit 2017 vor.
Nikola Lovrič berichtet im Gespräch nach dem Gottesdienst, dass die Gemeinde aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Kroatien in den vergangenen Jahren großen Zulauf erfahren habe. Viele seiner Freunde in der Heimat müssten mehrere Jobs annehmen, um am Ende des Monats auf eine „schwarze Null“ zu kommen. Der 23-Jährige ist als Vertreter der Jugend im Pfarrgemeinderat, organisiert etwa Jugendfreizeiten zu biblischen Themen, bei denen aber auch Gesang und die kroatische Kultur eine Rolle spielen. Seiner Erfahrung nach sei es leichter, Jugendliche, die gerade neu in Rosenheim angekommen sind, in die Aktivitäten der kroatischen Gemeinde einzubinden als die Jugendlichen, die hier aufgewachsen sind und eher etwas mit ihren deutschen oder nichtkroatischen Freundinnen oder Freunden unternehmen. Bei den deutschsprachigen Gemeinden beobachtet Lovrič häufig, dass es ihnen schwer falle, die jungen Gläubigen anzusprechen und zu begeistern – ein Unterschied zur kroatischen Gemeinde.
Beliebte Bibeltage
Besonders beliebt und erfolgreich sind die Kinderbibeltage, die drei bis vier Mal im Jahr stattfinden, erzählt Gemeindereferentin Bočkaj-Geißler. Die Vorbereitungen dazu nehmen mindestens einen Monat Zeit in Anspruch. Bei den Bibeltagen selbst werden die Kinder nach Alter in Gruppen eingeteilt, und es wird gemeinsam gebastelt, gesungen und gegessen. Zum Abschluss finden eine Dank-Anbetung und ein Familiengottesdienst statt. Dieses Jahr im Sommer stand das Thema „Menschenfischer“ im Mittelpunkt. Dabei warfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer biblischen Botschaften als Flaschenpost in den Inn.
Im kommenden Februar soll es einen gemeinsamen Kinderbibeltag mit der
deutschsprachigen Schwesterpfarrei Christkönig geben. Dieses Angebot habe Pfarrer Sebastian Heindl unterbreitet, so Bočkaj-Geißler. Darüber hinaus feiern beide Gemeinden unter anderem zusammen das Patrozinium am Christkönigsfest. Beim dazugehörigen Pfarrfest kommen dann auch die deutschsprachigen Katholikinnen und Katholiken in den kulinarischen Genuss kroatischer Köstlichkeiten.
Text: Klaus Schlaug, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, November 2022