In den vergangenen zwei Jahren ist mit Hilfe des Erzbistums München und Freising eine neue lebensgroße Krippe für den Weihnachtsmarkt in Edinburgh entstanden. Eine große Herausforderung, die die beteiligten Kirchen im Rahmen der Städtepartnerschaft München-Edinburgh in Zusammenarbeit mit dem Krippenbauer Thomas Hildenbrand gemeistert haben.
Krippe von Thomas Hildenbrand
Alles fing mit einem Brief an, der vor gut zwei Jahren an den Kadinal Reinhard Marx adressiert war. Absender war der Erzbischof des schottischen Erzbistums St. Andrews und Edinburgh, Leo Cushley. Der Bischof bat in dem Schreiben um Hilfe für ein besonderes Projekt, dass das katholische Erzbistum zusammen mit der reformierten Kirche von Schottland, der schottischen Episcopal Church und der Stadt Edinburgh in Angriff nehmen wollte: Man war auf der Suche nach einer neuen, lebensgroßen Weihnachtskrippe, die einen prominenten Platz auf dem Weihnachtsmarkt in Edinburgh einnehmen sollte.
(v.l.) Bildhauer Thomas Hildenbrand, Sir Tom Farmer und Archbishop Leo Cushley
Erzbischof Cushley dachte wohl, dass man mit der Hilfe des Erzbistums München und Freising die gewünschte Krippe bekommen könne, weil hier eine besondere Krippenbaukunst beheimatet sei, erklärt Ordinariatsrat Armin Wouters, der die Koordination des Krippenprojekts im Auftrag von Kardinal Marx übernahm. „Man war der Meinung: Wir wenden uns an München, Partnerstadt von Edinburgh, weil Krippen dort zur Tradition gehören.“ Mit dem Bau der Krippe als Inbegriff oberbayerischer Tradition könne man zudem ein wichtiges Zeichen für die Partnerschaft der beiden Städte setzen, die kommendes Jahr ihr 70-jähriges Bestehen feiert und damit die älteste Städtepartnerschaft Münchens ist.
„Am Anfang hatte ich die Sorge, es wird zu traditionell“
Christoph Kürzeder, der als Direktor des Freisinger Diözesanmuseums auch Experte für Krippenkunst ist, übernahm die Suche nach einer geeigneten Krippendarstellung, erzählt Wouters. Und weil lebensgroße Krippen keine Standardware sind, die man einfach so kaufen kann, habe Kürzeder schließlich Ausschau nach einem Künstler gehalten, der eine Krippe in dem gewünschten Format bauen könnte. Die Wahl fiel schließlich auf den Holzbildhauer Thomas Hildenbrand aus Ilshofen bei Schwäbisch Hall, der zunächst mit einem Entwurf beauftragt wurde.
Josef als zeitlose und moderne Figur
Dabei orientierte sich Hildenbrand, der sein Kunsthandwerk an Staatlichen Berufsfachschule für Holzbildhauer in Oberammergau erlernt und auch schon Arbeiten für die Krippenausstellung im Bayerischen Nationalmuseum durchgeführt hat, an einem kleinen gotischen Relief von Erasmus Grasser aus dem Diözesanmuseum. „Ich habe probiert, die Grundelemente aus diesem Relief für die neue Krippe zu übernehmen, zum Beispiel das Gewand, das um Jesus, Maria und Josef fast ganz herumläuft, oder die Festung im Hintergrund, die auch in Edinburgh stadtprägend ist“, erklärt Hildenbrand.
Außerdem habe er einen Bezug zu Großbritannien herstellen wollen, indem er sich mit den britischen Präraffaeliten, einer Gruppe von Malern aus dem 19. Jahrhundert, auseinander gesetzt hat, bei denen Krippen auch eine wichtige Rolle spielten. Der heilige Josef hingegen sei eine zeitlose, moderne Figur geworden, „zu ihm konnte ich als Handwerker einen sehr emotionalen Bezug aufbauen“.
Orientierung an einem Relief von Erasmus Grasser
Diese Spannung zwischen Tradition und Moderne prägt dann auch Hildenbrands Krippenkunstwerk für Edinburgh. „Am Anfang hatte ich die Sorge, es wird zu traditionell“, verrät der Bildhauer. Schließlich sei ihm aber klar geworden, dass das Grundanliegen der Weihnachtsgeschichte zeitlos ist und sich das in der Darstellung widerspiegeln muss. „Deshalb hoffe ich, dass mein Werk die Leute anspricht wie vor 500 Jahren, als Grasser dieses Werk geschaffen hat, an dem wir uns orientiert haben.“
Landschaftsrelief mit der Burg von Edinburgh
Nach verschiedenen Entwürfen, die er mit den Vertretern von Stadt und Kirchen in Edinburgh abgestimmt hatte, konnte sich Hildenbrand in diesem Frühjahr ans Werk machen; im September stand die neue Holzkrippe für Edinburgh dann abholbereit vor seinem Atelier auf dem Hof. Die Endfassung zeigt die Heilige Familie im Vordergrund eines Gehäuses in Form eines Tonnengewölbes, das mit einer perspektivischen, hölzernen Innenausstattung versehen ist. Im Hintergrund thront ein großes Landschaftsrelief, gekrönt von der Burg von Edinburgh.
Die Krippe auf dem Mound in Edinburgh
Finanziert wurde die Krippe zur Hälfte durch private Spender. Die andere Hälfte übernahmen anteilig die Stadt München, die Erzdiözese München und Freising sowie die reformierte Kirche von Schottland und die schottische Episcopal Church. Die Stadt Edinburgh hat die Transportkosten für die lebensgroßen Figuren aus Holz getragen. Am ersten Adventssonntag wurde die Krippe auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt in Anwesenheit des Krippenbauers Thomas Hildenbrand und einer Delegation der Landeshauptstadt München von Erzbischof Cushley gesegnet und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ordinariatsrat Armin Wouters zeigt sich nach der Präsentation der Krippe in Edinburgh zufrieden. Zum einen sei das Krippenbau-Projekt „ein beachtliches ökumenisches Zeichen“. Dass dieses Zeichen für den öffentlichen Raum ausgerechnet aus dem „typisch katholischen Motiv Krippe“ besteht, obwohl die katholische Kirche in Schottland nur eine Minderheit darstelle, sei bemerkenswert. Auch nicht zu unterschätzen sei die Bedeutung der Krippenaktion für die Städtepartnerschaft zwischen München und Edinburgh.
Die Krippe für die schottische Hauptstadt habe dazu beitragen, die Beziehungen trotz säkularer Vorbehalte gegenüber religiösen Zeichen wieder zu erneuern, betont Wouters. „Selbst Nicht-Christen sollten zustimmen können, dass sich in der Geburt Jesu zeigt, dass der Mensch uneingeschränkt Gott wichtig ist, eine Würde hat und Respekt verdient. Und das sind Elemente einer Gesellschaft, die wir heute mehr denn je brauchen.“
Text: Paul Hasel, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Dezember 2023