„Diese Andacht heißt Kreuzweg, weil sie uns den Weg vorstellet, den der leidende Heiland von dem Gerichtshofe des Pilatus nach der Schädelstätte mit seinem Kreuze gemacht hat. Sie besteht aus vierzehn Stationen oder Stillständen, weil wir auf diesem Leidenswege Jesu an vierzehn Orten mit unsern Gedanken stehen bleiben und das, was allda geschehen ist und uns in einem Bild vorgestellt wird, betrachten“. (Warendorfer Gebetbuch von 1795)
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Die Evangelien des Neuen Testaments und apokryphe Schriften berichten über den Leidensweg Christi durch Jerusalem nach Golgotha hinauf. Durch Pilgerführer, die seit 400 entstanden waren, konnten die überlieferten Berichte mit der hiesigen Tradition der Stätten und des Weges abgeglichen werden, sodass sich aus diesem Wissen die Kreuzwege entwickelten.
Ihren bildlichen Ursprung haben die Kreuzwege im hohen Mittelalter. Man war bestrebt, die Ereignisse der Passion Christi in einem „neuen Jerusalem“ erlebbar zu machen, um der
compassio christi eine situative Anschaulichkeit zu geben. Die heute gängigen Stationen der Kreuzwege gehen auf die Schrift „Theatrum terrae sanctae“ des holländischen Theologen Adrichomius von 1590 zurück. Er hatte die Stationen folgendermaßen benannt:
- Verurteilung durch Pilatus
- Kreuzauflegung
- Erster Fall
- Begegnung mit der Mutter
- Hilfe Simons
- Veronika
- Zweiter Fall an der Gerichtspforte
- Weinende Frauen
- Dritter Fall am Fuß des Berges
- Entkleidung
- Kreuzannagelung
- Kreuzaufrichtung
In dieser ersten belegten Version liegt der Schwerpunkt auf dem Leiden Jesu durch die Kreuztragung und somit sind nicht alle überlieferten Szenen der Passion beinhaltet. Diesem Leid, das sich vor allem in den Fällen widerspiegelt, werden tröstliche Szenen wie die Begegnung mit der Mutter oder die Simonhilfe gegenüber gestellt.
Die beiden heute gängigen Stationen der Kreuzabnahme (Station 13) und der Grablegung (Station 14), die nach dem Tod Christi stattgefunden hatten, wurden von Adrichomius noch nicht beschrieben. Erst der spanische Franziskaner Antonio Daza hatte sie im Jahre 1625 angefügt. Weite Verbreitung erfuhren die Kreuzwege und ihre Andachten durch den Ordensbruder Dazas, Leonhard von Porto Maurizio, vor allem seit dem beginnenden 18. Jahrhundert.
Die Franziskaner hatten bereits seit dem 14. Jahrhundert eine wesentliche Rolle bei der Bekanntmachung der Kreuzwege inne, da sie als die Hüter der heiligen Stätten galten. Als Ersatz für eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, die nicht jedem Gläubigen möglich war, sorgten sie, aber auch Mitglieder anderer Orden, für die Errichtung von Kreuzwegen in Europa, hier vor allem in Spanien (Scala coeli in Córduba 1423), Deutschland (Jerusalemberg zu Lübeck 1468) und Italien (Kalvarienberge von Varallo 1486-1491).
Kreuzweg im Kircheninneren von St. Martin, Fischbachau (Bild: HA Kunst)
So entstanden zunächst Kreuzwege und Kalvarienberge im Freien, an denen Andachten abgehalten wurden. Der Kalvarienberg stand meist in enger Beziehung zu den Kreuzwegen. Er meint Golgotha, die Kreuzigungsstätte Jesu und stellt somit die zwölfte Station des Kreuzwegs dar.
Um ihn erleben zu können, errichtete man auf Anhöhen das Kreuz mit Christus, auch zusammen mit den Kreuzen der beiden Schächer und meist mit Johannes und Maria, in monumentaler, skulpturaler Weise. Zu den Kalvarienbergen führen Wege mit Stationen, die meist Szenen aus der Passion zeigen, oder Kreuzwege. Mancherorts ist der Kalvarienberg um eine Heilig-Grab-Kapelle erweitert.
Um 1700 begann man, auch die Kirchenräume mit Kreuzwegstationen auszustatten und die Anbetung derer vermehrt ins Kircheninnere zu verlegen. Durch Papst Clemens XII. (1730-1740) wurde schließlich 1731 die Zahl der vierzehn Stationen und deren Abfolge kanonisch festgelegt.
Bis circa 1770 entstanden in Süddeutschland künstlerisch und volkstümlich wertvolle Kreuzwege (beispielsweise in Fischbachau, St. Martin, Tafeln von Sebastian Troger um 1760). Ab der Mitte des 19. Jahrhundert kam es zu einer weiteren Blüte der Kreuzwegverehrung und -verbreitung. In diesem Zusammenhang ist sicherlich der Maler Joseph von Führich (1800-1876) bemerkenswert, der für St. Lorenz in Prag und für die Lerchenfelder Kirche in Wien Kreuzwegtafeln schuf, die anschließend unzählige Male kopiert wurden und deren Reproduktionen heute noch viele bayerische Kirchen schmücken.
Nach den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurden wieder vermehrt Kreuzwege geschaffen und künstlerisch besonders beachtenswerte Exemplare gerade in jüngster Vergangenheit.
Text: Martina Außermeier, März 2018
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