Spitzenkleider aus Samt und Seide, aus Goldfäden gesponnenes Haar, Augen aus kunstvoll gefertigten Glassteinen - die sogenannten Katakombenheiligen sind uns vor allem an Wallfahrtskirchen oft bis heute erhalten geblieben und vermitteln einen Eindruck der Frömmigkeitskultur im Sinne der Katholischen Reform.
Die Heiligen Leiber in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Maria Thalheim wurden erst jüngst restauriert.
Die Geschichte reicht weit zurück: Bereits im 8. Jahrhundert wurden Kirchen und Klöster in Bayern mit römischen Reliquien ausgestattet, die vielerorts schon damals zu regen Wallfahrten führten.
Eine besondere Wirksamkeit ging für die Gläubigen von den heiligen Gebeinen aus, die Wunder geschehen ließen und in Nöten Hilfe leisten konnten. Viele dieser frühen Wallfahrten gingen spätestens mit der Reformation unter, sodass es in barocker Zeit ein Bedürfnis war, diese kultische Bewegung wiederzubeleben - zumal das Konzil von Trient in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Bedeutung der Reliquien als rechtmäßig bestätigt und festgelegt hatte, dass die Heiligen Leiber auch weiterhin zu verehren seien.
Über die Alpen getragen
Die Erinnerung an diese Tradition sowie der Einsturz eines Weinbergs an der Via Salaria bei Rom und die damit verbundene Freigabe einer vergessenen Katakombe im Jahre 1578 führte in den folgenden Jahrzehnten zu zahlreichen Überführungen römischer Heiliger nach Bayern. Als Katakombenheilige sind sie in die Geschichte eingegangen, wobei schon die früher aus Rom transferierten Heiligen ursprünglich in Katakomben lagen. Dort hatten sie manchmal schon bei ihrer Begräbnisstätte Verehrung erfahren und waren im Anschluss über die Alpen getragen worden.
Bei dieser 1578 ausgelösten Flut an Gebeinen dürfte die Überprüfung aller Leiber schwer zu bewältigen gewesen sein. Man ging deshalb vermutlich davon aus, dass es sich nur um Heilige handeln kann, die zur Festigung des katholischen Glaubens nach der Reformation hervorgetreten waren, um an verschiedenen Orten wirken zu können.
Kultur- und Glaubenszeugnis zugleich
Mancherorts haben sich regelrechte Reliquienschätze erhalten, die sich aus einer Vielzahl an Leibern und/oder von einzelnen Körperteilen von Heiligen zusammensetzen. Viele Heilige steigere die Wirksamkeit und Wundertätigkeit des Ortes, so glaubte man, und natürlich kamen so auch mehr Gläubige, um dieses Mehr an Wirksamkeit erfahren zu können.
Auf dem Haupt trägt der Heilige Leib des Hilarius in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Maria Thalheim einen Lorbeerkranz aus Metallblech.
So wurden sie gemeinsam mit einer päpstlichen Bestätigung auf ihre Echtheit von süddeutschen Klöstern und Pfarreien erworben. Der Leib selbst wurde meist in einer Holzkiste gebettet geliefert. Da der Barock eine Epoche des Schauens von himmlischer Herrlichkeit war, reichte also die Schlichtheit der Holzkiste nicht und man überließ es Frauenklöstern, die Gebeine in Seide und Samt einzuschlagen und mit Gold, Silber und vielerlei Stickerei kunstvoll zu fassen.
Kostbare Gebeine in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Maria Thalheim
Wunderbare, jüngst restaurierte Hl. Leiber besitzt die
Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Maria Thalheim. Die in spätgotischer Zeit erbaute Kirche wurde im Rokoko neu ausgestattet und besitzt eine Vielzahl an Altären. An den beiden östlichen Altären, die Skulpturen von Christian Jorhan und Gemälde von Franz Xaver Zellner tragen, stehen auf den Mensen aufwendig geschnitzte und vergoldete Schreine, in denen die Leiber des Hl. Florentius links und des Hilarius rechts gegenseitig lagern, sodass beide zum Kirchenraum und somit zum Betrachter blicken. Das Dekor des Schreins und die Ausschmückung der Leiber verweisen in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Religiöse Pracht
Ihr Oberkörper wird von zwei Kissen gestützt, und die Beine haben sie angewinkelt. Ihre Gebeine sind in Seide gehüllt, und sie tragen feinste Gewänder aus Lamé, die mit goldenen Borten verziert sind. Alle sichtbaren Knochen sind zudem mit Glassteinen und Perlen in Gold bestickt, und in den Augenhöhlen leuchten große, kunstvoll gefasste Glassteine. Auf den Häuptern tragen sie Lorbeerkränze aus Metallblech, aus demselben Material sind die Märtyrerpalmen, die sie in Händen halten. Von der Decke des vornehm ausgestatteten Schreins hängt eine kunstfertige Ampel, die die sogenannte Vasa Sacra birgt. Sie ist Gefäß für das Blut des Heiligen. Der Hl. Florentius hat außerdem ein Metallgefäß neben sich auf dem Kopfkissen stehen, in dem sich ein irdenen Öllämpchen befindet – solche Lämpchen wurden bereits in der Antike den Toten mitgegeben.
Auf Kissen gebettet und kunstvoll verziert, oft in einem Glassarg auf einem (Seiten-) Altar ausgestellt, faszinieren die aufgebahrten Heiligen Gebeine auch heute noch im gesamten Erzbistum München und Freising viele große und kleine Gotteshausbesucher. Einst als Reliquienheilige verehrt, ist das Interesse an den Katakombenheiligen nicht nur bei Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern und Theologen groß. Als Glaubens- und Kulturzeugnisse haben die Heiligen Leiber auf Kirchenbesucher ihren ganz eigenen Charme.
Text: Dr. Martina Außermeier, Fachreferentin für wissenschaftliche Grundlagen und Kunsttopographie, Hauptabteilung Kirchliche Kunst im Erzbistum, Oktober 2022
Diese Katakomenheiligen können in der Pfarrkirche Mariä Geburt in Rottenbuch anschauen. Sehen Sie dazu die nachfolgende Bildergalerie.
Besuch der Katakombenheiligen
Der Pfarrverband Reichenkirchen-Maria Thalheim öffnet die Wallfahrtskirche Maria Thalheim täglich von ca. 8:00 Uhr bis ca. 19:00 Uhr, im Winterhalbjahr jedoch nur bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Die Pfarrkirche Mariä Geburt in Rottenbuch ist täglich von 8 bis 19 Uhr geöffnet.