Christliche Jenseitsvorstellungen

Loderndes Feuer
Darstellungen von Feuer gehören zu den Motiven, mit denen die Hölle dargestellt wird. Man kann das biblische Bild auch als Metapher verstehen: Die Hölle steht dann für die Trennung von Gott.
Das Ende des Kirchenjahrs ist nichts für Zartbesaitete. Im Zentrum der liturgischen Texte steht in den letzten Tagen vor dem Beginn des neuen Kirchenjahrs die Endzeit. Die Bibel beschreibt diese Stimmung mit einem brennenden Ofen, der Trennung von Spreu und Weizen und gewaltigen Erdbeben. Theologisch haben sich für die christliche Jenseitsvorstellung ganz bestimmte Begriffe ausgebildet. Für alle gilt, dass sie sich der eigentlichen Bedeutung nur annähern können, da der Mensch sich keine endgültige Vorstellung von etwas machen kann, das seinen irdischen Verstand übersteigt. Wir erklären fünf dieser Formulierungen.
 
 
Himmel
Der Himmel ist der Ort der unmittelbaren Begegnung mit Gott. Da der Mensch schon an der bloßen Vorstellung Gottes scheitert, kann man sich nur ausmalen, was es heißen könnte, ihm direkt zu begegnen. Wird man in Lobpreis ausbrechen? Oder vielmehr staunend schweigen? Weil Gott die Liebe ist, muss es ein Zustand sein, in dem diese Liebe uneingeschränkt erfahrbar wird. Wer in den Himmel kommt, das liegt in Gottes Hand. Christen haben keinen Anhaltspunkt, darüber zu urteilen, wie es in einem Menschen aussieht. Aus ihrem Glauben heraus dürfen sie aber eine Hoffnung auf das Heil haben und dafür beten.
 
Fegefeuer
Die Übersetzung „Fegefeuer“ verdunkelt eher, was gemeint ist. Das lateinische „Purgatorium“ heißt zunächst Reinigung. Die Reinigung meint den Moment, wenn der Mensch nach seinem Tod mit all seinen Fehlern und Schwächen der grenzenlosen Liebe Gottes ausgesetzt wird. Wer schon einmal von einer Person, der er selbst etwas Schlechtes angetan hat, Güte erfahren hat, kann eine Ahnung davon bekommen, was das bedeutet. Nach dieser Erfahrung von Reue und Schuld aufgrund der eigenen unzureichenden Liebe in Konfrontation mit der unendlichen Liebe Gottes ist der Mensch „gereinigt“, um Gott uneingeschränkt zu begegnen.
 
Arme Seelen
Mit diesem Begriff werden die Menschen bezeichnet, die noch im Zustand der Reinigung (Fegefeuer) sind. Die Katholische Kirche geht davon aus, dass es nicht nur eine Kirche auf der Erde gibt, sondern dass auch die „triumphierende Kirche“ – das sind die Heiligen im Himmel – und die „leidende Kirche“ – das sind die „Armen Seelen“ – dazugehören. Der Tod ändert nichts an der Solidarität unter diesen verschiedenen Formen von Kirche. Daher beten die irdische und die himmlische Kirche für die Armen Seelen und drücken so ihre Verbundenheit mit ihnen aus.
 
Hölle
Die Darstellungen von Höllenqualen, etwa des Malers Hieronymus Bosch, prägen bis heute die Vorstellung dieses Orts. Man kann die biblischen Bilder aber auch als Metaphern sehen, die etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen sollen: Die Hölle bedeutet die Trennung von Gott. Das ist nicht weniger grausam. Obwohl Gott sich in Liebe dem Menschen zuwendet, hat dieser die Möglichkeit, Nein zu dieser Höchstform der Liebe zu sagen. Von dieser Liebe getrennt zu sein, das meint der Zustand der Hölle. Wie beim Himmel gilt auch hier, dass es keine Erkenntnisgrundlage dafür gibt, wer sich darin befindet.
 
Ablass
Der Ablass hängt mit der Vorstellung des Ablaufs der Sündenvergebung in der katholischen Kirche zusammen. In der Beichte werden zwar die Sünden vollkommen vergeben, dennoch existieren noch Sündenstrafen. Das ist ähnlich wie bei einem Straftäter, der, selbst wenn ihm seine Tat aufgrund seiner Reue vergeben wurde, dennoch eine gewisse Zeit ins Gefängnis muss. Unter bestimmten Bedingungen kann man durch guten Vorsatz, Beichte, Kommunionempfang und Gebet einen Ablass für die Sündenstrafen erwerben. Damit ist die Seele nicht mehr der Reinigung bedürftig und kann den liebenden Blick Gottes ohne Reue erwidern.
 
 
Theresia Kamp, Diplom-Theologin und Mitarbeiterin der Münchner Kirchenzeitung, aus: Münchner Kirchenzeitung vom 24. November 2019