Turmmonstranz aus Bad Tölz, Foto: EOM
In der spätgotischen Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Bad Tölz zeigt ein Buntglasgemälde aus dem beginnenden 16. Jahrhundert eine mittelalterliche Turmmonstranz (vom lat. monstrare: zeigen) mit der Hostie – an ihren Seiten knien anbetende Engel. Bänder geben folgende Schrift wieder:
ecce panis angelorum – 0 salutaris hostia – sieh das Brot der Engel – oh, heilbringende Hostie: zwei Verse aus zwei verschiedenen Hymnen, dem Verbum supernum prodiens und dem Lauda Sion Salvatorem, die anlässlich der Einführung des Fronleichnamsfest im Jahre 1264 vom überaus bedeutenden, mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin verfasst worden waren. Die beiden Verse veranschaulichen prägnant die Kernaussage des Festtages: die Verehrung der Eucharistie, also die Verherrlichung der Realpräsenz Christi in Brot und Wein.
Bereits früher, 1247, beging die Lütticher Diözese das erste Fronleichnamsfest, dem Visionen der seligen Juliana von Cornillon vorausgegangen waren. Dabei war Juliana aufgetragen worden, sich für die Einführung eines Festes einzusetzen, das der Verehrung der Eucharistie dient. 17 Jahre später machte Papst Urban IV. das Fest verbindlich für die gesamte römische Kirche. Das Trienter Konzil der beginnenden Neuzeit setzte dann ausführliche Vorschriften zum Ablauf des Fronleichnamkultes fest, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben. So wurde festgelegt, dass das Sakrament der Eucharistie jedes Jahr an einem besonderen Tag mit ausgezeichneter Verehrung und Festlichkeit gefeiert werden soll und dass das Allerheiligste dabei ehrerbietig in einer Prozession durch die Straßen und zu öffentlichen Orten getragen werden soll.
Prozessionen
Fronleichnamsprozession durch München
Schon seit 1273 wurde das Fronleichnamsfest in Benediktbeuren begangen und somit hat der Klosterort die längste Tradition dieses Festtages in Bayern. Für München wird der erste festliche Umgang an diesem Tag für das Jahr 1343 angenommen. In der Bischofsstadt Freising wurde die erste Fronleichnamsprozession wohl im Jahre 1407 abgehalten, zuvor hatte man bereits in Eichstätt und Augsburg das Fest mit Umzügen feierlich begangen. Bis in die Barockzeit steigerte sich die Pracht und Größe der Prozessionen ins nahezu Unermessliche, eine Entwicklung, die sich insbesondere an den Berichten und Abbildungen zu den Prozessionen in München oder Landshut nachvollziehen lassen. Genauestens festgelegt waren die Folge der einzelnen Gruppen: die Geistlichkeit, die Landesherren, der Magistrat der Stadt, die Bruderschaften, Klöster und viele andere Vereinigungen. Die festgelegte Zugfolge hat sich im Übrigen oft in den Städten und Dörfern in die heutige Zeit überliefert und ist immer noch gültig.
Monstranzen
Eng verbunden mit der Entstehung des Fronleichnamfestes ist das Aufkommen von Monstranzen. Um für diesen Tag ein besonders prächtige Schaugefäß für die Hostie zu besitzen, wurden fortan kostbare, in Gold und Silber getriebene Monstranzen gefertigt, die zum Transport für das Allerheiligste würdig erschienen. Im Jahre 1468 schuf Goldschmid Sixt eine goldene, mit Edelsteinen geschmückte Monstranz für den Freisinger Dom. Doch bereits früher, mit dem Aufkommen der Fronleichnamsprozessionen in der Mitte des 13. Jahrhunderts, wurden diese Kunstwerke gefertigt.
Wie der Name schon sagt, muss eine Monstranz die Hostie, die darin aufbewahrt wird, zeigen. Dementsprechend soll ein Receptaculum, ein durchsichtiges Schaugefäß, eingearbeitet sein, in dem die goldene Lunula, eine halbmondförmige Halterung für die Hostie, montiert ist. Zudem muss sich das Gerät zum Hinstellen und zum Tragen eignen, wozu es einen Fuß und einen Nodus, also einen Knauf am Schaft braucht. Alles andere konnte frei, allerdings stets die Besonderheit der Bestimmung berücksichtigend, gestaltet werden. Die Gotik brachte Turmmonstranzen hervor, die sich sehr am Sakramentshäuschen orientierten, die zur Aufbewahrung des Allerheiligsten vor dem Konzil von Trient dienten. Seit dem Barock sind es vor allem die Strahlenmonstranzen, deren Strahlenkränze, die zudem mit Edelsteinen und Perlen geschmückt sind, die Hostie einrahmen. Treibarbeiten stellen Gottvater und Heilige dar und Engel unterstreichen den himmlischen Charakter der Szenerie. In großen, kunstvollen Drehtabernakeln können sie auch während des Jahres in prächtiger Weise das Allerheiligste zeigen. Das 20. Jahrhundert offenbarte dann die ganze Fülle an Formen, die zur feierlichen Zurschaustellung der Hostie geeignet sind.
Einige besonders schöne und kunstfertige Monstranzen aus der Erzdiözese werden im Folgenden vorgestellt.
Tegernsee, Pfarrkirche St. Quirinus
Monstranz aus dem Kloster Tegernsee, gefertigt 1448 von Hans Kistler; Aufn.: EOM/v. d. Mülbe
Im Bewusstsein der barocken Formensprache scheint es fast unmöglich, die Turmmonstranz von 1448 dem Kirchenschatz der Pfarrkirche St. Quirinus am Tegernsee zuzuschreiben. Tatsächlich ist sie das einzige Relikt des ursprünglichen Schatzes, geschaffen von Hanns Kistler aus Landsberg, wie auch auf der Inschrift zu lesen ist: „Factum est in lanczsperg anno 1448.“ So ist der bestehende Kirchenbau mit Ausnahme der älteren Türme ein Werk der Gotik, im 15. Jahrhundert entstanden und 1639-65 unter Antonio Riva barockisiert. Nach der Säkularisation 1818-24 unter König Max I. Joseph erfolgte dann außen von Leo von Klenze und innen von Johann Georg Dillis die Vollendung und Renovierung im klassizistischen Stil.
Die „berühmte“ Tegernseer Monstranz ist Kupfer vergoldet und für die Zeit typisch nach Art eines gotischen Schreinaltarretabels oder eines Sakramentshäuschens gestaltet. So drängen in mehreren Registern zahlreiche Wimperge und Fialen mit Heiligenfiguren besetzt nach oben. Unter König Max II. 1856 wurde die Monstranz umfassend restauriert. Dabei tauschte man ein vermutlich zylindrisches Schaugefäß durch das heutige, runde aus, das wie ein Rosettenfenster im Kontrast zu den aufstrebenden Architekturelementen steht. Ebenso wurden damals zahlreiche „moderne“ Figuren angebracht, um teilweise verlorene, alte zu ersetzen, teilweise wurden jedoch auch neue hinzugefügt oder alte Figuren entfernt und erneuert. Auf dem Knauf des Schaftes zum Beispiel sind die in Silber gearbeiteten Figuren gemischt: alt sind die hl. Apollonia, ein hl. Eremit, eine Märtyrerin, der hl. Jacobus, die hl., Katharina, der hl. Andreas und die hl. Barbara – modern ist der hl. Christophorus. Im dritten Register befindet sich die ursprüngliche Figur der Maria, mit beiden Händen das Kind haltend und 8 cm groß. Durch ihre feingliedrige, exakte und sorgfältige Ausführung ist die Monstranz eine Arbeit ersten Ranges.
Prunkmonstranz aus dem Kloster Dietramszell, gefertigt von Franz Keßler 1690, Aufn.: EOM/A.Bunz
Der Gold- und Silberschmied Franz Keßler aus München hat diese kunstfertige Prunkmonstranz geschaffen, die er an den Dietramszeller Propst Marcellin Obermayer zwischen 1683 und 1698 verkaufte. Ein weiter, geflammter Strahlenkranz umgibt das Schaugefäß und im geschweift gerahmten Schaugefäß wird die Lunula sichtbar, die hier mit Steinen geschmückt ist. Neben dem inneren Rahmen aus Muschelwerk schmückt ein weiterer Kranz aus Engeln, die sich in Anbetung dem Zentrum der Monstranz zuwenden. Oben ist der segnende Gottvater zu sehen und über ihm schließt das Kreuz die Monstranz nach oben. Zudem zeichnet sich das Prunkgefäß durch den überaus üppigen Stein- und Applikationenbesatz aus und sogar seine Rückseite wurde mit einem Weinrebenkranz verziert – ein Verweis auf ihre Bestimmung als Traggefäß.
Landshut, Schatzkammer, Traubenmonstranz
Prunkmonstranz von Franz Ignaz Bertoldt, gefertigt 1739; derzeit in der Schatzkammer von Sankt Martin, Aufn.: EOM/T. Letzel
Die Schatzkammer bei St. Martin in Landshut besitzt die besonders prächtige und imposante Traubenmonstranz, die aus der Jesuitenkirche St. Ignatius stammt. Bei ihr handelt es sich um eine im Jahre 1739 von Franz Ignaz Bertoldt in Augsburg meisterlich gearbeitete, feuervergoldete Prunkmonstranz aus Silber im Stil des Rokoko. Das Schaugefäß umgibt ein weiter Strahlenkranz, auf dem oben Gottvater auf der Weltkugel zu sehen ist. Das Schaugefäß selbst wird von einem Baldachin bekrönt und von vier Säulen begleitet. Vor dem Schaugefäß hat der seine Jungen nährende Pelikan seine Flügel ausgebreitet und verdeckt damit die Lunula, die die Hostie hält. Darunter zeigt ein Relief das letzte Abendmahl. Reich geschmückt ist sie zudem mit zahlreichen farbigen Edel- und Schmucksteinen, Traubengehängen aus Flussperlen sowie grazilen Emaillen.
München, Pfarrkirche St. Paul
'Münchner Monstranz', gefertigt von August Hertle für den Eucharistischen Weltkongreß 1960; Aufn.: EOM/A.Bunz
1960 schuf der Münchner Goldschmiedemeister August Hartle die so genannte „Münchner Monstranz“, die damals als „bewusst modern“ gestaltet galt. Dies mag vor allem auf Ihre Reduktion sowohl in Form als auch Funktion zurückzuführen sein. Zunächst besticht sie durch ihre mandorlaförmige Scheibengloriole, aus einer getriebenen und vergoldeten Messingplatte angefertigt und liebevoll umgeben von einem winzigen Strahlenkranz aus kleinen, durchsichtigen Bergkristall-„Perlchen“. Schaugefäß und Lunula sind in einem kreisrunden, gläsernen Korpus verschmolzen, der mittig ausgesetzt als kleine Sonne das Allerheiligste erstrahlen lässt und als Custodia genutzt werden kann. Kraftvoll und doch zurückhaltend umspielen die farbigen Halbedelsteine Lapislazuli, Rosenquarz, Türkis und Bergkristalle, das Allerheiligste.
Während des 37. Eucharistischen Weltkongresses in München 1960, der vom 31. Juli bis zum 07. August 1960 stattfand, war in Hartles Monstranz von Mittwoch bis Sonntag das Allerheiligste zur Anbetung in der Pfarrkirche St. Paul ausgesetzt. Der Eucharistische Weltkongress in München war das erste internationale Großereignis in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Er fand unter dem Motto: „Pro mundi vita“ (Für das Leben der Welt) statt.
Heimstetten, Pfarrkirche St. Peter
Scheibenmonstranz von Hermann Jünger, gefertigt 1991 für die Pfarrkirche St. Peter in Heimstetten; Aufn.: EOM/A. Bunz
Das Pfarrzentrum St. Peter in Heimstetten wurde nach Plänen des Architekten Alexander Freiherr von Branca in den Jahren 1989 -1991 von den Baufirmen Leonhard Moll und Hans Schelle unter der Bauleitung des Büros Cronauer, München, errichtet. Hermann Jünger entwarf neben der Monstranz auch den Tabernakel als „Haus Gottes auf dem Berg“, den Ambo und anderes liturgisches Gerät wie Altarleuchter, Vortragekreuz, Hostienschalen und Kelch. Die Ausführung übernahm Manfred Bergmeister. Als gelernter Silberschmied war Hermann Jünger seit 1972 Professor an der Akademie der bildenden Künste in München, Nachfolger seines einstigen Lehrmeisters des Gold- und Silberschmieds Franz Rickert. Stilistisch seinen Schmuckstücken folgend sind die jeweiligen Elemente der Monstranz auf ihr geometrisches Minimum reduziert und erinnern an Constantin Brancusis Skulpturen. Der silberner Fuß und der Schaft mit Nodus sind so flach und dünn, dass die große, goldene Scheibe, die das Schaugefäß umgibt und es gleichsam erstrahlen lässt, fast zu schweben scheint. Der goldene Halbmond der Lunula folgt exakt der kreisrunden Form der Hostie, wie auch der die Scheibe umfassende „Strahlenkranz“, der wie eine Halskette so zart und dünn das fließende Gold silbrig begrenzt.
München Neuried, Pfarrzentrum St. Nikolaus
Kreuzmonstranz für die Pfarrkirche St. Nikolaus Neuried von Rudolf Bott aus dem Jahr 2018; Aufn.: EOM/T. Letzel
Die kreuzförmige Monstranz im Pfarrzentrum St. Nikolaus ist von Rudolf Bott und nach der Monstranz für die Kirche Verklärung Christi in München Ramersdorf seine zweite. Bott studierte in der Klasse für Schmuck und Gerät bei Prof. Hermann Jünger an der Akademie der Bildenden Künste in München. Für St. Nikolaus schuf er die gesamte liturgische Ausstattung. Bildnerisches Zeichen und Vervollständigung durch die Liturgie sind die bestimmenden Elemente seines Konzepts. Die Monstranz aus Silber und Bergkristall nimmt Bezug auf das monumentale Kreuz im geometrischen Mittelpunkt des Kirchenraums. Das aus Kunststein gegossene Tau, Symbol der Erlösungsverheißung des Alten Testaments, wird durch das Einstellen des Vortragekreuzes in der Feier der Eucharistie zum sieghaften Kreuz des neuen und ewigen Bundes überhöht. So wird auch das Tau der Monstranz erst durch das Aufsetzen des Schaugefäßes zum lateinischen Kreuz vervollständigt. Die zwischen zwei Bergkristallplatten eingesetzte Hostie schwebt golden über dem Tau und verleiht der Monstranz eine „Leiblichkeit“, lässt sie fast anthropomorph wirken. Aus massivem Bergkristall sind auch Schale und Kelch. Durch ihre Materialität wird die eucharistische Zusammengehörigkeit sichtbar.
Texte: Stephanie Hodek und Martina Außermeier, HA Kunst
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