Auf den Friedhöfen in Gmund, Bad Wiessee, Tegernsee und Rottach-Egern sind viele Prominente begraben. In deren Biographien spiegelt sich auch deutsche Geschichte wider.
Leichenhalle auf dem Tegernseer Friedhof
Es ist ein bescheidener, schwarz-grauer Granitstein, unter dem die Urne mit ihrer Asche begraben liegt. Dabei haben sich ihre rund 200 und in viele Sprachen übersetzten Liebesromane angeblich 80 Millionen Mal verkauft. Sie handeln fast immer von unterprivilegierten Frauen, die zäh um ihr Glück mit einem Mann ringen, der ein gutes Herz hat, aber reich und deshalb eigentlich unerreichbar ist. Hedwig Courths-Mahler hat sich mit ihren noch heute verlegten Büchern ein schönes Haus mit Wallberg-Blick zusammen geschrieben, in Tegernsee, wo sie auf dem Gemeindefriedhof bestattet ist. Unfassbaren Kitsch werfen ihr die Literaturkritiker vor. Einer ihrer Romantitel lautet „Das stille Weh“. Hedwig Courths-Mahler war allerdings immerhin so mutig sich zu weigern, ihre Werke im Geist der NS-Ideologie umzuschreiben. Prompt sackten ihre Auflagen in den Keller und ihre Romane vom persönlichen Glück jenseits der Politik wurden kaum noch gedruckt, obwohl sie sogar ein Fördermitglied der SS war.
Grabstätte von Hedwig Courths-Mahler auf dem Egener Friedhof
Da hatte es sich ein anderer Autor, der gar nicht weit von Hedwig Courths-Mahler begraben liegt, erheblich einfacher. Sein Grabstein ist mittlerweile verschwunden. Kitsch hat er ebenfalls geschrieben, Nazi-Kitsch. Hans Zöberlein war ein Nationalsozialist der ersten Stunde, schrieb erschreckende Machwerke, mit unverhohlenen Aufforderungen zum Judenmord. Er beließ es auch nicht bei brutalen Tötungsphantasien. Kurz vor der Kapitulation 1945 erschoss der SA-Brigadeführer zusammen mit einigen Kumpanen in der oberbayerischen Bergbaustadt Penzberg acht Männer, die den Ort friedlich an die Amerikaner übergeben wollten. Sieben weitere Personen ließ er gut sichtbar an Straßenbäumen aufhängen, darunter eine schwangere Frau. Ob so ein Mann in Frieden ruhen kann, wie es die Inschrift auf der Leichenhalle den Toten wünscht? Nach einer mehrjährigen Gefängnisstrafe hat ein bundesdeutsches Gericht Zöberlein übrigens wegen seiner angegriffenen Gesundheit aus der Haft entlassen.
Bad Wiesseer Bergfriedhof
Es sind immer wieder sehr dunkle Geschichten, die auf den so idyllisch gelegenen Friedhöfen am strahlenden Tegernsee begraben sind. Auf der anderen Uferseite auf dem Bad Wiesseer Bergfriedhof liegen zwei andere Stützen der NS-Gesellschaft: Die Generale Werner von Blomberg und Albert Kesselring, Letzter ein verurteilter Kriegsverbrecher. Sie hatten nichts dagegen, in einem Verbrecherregime die Karriereleiter hinaufzusteigen.
Noch vor einigen Jahren waren ihre Gräber auf einer Prominententafel verzeichnet. Die ist nach öffentlichem Protest mittlerweile ausgetauscht und die Generale sind darauf verschwunden. NS-Spitzenleute ließen sich gerne im Tegernseer Tal nieder und bald sorgten dafür, dass sich Juden hier zu fürchten hatten. Maria Liebermann von Wahlendorf hat das 1935 am Ortseingang von Rottach-Egern aufgestellte Schild: „Juden betreten den Ort auf eigene Gefahr“ bestimmt gelesen.
Das betraf die letzte große Liebe von Ludwig Thoma persönlich, die aus einer jüdischen Familie kam, wenngleich evangelisch getauft. Der bayerische Großschriftsteller hatte Maria Liebermann von Wahlendorf zu seiner Haupterbin eingesetzt. Nach Thomas Tod lebte sie in dessen Haus Auf der Tuften über dem Tegernsee als Inhaberin all seiner Verlags- und Urheberrechte. Die hatte er ihr ausgerechnet zu jener Zeit übertragen, als er schon im „Miesbacher Anzeiger“ wüste antisemitische Hetztiraden veröffentlichte, die Maria Liebermann von Wahlendorff verstörten. Thoma verstand das gar nicht und schrieb ihr 1920 treuherzig: „Ich bin wirklich kein Antisemit, so sehr ich die ostjüdische Kulturfeindlichkeit hasse. Außerdem habe ich ja der jüdischen Rasse mein Liebstes zu verdanken.“ Denn Thoma wollte seine „Maidi“ unbedingt heiraten, starb aber 1921. Beerdigt ist er auf dem Egerner Friedhof an der Pfarrkirche Sankt Laurentius. Eine schwere Platte liegt auf dem Grab an der Südwand, die Bronzelettern mit seinem Namen sind frisch poliert. Seine Maidi hat ihn 50 Jahre überlebt und ihre letzte Ruhestätte direkt neben ihm gewählt.
Die Gräber von Ludwig Thoma (l.) und Maria Liebermann von Wahlendorf auf dem Egerner Friedhof
Ein paar Meter davon entfernt fällt eine Ausbuchtung in der Friedhofsmauer ins Auge. Dort liegt ein Grab, dass es sogar auf die Homepage des „Hauses der Bayerischen Geschichte“ geschafft hat. Der 1929 verstorbene jüdische Kaufmann Dr. Gustav M. Mayer und seine Frau sind darin bestattet. Weil es kirchenrechtlich nicht möglich war, Ungetaufte auf dem katholischen Friedhof zu bestatten, fand der damalige Pfarrer Johann Baptist Haindl einen Trick. Er ließ eine Nische in die Mauer zum Pfarrgarten hin brechen, dort war die Erde nicht geweiht. So konnte er Gustav Mayers großen Wunsch erfüllen, in Egern sein Grab zu finden. Die Gemeinde hatte allen Grund, dem Kaufmann dankbar zu sein. Er hatte unter anderem eine Schulspeisung in der Notzeit der 1920er Jahre finanziert. „Die Gemeinde Rottach-Egern, besonders ihre armen Kinder, Kriegerwitwen und Hinterbliebenen verlieren in ihm einen großen Wohltäter“, schrieb der „Alpen-Bote“ in einem Nachruf. Ein paar Jahre später wäre das nicht mehr denkbar gewesen.
Das NS-Regime erlaubte keine Ehrengräber für Juden, und wer es bekämpfte, sollte ausgelöscht werden. So wie Erwin Planck. Der Sohn des weltberühmten Physikers gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli, die das NS-System stürzen wollten. Dafür hat ihn der Volksgerichtshof hängen lassen, von seinem eingeäscherten Leichnam ist nichts übrig geblieben. Weil Erwin Planck Familienangehörige am Tegernsee hatte, erinnert auf dem Gmunder Kirchfriedhof wenigstens ein Gedenkkreuz an den Widerstandskämpfer, auf dem auch der Name seiner Frau steht. Nach dem Ende der Terrorherrschaft lag Deutschland zerstört in Trümmern.
Grabstätte von Ludwig Erhard und Familie auf dem Gmunder Bergfriedhof
Ein paar steile hundert Meter oberhalb der Gmunder Kirche erinnern auf dem Bergfriedhof zwei Gräber an Persönlichkeiten, die das zerstörte Land wieder aufzubauen halfen: Dort ist das Grab des zweiten Bundeskanzlers Ludwig Erhard zu finden, der die Soziale Marktwirtschaft mitprägte. Nur ein paar Reihen davon entfernt liegt sein Lieblingsarchitekt Sep Ruf, der auch das Privathaus des Bundeskanzlers am Tegernsee entwarf. Berühmt ist er durch die Neue Maxburg in München und den deutschen Pavillon geworden, den er für die Brüsseler Weltausstellung 1958 entwarf. Eine Architektur, die für eine offene und demokratische Gesellschaft steht, mit der die Bundesrepublik die Ideologie der Nazi-Größen hinter sich lassen wollte, die sich am schönen Tegernsee so wohl gefühlt haben.
Text: Alois Bierl, Chefreporter im katholischen Medienhaus Sankt Michaelsbund, Oktober 2024