Der zentrale Glaubenssatz vom „einen Gott in drei Personen“ ist schwer fassbar und erzeugt bei vielen sogar Unsicherheiten – dies äußert sich nicht nur in der Frage, wie man Gott im Gebet ansprechen soll. Der Landshuter Stiftspropst Msgr. Franz Joseph Baur ermutigt dazu, sich der Komplexität des dreifaltigen Gottes dennoch zu stellen, und erläutert, warum die Lehre von der Dreifaltigkeit kein ausgedientes Traditionsstück ist, sondern der Schlüssel zum Offenbarungsgeschehen und zur Beziehung Gottes zu den Menschen.
Freie Fürbitten in einer betenden Gemeinschaft sind wirklich das „Gebet des Volkes“, wie es sich das Zweite Vatikanische Konzil gewünscht hat. Selten wird der Glaube inniger, als wenn eine Gemeinde das Wort Jesu beherzigt: „Was zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.“ Zugleich erlebt man, wie unsicher die Leute sind, wenn sie sich an Gott wenden. Wen redet man an? Jesus? Christus? Den „Herrn“? Einfach Gott? Den himmlischen Vater? Gleich korrigiert jemand: „Gott, du bist wie ein Vater und eine Mutter …“ Und an Pfingsten fällt uns ein, dass man auch mal an den Heiligen Geist denken und ihn anrufen sollte.
Wirklich sattelfest sind aber auch die „Profis“ nicht, die Priester. Da hört man die Segensformel wie eine Aufzählung: „Es segne euch der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“ Korrekt ist: „… der Vater und der Sohn und der Heilige Geist“. Nicht weil man an die lateinische Vorlage gebunden ist und das Latein bei der Aufzählung entweder nur das Komma oder „et … et … et“ kennt, nicht wie die entsprechende Konstruktion im Deutschen mit lauter Kommata und einem abschließenden „und“. Sondern weil keine Aufzählung gemeint ist, sondern der eine Gott in drei Personen.
Sind das Quisquilien, Belanglosigkeiten? Die Versuchung besteht, sie vom Tisch zu wischen wie Goethes Mephisto:
„Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört!
Wer will sich mit den Narr’n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“
Plausibler scheint es, von Gott als dem einen und einzigen jenseits aller unterschiedlichen religiösen Vorstellungen zu reden. Es mag ein Höheres oder Höchstes geben, das ist aber absolut unerkennbar. So sind nicht wenige Katholiken bereit, den inhaltlichen Anspruch, mit der Lehre von der Dreifaltigkeit etwas Wahres über Gott zu sagen, in den Speicher der ausgedienten Traditionsstücke zu verräumen, wo schon eine Menge Zeug liegt, das früher in Gebrauch war, dessen man sich heute als aufgeklärter, moderner Christ schämt. Man hantiert zwar noch mit Liedtexten, Bibeltexten, Gebetsformeln, weil sie vertraut klingen und man sich auf nichts anderes so schnell einigen können wird, aber man weiß es eigentlich besser: Das sind nur menschliche Zurechtlegungen, in Wirklichkeit ist Gott, wenn es ihn denn gibt, ein unfassbares Geheimnis.
Doch gerade das ist menschliche Zurechtlegung. Eingängig, aber durchsichtig in der Beharrung aufs menschlich Denkbare und Akzeptable. Und deshalb unglaubwürdig. Jedenfalls unglaubwürdiger als ein authentisch demütiger Glaube, der sich von der Komplexität des sich dreifaltig offenbarenden Gottes angegangen weiß. Ob sich mit dem Glaubenssatz vom „einen Gott in drei Personen“ vielleicht doch mehr denken lässt als mit dem neutralen, jenseitigen Absoluten?
Was ist geschehen, als Gott sich zu erkennen gegeben hat – wenn es denn überhaupt sein kann, dass wirklich Gott sich zu erkennen gegeben hat? Im menschlichen Geist war offenbar ein Fassungsvermögen, ein Sensus dafür, dass er es wirklich mit Gott zu tun hat. Biblisch gesprochen: Die „Augen des Herzens“ (Eph 1,18) bedurften eigens der „Erleuchtung“, damit der Mensch versteht, dass er es wirklich mit Gott zu tun hat. Hier ist die Rede vom Heiligen Geist, dem Gott „in uns“.
Wie hat der Mensch nun mit Gott zu tun? Was versteht er von ihm? Er versteht, dass Jesus Gott ist. „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ (1 Kor 12,3). Jesus ist der Immanuel, „Gott mit uns“. In ihm tritt Gott dem Menschen entgegen, aus seiner Unerkennbarkeit heraus in den Horizont der Welt hinein. Aber gerade so wird die bleibende Jenseitigkeit, Unfassbarkeit, Absolutheit Gottes gewahrt. Gott zeigt nicht einen Aspekt oder einen Teil von sich, wie er unter der Bedingung von Zeit und Raum zu erscheinen vermag. Er verwandelt sich nicht in eine irdische Erscheinungsform und wieder zurück. Gott selbst ist die Beziehung zwischen dem, der ursprungslos Ursprung von allem ist, und dem, der sich ganz und gar empfängt. So konnte diese zweite Person Mensch sein, ohne das Menschsein zu sprengen.
Die Beziehung in Gott erstreckt sich zwischen dem himmlischen Vater, den „niemand je gesehen hat“ (Joh 1,18), und dem Sohn, Jesus Christus, der „nichts aus sich selbst tut“, sondern dem Vater folgt. Wenn die drei, der Vater (einfach „Gott“) und der Sohn („Gott mit uns“) und der Heilige Geist („Gott in uns“) nicht ein und derselbe wären, „eines Wesens“, dann hätte sich nicht der wahre Gott zu erkennen gegeben. Aber es war echte Offenbarung. Unterhalb dieser Komplexität war es nicht zu machen.
Unsicherheit tut dem Glauben keinen Abbruch. Sie vertraut sich dem je größeren, in seiner Komplexität den menschlichen Geist übersteigenden und ihn umschließenden Gott an.
Text: Msgr. Dr. Franz Joseph Baur, Stiftspropst und Leiter der Stadtkirche Landshut