Jedes Jahr kommen kurz vor Ostern Seelsorger aus allen Pfarreien im Münchner Liebfrauendom zusammen, um etwas Wertvolles mit nach Hause zu nehmen: Die heiligen Öle. Domzeremoniar Robert Scheingraber ist für die Mischung dieser Öle und die Vorbereitung verantwortlich.
Priesterseminarist Patrick Meddeb (l.) und Domzeremoniar Robert Scheingraber bei der Zubereitung der Heiligen Öle
Diakon Robert Scheingraber begutachtet das Öl, das gerade in die Sakristei des Liebfrauendoms geliefert worden ist. „Dieses Jahr ist das Öl ein ganz besonderes, denn es stammt aus einem Hilfsprojekt in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos", erklärt der Domzeremoniar. „Die dort ansässige kleine Hilfsorganisation 'Home for All' hat mit Unterstützung der Münchner Support International e.V. seit 2021 eine Bio-Landwirtschaft aufgebaut. In diesem Projekt pflanzen und ernten Geflüchtete alle Arten von Bio-Gemüse, darunter auch Oliven, aus denen dann auch eigenes Bio-Olivenöl gewonnen wird."
Supermarkt-Qualität reicht bei weitem nicht aus, um dem Anspruch gerecht zu werden, den die Seelsorger bei den verschiedenen Salb-Handlungen an das geweihte Öl stellen. „Chrisam“ heißt dieses Öl, nach dem griechischen Wort „chrio“ für „ich salbe“. Verwendet wird der edle Stoff zum Beispiel bei der Taufe: Hier wird der Täufling, egal ob Kleinkind oder Erwachsener, nach dem Übergießen mit Wasser anschließend mit Chrisam gesalbt. Aber auch bei Firmung und Priesterweihe spielt Chrisam eine Rolle, ebenso bei sogenannten „Sachweihen“ wie bei der Altarweihe.
Der Gesalbte empfängt die Kraft des Heiligen Geistes
Der Akt der Salbung hat mit vielen, teils historischen Zusammenhängen zu tun: Öl – und im Nahen Osten vor allem das Olivenöl – hat schon in der Antike in der Küche und auch bei der Kosmetik eine entscheidende Rolle gespielt. Die Wertschätzung dieses goldgelb schillernden Rohstoffs übertrug sich früh auf die Herausstellung einer Person: Könige wurden bei ihrer Krönung gesalbt, Christus ist „der Gesalbte“. Die Salbung mit Öl ist Sinnbild des Heiligen Geistes. Und so haben die Christen früh die heilende Kraft des Öls, innerlich wie äußerlich, wertgeschätzt, es wurde eines der wichtigsten Gegenstände im sakralen Bereich.
„Der Ritus der Weihe der heiligen Öle stammt aus der stadtrömischen Liturgie des 7. und 8. Jahrhunderts und ist von dort aus zu uns 'eingewandert'", berichtet Robert Scheingraber. „Ein Pontifikale des 10. Jahrhunderts spricht dann von zwei voneinander unabhängigen Gottesdiensten am Gründonnerstag: Ein Gottesdienst vom letzten Abendmahl und ein anderer Gottesdienst von der Weihe der heiligen Öle. Ursprünglich war das ein Gottesdienst in zwei Teilen. Die erste Hälfte haben alle gemeinsam mit dem Papst gefeiert. Anschließend sind die Priester in die Titelkirchen der Stadt, also in ihre Pfarrkirchen zurückgekehrt und haben dort die Messe weiter gefeiert, in Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie. Deshalb die Nähe zum Gründonnerstag und die zeitliche Verortung in der Karwoche."
Domzeremoniar Robert Scheingraber (l.) füllt die Öle ab
Veredelung des Öls durch kostbare Aromen
Nicht zuletzt deshalb verlangt die Verteilung der Öle in der Chrisam-Messe ausreichend Vorbereitung: Schon zu Beginn der Karwoche beginnt Domzeremoniar Scheingraber mit dem Mischen. Denn das Olivenöl wird nicht pur zur Salbung verwendet, sondern vor der traditionellen Chrisam-Messe am Mittwochabend veredelt: Der Diakon fügt dem Salböl dann noch Rosenöl und Balsam hinzu. „Dadurch kann man sie noch mehr sinnenhaft erfahren – und man kann die Öle für ihre Verwendungszwecke unterscheiden“, erklärt Robert Scheingraber.
Er stellt neben dem Chrisam-Öl zwei weitere Mischungen her: Das Katechumenen-Öl, also das Öl für die Taufbewerber, bekommt ein frisch-zitroniges Aroma, das man symbolisch dem Thema Aufbruch – Neuanfang zuordnen könnte, das Öl für die Krankensalbung hat ein beruhigendes Zimtaroma, denn Zimt hat eine heilende und entspannende Wirkung. Beide Öle werden ebenfalls in der Chrisam-Messe geweiht.
„Das Chrisamöl unterscheidet sich von den anderen beiden Ölen, da ihm bestimmte Duftstoffe (Balsame) beigemischt werden", erläutert der Domzeremoniar. „Diese werden entweder in Form des gelblichen Mekkabalsams vom arabischen Balsambaum oder in Gestalt des dunkleren Perubalsams vom amerikanischen Myroxylon pereirae gewonnen. Letzterer wurde nach der Entdeckung Amerikas erstmals von Pius V. (1566-1572) und nochmal von Sixtus V. (1585-1590) erlaubt. Zum genauen Mischverhältnis gibt es keinerlei Bestimmung. Die Pastorale Einführung schreibt lediglich vor, dass 'reichlich' Balsam beigemischt werden soll. Lediglich ein Prozent des Duftsekrets genügt bereits zur Aromatisierung des Öls."
Vom Liebfrauendom nehmen die geweihten Öle ihren Weg in die Pfarreien
Weil zu diesem Gottesdienst Seelsorger aus der ganzen Erzdiözese kommen, müssen entsprechende Mengen Öl vorbereitet werden. Etwa 120 Liter werden in große Zinnkannen gegeben, zehn Diakone füllen nach der Weihe daraus das Öl in kleinere Kannen. Und aus diesen wiederum werden die Gefäße für die Pfarreien befüllt: „Das sind oft Schraubgefäße, die noch aus der Barockzeit stammen, teilweise aus Glas, in die dann etwa ein halber Liter hineinpasst“, so Robert Scheingraber.
Zum feierlichen Gottesdienst kommen nicht nur Seelsorger aus dem ganzen Erzbistum, sondern auch die sogenannten „Kapitelsboten“, die von den Dekanaten entsandt werden. Sie nehmen die speziellen Öle mit in die Dekanate, und dort wiederum holen die Pfarrer, normalerweise am Gründonnerstagvormittag, die wertvollen Flüssigkeiten ab. Seelsorger und Pfarreien sind dann für Tauffeiern an Ostern und alle anderen Salb-Handlungen ausgestattet. Bis ins nächste Jahr, wenn die neu gemischten Öle im Liebfrauendom wieder verteilt werden.
Text: Willi Witte, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund
Dom Zu Unserer Lieben Frau
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Msgr. Klaus Peter Franzl, Pfarrer
Dr. Peter Joachim Artmann, Seelsorgemithilfe
Msgr. Wolfgang Huber, Seelsorgemithilfe
Dr. Johannes Lackermair, Seelsorgemithilfe
Bertram Machtl, Seelsorgemithilfe
Dr. Andreas Müller-Cyran, Seelsorgemithilfe
Msgr. Dieter Olbrich, Seelsorgemithilfe
OStR. G. R. Georg Walch, Seelsorgemithilfe
Anton Häckler, Adscribiert
Matthias Scheidl, Hauptberuflicher Diakon
Robert Scheingraber, Hauptberuflicher Diakon