Wie macht man das Geheimnis der Auferstehung in der Kunst anschaulich? Sollte dies überhaupt geschehen? Wie konkret darf das Bildnis des auferstandenen Christus sein? Über die Jahrhunderte hat sich die Anschauung des Wunders der Auferstehung, des "Geheimnis des Glaubens", verändert. Eine kleine Meditation zur gängigen Darstellung des Auferstandenen.
"Deus absconditus" von Michael Triegel aus dem Jahr 2013
„Geheimnis des Glaubens“ spricht der Priester nach der Wandlung, und die Gemeinde antwortet: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Das zentrale Geheimnis – Tod und Auferstehung Jesu Christi – wird in jeder Eucharistiefeier erinnert und doch bleibt es Geheimnis.
Bereits in den Berichten der Evangelisten von der Auferstehung gibt es eine große Zurückhaltung, was die nähere Beschreibung dieses Geheimnisses betrifft. Bei den Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas findet der anrührende Bericht von den Frauen, die mit Salbgefäßen „am ersten Tag der Woche (…) in aller Frühe (…) als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2) zum Grab kommen; doch das Grab ist leer. Vom Auferstandenen selbst sagt der Engel am Grab in der ältesten Fassung bei Markus in Mk 16,6 nur: „Er ist auferstanden; Er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hat.“ Darauf folgt die Aufforderung: „Nun aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“
Erzählungen über Erscheinungen des Auferstandenen wie in den anderen Evangelien folgen in der ursprünglichen Markusfassung nicht mehr - erst im später ergänzten „unechten“ Markus-Schluss. Die Hörer des Evangeliums werden wie die Frauen am Grab mit „Furcht“ und der Leere des Grabes konfrontiert. Der Glaube in seiner ursprünglichen Gestalt als Hoffnungsgeschehen ist hier unmittelbar greifbar: der Glaube kann diese Leerstelle füllen, die aufgehende Sonne im Osten („am Morgen des ersten Tages“), verweist hoffnungsvoll in die Zukunft und ist Namensgeber des „Oster-Festes“.
Spannung zwischen dem Geheimnis und dem Wunsch zu sehen
Dem Staunen vor dem Geheimnis steht der menschliche Wunsch gegenüber, zu wissen und zu sehen. Auch dieses menschliche Bedürfnis ist bereits in der Bibel beschrieben, wenn in Joh 20,25 der Apostel Thomas sagt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ Der Auferstandene gewährt ihm diese Möglichkeit, sagt aber: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
In eben dieser Spannung zwischen dem Offenhalten des Geheimnisses und dem Wunsch, zu sehen und zu zeigen, stehen auch die Darstellungen der Auferstehung in der Geschichte der Kunst. Das erste Osterbild der Christen war die Darstellung der Frauen am leeren Grab, die es seit dem 4. Jahrhundert gibt (vgl. etwa Reidersche Tafel, Bayerisches Nationalmuseum München, um 400; Kirchenportal von S. Sabina in Rom, um 432; Mosaik im Obergaden der Basilica di S. Apollinare Nuovo, Ravenna, 6. Jh.). Der Engel weist die Frauen, die mit Salbgefäßen zum Grab kommen, mit Zeigegestus auf die Leere des Grabes hin, das entweder als geöffneter Sarkophag oder als hoher Grabbau – nachempfunden der Jerusalemer Grabeskirche Kaiser Konstantins – dargestellt wird. Vor oder neben dem Grab können die nach Mt 28,4 zu Boden gestürzten Wächter dargestellt sein.
Schaufrömmigkeit führte zum Wunsch nach Anschaulichkeit
Seit dem 12. Jahrhundert gab es eine veränderte Auffassung von Theologie und Frömmigkeit, der Leib Christi wurde oft nur mehr einmal im Jahr nach intensivem Fasten an Ostern empfangen, zugleich gab es ein gesteigertes Bedürfnis nach Anschaulichkeit; es entwickelte sich eine ausgeprägte "Schaufrömmigkeit". In dieser Zeit entstand auch der Typus des sich selbst aus dem Grab erhebenden Christus, bei dem das Geheimnis der Auferstehung nicht mehr erzählt, sondern der angenommene Vorgang anschaulich gemacht wird.
Am Altar-Retabel des Nikolaus von Verdun in Klosterneuburg von 1181 ist die Entstehung des späteren Typs der Auferstehungs-Darstellung unmittelbar nachzuvollziehen: Auf der Rückseite der 17. Emailplatte der dritten Reihe hat der Künstler noch den alten Typus der Frauen am leeren Grab vorgeritzt. Diesen Typus aber hat er verworfen und durch eine völlig neuartige Darstellung ersetzt: Der vom Kreuz abgenommene Christus steht auf, er erhebt sich mit ausgebreiteten Armen mit den Wundmalen und der blutenden Seitenwunde selbst in schreitender Bewegung aus dem Grab. Als Triumphzeichen steht ein Prozessionskreuz neben ihm im Grab. Unter dem Grab sind die Wächter erschrocken zu Boden gefallen. Die drei Frauen am Grab werden nicht mehr dargestellt, ihre Funktion als Zeugen und Empathieträger ist nun durch die Anschaulichkeit des Auferstandenen überflüssig geworden. Der Wunsch zu sehen hat die Darstellung des leeren Grabes in den Hintergrund gerückt.
Für die Gläubigen greifbar und in der Erscheinung festgelegt
Mit dieser Bilderfindung änderte sich fortan die künstlerische Darstellung der Auferstehung. Es setzte sich die Darstellung des Auferstandenen durch, der sich aus dem Grab erhebt, wo er eben noch mit den Leinenbinden umwickelt war: der Auferstandene zeigt die Wundmale und ist mit einem Umhang in österlichem Weiß und Gold oder im Rot der Passion umhüllt; das Siegeskreuz trägt er nun in der Regel als rote Osterfahne mit Weiß eingezeichnetem Kreuz („vexillum crucis“) das an das Feldzeichen Konstantins des Großen erinnert („In diesem Zeichen wirst du siegen …“). Der Auferstandene ist nun für den Gläubigen als Gegenüber greifbar, aber freilich auch in seiner Erscheinung festgelegt.
In der Gegenwart wird wieder mehr das Geheimnis des Göttlichen in den Vordergrund gestellt, und manche allzu dinglichen und festgelegten Darstellungen des Geheimnisses erscheinen als naiv und weniger angemessen. Dieser Zweifel kommt in dem vielschichtigen Gemälde „Deus absconditus“ (Verborgener Gott) des Leipziger Malers Michael Triegel von 2013 zum Ausdruck.
In einem aus Ziegeln gemauerten Raum ohne Rückwand, der sich in die dunkle Weite öffnet und dessen mehrfarbiger Marmorfußboden an eine Kirche denken lässt, zeigt der Künstler in seinen eigenen Worten ein „Riesenstillleben“, „eine Rumpelkammer der Geschichte, eine tote Bühne der Kunst vor der Dunkelheit eines ewigen Nichts“.
Rätselhafte Dinge und Figuren
Auf und unter einem Tisch und in hölzernen Kisten und Gestellen werden rätselhafte Dinge und Figuren gezeigt: im Zentrum der Gekreuzigte, bis auf Hände und Füße von einem weißen Tuch verhüllt, das mittels Seilzügen angehoben werden könnte, an den Beinen des Gekreuzigten lehnt ein beschriebenes Blatt Papier; links davon eine sitzende Frauenfigur in blauem Mantel und rotem Umhang mit grünem Innenfutter, die an Maria denken lässt, aber deren Körper zu fehlen scheint; vor ihr über dem Tisch eine schwebende Schreibmaschine – ein Verweis auf die Verschriftlichung eines Geheimnisses?
Unter und auf dem Tisch Fleischstücke, Brot und ein Weinglas, die Assoziationen an „Fleischwerdung“ und Eucharistie auslösen und ein Apfel, der an den Apfel aus dem Paradies denken lässt; rechts unten im Eck eine kniende Figur in betender Haltung mit Büßergewand mit kegelförmiger Gesichtshaube, wie sie von den Nazarenos bei den Karfreitagsprozessionen in Andalusien getragen wird; darüber am rechten Bildrand schließlich eine auf der Tischkante kippende Holzkiste mit der klassischen Darstellung des Auferstandenen: in aufrechter Haltung, leicht bekleidet mit Wundmalen und rot-goldenem Umhang – die Fahne scheint ihm verloren gegangen – eine Darstellung wie sie seit dem späten Mittelalter für viele Jahrhunderte die religiöse Sehgewohnheit prägte.
Michael Triegel betonte hierzu in einem Interview, „dass wir eher an dem zweifeln sollten, was wir sehen und wissen, als daran, was wir fühlen und glauben.“
Wie können wir uns heute dem Geheimnis des Glaubens, dem Geheimnis der Auferstehung nähern? Wir können Jesus Christus, der seinen Alltag in Galliläa gelebt hat, nachfolgen und im alltäglichen Leben begegnen, wie es in Mk 16,7 heißt: „Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“ Und wir können gerade in diesen Tagen die Botschaft des Auferstandenen im Herzen tragen, wie er sie im Johannesevangelium (Joh 20,19) den furchtsamen Jüngern zuruft: „Friede sei mit euch!“
Text: Dr. Ulrich Schäfert, Fachbereichsleiter Kunstpastoral
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Dr. Ulrich Schäfert, Fachbereichsleiter