Das Sakrament der Versöhnung Wie zeitgemäß ist die Beichte noch?

Zum Priester zu gehen und seine Sünden zu beichten, das ist doch nicht mehr zeitgemäß, mögen einige denken. In der Jesuitenkirche St. Michael in der Münchner Innenstadt macht man andere Erfahrungen. 
 
Pater Martin Stark SJ
Martin Stark SJ
„Die Beichte ist das Sakrament der Versöhnung“, sagt Pater Martin Stark SJ. „Nicht nur mit anderen Menschen oder Gott, sondern auch mit sich selbst, mit der eigenen Geschichte.“ Jeden Tag von 17 bis 19 Uhr bieten die Jesuiten die Möglichkeit der Beichte, und diese wird gut angenommen: „Wir können uns eh nicht beklagen, aber gerade zu Ostern gab es einen unglaublichen Ansturm an Menschen, die beichten wollten“, erinnert sich der 55-Jährige. Das sei so weit gegangen, dass in der Karwoche vier bis fünf Beichtstühle gleichzeitig „in Betrieb“ gewesen seien, vor denen sich Schlangen gebildet hätten.

Dass das in der heutigen Zeit ungewöhnlich ist, dessen sind sich die Jesuiten bewusst: „Vielleicht liegt es an den unterschiedlichen Kulturen, die hier zusammen kommen.“ Pater Stark erinnert sich: „Corona war ein heftiger Einschnitt. Viele, die sonst häufig zur Beichte gekommen seien, sind weggeblieben. Die haben aber Ostern zum Anlass genommen, jetzt wieder zu kommen."

Manchmal wissen die Jesuiten nicht, wem sie die Lossprechung erteilen sollen. „Denn die Leute bringen auch das mit in die Beichte, was sie selbst verletzt hat.“ Vor allem Frauen berichten zum Beispiel von Missbrauch in familiärer oder beruflicher Umgebung. Je nach dem, wie intensiv das Beichtgespräch ist, verweist der Jesuit auf einen Psychotherapeuten.
 
Beichtstuhl in Sankt Michael in München
Beichtstuhl in St. Michael
Besonders häufig werde der Umgang mit der eigenen Sexualität gebeichtet, vor allem der Konsum von Pornographie und Selbstbefriedigung. Häufig werde das Wort „Reinheit“ als Umschreibung dafür verwendet – oder als Ideologie.

Wer zur Beichte gehe, sei kirchlich sozialisiert und komme sogar regelmäßig. So erlebt man es in St. Michael. Manches Gespräch dauere nur ein paar Minuten, andere bis zu 20 Minuten. Einige hätten sogar ihren eigenen Beichtvater, mit dem sie regelmäßig sprechen. Anders als man vielleicht annehmen würde, ist der Anteil jüngerer Beichtgänger erstaunlich hoch. Die unterschiedlichen Klientelen unter einen Hut zu bekommen, könne herausfordernd sein.

Es ist Pater Stark ein Anliegen, dass die Menschen gestärkt aus der Beichte herausgehen: „Sie sollen Mut, Trost und Hoffnung schöpfen.“ Dabei gehe es nicht um einen moralischen Blickwinkel: „Trotz ihres ,sündhaften Verhaltens‘ sind sie Kinder Gottes.“ Manche erwarteten eine „harte Buße“, aber der Jesuit ermutigt eher dazu, den Blick auf Gott zu lenken und zu beten.

Die Lossprechung sieht der Kirchenrektor von St. Michael als „Geschenk, das ich Menschen zusprechen darf.“ Für ihn selbst sind die Beichtgespräche „wie eine Gebetszeit, weil ich liebe Menschen vor Gott hinhalte und in seinem Namen Vergebung ausspreche“.
 
Text: Maximilian Lemli, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Juni 2024

St. Michael-Jesuitenkirche
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