Wie Bayern christlich und katholisch wurde Bayerische Landesausstellung im Diözesanmuseum Freising

Das Haus der Bayerischen Geschichte zeigt in Zusammenarbeit mit dem Diözesanmuseum Freising dort seine diesjährige Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär – Bayern im frühen Mittelalter“.
 
Problembär Bruno als Exponat auf der Bayerischen Landesausstellung
Der ausgestopfte Bruno auf der Landesausstellung
Auf dem Freisinger Domberg ist derzeit ein erstaunlicher Gast zu Besuch, den man im Diözesanmuseum nicht unbedingt erwarten würde: Der ausgestopfte „Problembär“ Bruno aus dem Museum Mensch und Natur in München, der Ende Juni 2006 oberhalb des Spitzingsees erschossen wurde. Er steht in den Räumen der diesjährigen bayerischen Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte und soll auf die bekannte Bären-Legende des hl. Korbinian verweisen, der als Gründer des Bistums Freising gilt.

Bruno ist quasi das Maskottchen dieser klug, klar und stringent konzipierten und inszenierten Schau, das in allen Räumen in verschiedener Form immer wieder auftaucht. Die anderen zwei markanten Figuren dieser Jubiläums-Ausstellung, die das 1.300-jährige Bestehen des Bistums feiert, sind Korbinian, der erste Bischof von Freising, und Herzog Tassilo III., der die Herrschaft der Agilolfinger in Bayern zum Höhepunkt geführt hat. Mit kostbaren Kunstschätzen, neuesten archäologischen Funden und Erkenntnissen sowie mit unterhaltsamen Medienstationen und Filmen begibt sie sich auf Spurensuche ins frühe Mittelalter in Bayern, das damals ein ganz anderes Land war als heute.

Eine Welt in Bewegung

Über Land und Leute herrschten adlige Sippenverbände und an deren oberster Stelle die Agilolfinger, ein bestens vernetztes Herzogsgeschlecht - wie etwa zu den italienischen Langobarden oder den Herrschern des Frankenreichs, mit denen sie familiäre oder kulturelle Kontakte pflegten. Der erste überlieferte Agilolfinger-Herzog war Garibald. Einer seiner Nachfolger, Theodo (+ um 746) reiste nach Rom und bekam vom Papst die Erlaubnis, an seinen Herzogssitzen in Salzburg, Regensburg, Passau und Freising Bistümer zu errichten.
 
Statue des Heiligen Korbinian in der Bayerischen Landesausstellung im Diözesanmuseum Freising
Heiliger Korbinian
Es war eine Welt in Bewegung: Auch zu dieser Zeit gab es schon weit gespannten Handel und lebhaften Austausch über hunderte von Kilometern hinweg. Die Hauptverkehrsachsen im bayerischen Herzogtum bildeten die alten Römerstraßen und noch mehr die Flüsse, allen voran die Donau und den Inn. Der Donauraum um Regensburg war das Kerngebiet ihres Reiches und Salzburg ihr kulturelles und geistiges Zentrum – München gab es noch gar nicht.

Missionare schufen Grundlage für bayerische Kirchen-Organisation

Damals waren auch viele Geistliche im Namen des katholischen Glaubens durch ganz Europa unterwegs, die meist aus Frankreich stammten und vom irischen Mönchstum geprägt waren. Bedeutende Missionare neben Korbinian waren Erhard und Emmeram in Regensburg oder Rupert in Salzburg. Dieser soll Herzog Theodo getauft haben, was später zur Gründung der Kirche in Bayern verklärt wurde. Die Wander-Missionare schufen wesentliche Grundlagen für die spätere bayerische Kirchen-Organisation. Die lebensgroße Nachbildung eines lebensecht wirkenden Wander-Geistlichen – mit Beigaben und Kleidungsresten aus einem Klerikergrab der Augsburger Basilika Ulrich & Afra – macht dieses Phänomen in der Ausstellung höchst anschaulich.

Mit dieser Hilfe festigten die bayerischen Herzöge das Christentum, gründeten Klöster, schufen sich Herrschaftszentren und bauten so das Land aus, das im 8. Jahrhundert zeitweise bis Südtirol, Kärnten und Slowenien, nach Oberösterreich, in die Oberpfalz und über den Lech nach Schwaben hinein reichte. Zugleich übten die Agilolfinger auch die Leitungsgewalt über die Kirche aus.
 
Korbinian unfreiwillig in Freising

Vor rund 1.300 Jahren gelangte auch Korbinian von Frankreich über Italien nach Bayern. Er stammte aus der Nähe von Paris und lebte dort zunächst als Einsiedler. Zweimal pilgerte er nach Rom. Dort weihte ihn der Papst zum Bischof. Nach Freising kam Korbinian im Jahr 724 nicht ganz freiwillig. Der Herzogssohn Grimoald verschleppte den frommen Mann auf den Domberg. Hier sollte Korbinian als Bischof wirken, um das Christentum zu festigen – aber auch, um die herzogliche Macht zu stärken.
 
Rupertuskreuz als Exponat auf der Landesausstellung
Rupertuskreuz
Korbinian war viel unterwegs. Das war damals mühsamer und gefährlicher als heute. Auf seinem Weg über die Alpen überfiel ihn ein wilder Bär und riss das Lasttier des Heiligen. Der Legende nach soll Korbinian darauf das Raubtier gezähmt haben, das dann dessen Gepäck bis nach Rom trug. Auf Bildern Korbinians ist der Bär noch heute stets dabei. Auch schon auf einem Ölgemälde von Jan Polak aus dem Jahr 1485 von den Bayerischen Staatsgemälde-Sammlungen, auf dem Korbinians Begleiter auf das Raubtier einschlägt, während dieses noch an seinem Opfer frisst. An diese über 1.000 Jahre alte Legende, die später der Vita des Heiligen hinzugefügt wurde, erinnert bis heute auch das Wappen der Stadt Freising – und so kam auch „Bruno“ in diese Ausstellung.

Kein überliefertes authentisches Bild von Korbinian

In Freising wurde Korbinian nie richtig heimisch. Bestatten ließ er sich in Südtirol auf dem Zenoberg über Meran am Grab des hl. Valentin. Erst Jahrzehnte später wurden seine Gebeine von Arbeo, dem dritten Nachfolger auf dem Freisinger Bischofsstuhl, in den Freisinger Dom überführt. Seither verehren die Gläubigen Korbinian hier als Gründerbischof, Stadt- und Bistumspatron. Arbeo war es auch, der um 770 die „Vita Corbiniani“, die auf Latein geschriebene Lebensbeschreibung Korbinians, verfasste. Von diesem gibt es aber keine überlieferte Schrift, keine Urkunde, die ihn ausweist, und keine Stelle, von der man mit Gewissheit sagen kann, dass er dort war.

Es existiert auch kein überliefertes authentisches Bild von Korbinian. In der Ausstellung begegnet er den Besucher:innen als lebensgroße Sandstein-Skulptur von 1330, die vermutlich aus der Stiftskirche St. Andreas in Freising stammt: Mit Bischofsstab und Pontifikalgewändern, dessen hageres Gesicht und die asketische Erscheinung gut zu seinem Charakterbild passt, wie es in Arbeos Korbinian-Vita beschrieben ist.
 
Schmuckplatte mit Darstellung der Krönung des Langobardenkönigs Agilulf als Exponat auf der Bayerischen Landesausstellung
Schmuckplatte mit Darstellung der Krönung des Langobardenkönigs Agilulf von Anfang des 7. Jahrhunderts
Ein weiteres Ausstellungs-Kapitel widmet sich der Frage: „Was glaubten die Bayern?“. Vor rund 1.300 Jahren bekannten sich im Lande viele zu Christus, aber es wurden wohl auch heidnische Götter verehrt. In der Römerzeit hatte sich das Christentum in Bayern etabliert. Durch die Völkerwanderung und Roms Niedergang kamen seit dem 4. Jahrhundert immer mehr Germanen ins Land zwischen Alpen und Donau. Sie brachten ihren eigenen Glauben mit: Ob an Wotan, an die arianische oder bereits an die katholische Form des Christentums.

Die bayerischen Agilolfinger-Herzöge waren schon seit dem 6. Jahrhundert katholisch. Mit ihrer Billigung – und vielleicht unter kriegerischen Schutz – zogen Missionare durchs Land. Diese Männer waren vom irischen Mönchstum geprägt und predigten den katholischen Glauben. Aus anderen Regionen ist bekannt, dass sie die Menschen mit Gewalt bekehren wollten und heidnische Heiligtümer zerstörten. Das könnte auch in Bayern so gewesen sein.

Magie von Kirche erlaubt

Der Legende nach strafte Korbinian eine heilkundige Zauberin mit der Peitsche. Viele Menschen, auch getaufte Christen, vertrauten weiterhin auf Magie. Auch als das Christentum gefestigt war, blieben zahlreiche magische Praktiken. Mit christlicher Symbolik verbunden, wurden sie teilweise sogar von der Kirche erlaubt: Die katholische Frömmigkeit setzte ohnehin stark auf äußerliche Zeichen. Kreuzanhänger konnten so zu Schutzamuletten werden. Viele ursprünglich magischen Handlungen und Gegenstände gehören heute zur Tradition.
 
Projektion "Korbinian züchtigt die Hexe" in der Bayerischen Landesausstellung im Diözesanmuseum Freising
Projektion "Korbinian züchtigt die Hexe"
Die wichtigste Herrscherpersönlichkeit der damaligen Zeit war Herzog Tassilo III. In seiner Regierungszeit von 748 bis 788 – also genau 40 Jahre lang – gründete er bedeutende Klöster wie Kremsmünster in Oberösterreich oder Frauenchiemsee. Er saß Versammlungen der bayerischen Kirche vor und erließ Gesetze, was sonst nur Könige taten. Wie ein König führte Tassilo auch ein eigenes Szepter und rühmende Titel wie „höchster Fürst“ oder „erlauchter Herr“ – und geriet so in Konkurrenz zum fränkischen König Karl dem Großen.
 
Tassilo und Liutpirc-Kelch als Exponat auf der Bayerischen Landesausstellung
Tassilo-Kelch
Tassilos Eigenständigkeit gegenüber dem Frankenreich fand auch seinen künstlerischen Ausdruck: In seinem Umfeld entstanden einzigartige Meisterleistungen. Die berühmteste ist der Tassilo-Kelch, ein Weltkunstwerk von allererstem Rang und das wohl bedeutendste Objekt der bayerischen Geschichte überhaupt. Diesen kostbaren Messkelch stiftete der Herzog gemeinsam mit seiner Frau Liutpirc, einer langobardischen Königstochter. Er wird seit Jahrhunderten im Kloster Kremsmünster aufbewahrt und nur einmal alle 100 Jahre ausgeliehen. Den Ausstellungsmachern ist es dennoch gelungen, ihn für kurze Zeit nach Freising zu holen – allerdings nur bis zum 1. Juli und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen.

Ausstellung zeigt Arbeiten der „tassilonischen Hofschule“

Die Tier- und Rankenmotive dieses Kelchs prägten einen eigenen Stil: Bunt, figürlich und äußerst vielfältig – eine eigentümliche Mischung aus irisch-angelsächsischen Elementen, die sich auf bayerischem Boden zu etwas Besonderem verbanden. Im Schatzkammerraum der Ausstellung sind faszinierende Goldschmiedearbeiten, Buchmalereien und Steinmetzkunst dieser „tassilonischen Hofschule“ zu bewundern, die als Stiftungen für die Kirchen und Klöster seines Herzogtums entstanden. Der „Tassilostil“ hob sich deutlich von der fränkisch-karolingischen Hofkunst ab, die überhaupt nur als Reaktion darauf entstand.
 
Bis heute kann man in Freising Korbinian an zwei Orten besonders nahekommen. Zum einen im mittelalterlichen Dom auf dem Domberg, wo in der Krypta die Reliquien des Heiligen im goldenen Schrein aufbewahrt werden und wo im Hauptschiff der Kirche der große Freskenzyklus der Gebrüder Asam von 1724 Korbinian und seine Lebensstationen feiert. Das waren „Festgeschenke“ zur Tausendjahr-Feier des Bistums, die der barocke Freisinger Fürstbischof Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechteneck initiiert hatte. Und zum anderen das Korbiniansbrünnlein auf dem Südhang des Weihenstephaner Bergs: ein meditativer, stiller Rückzugsort mit einem etwa 1.200 Jahre alten Stollen und den Ruinen einer ehemaligen Asam-Kapelle.
 
Text: Karl Honorat Prestele, Sankt Michaelsbund, April 2024
 
Die Ausstellung ist vom 07.05. bis 03.11.2024 geöffnet. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier

Veranstalter: Haus der Bayerischen Geschichte und Erzdiözese München und Freising