An Weihnachten und Ostern sind die Gottesdienste außergewöhnlich und werden mit erheblichem Aufwand betrieben. Pfingsten, das dritte große Fest des Herrenjahres, fällt aus dem Rahmen. Das liegt nicht nur daran, dass Ferien sind oder dass dieses Hochfest keine Oktav, das heißt keine Festwoche hat; inhaltlich ist Pfingsten für viele irgendwie „ungreifbar“. Der Geist des Herrn kommt auf die junge Kirche herab – was auch immer das heißen mag … Aber genau das feiern Christen am 50. Tag nach Ostern nun einmal. Selbst die Kunst tut sich mit Pfingsten hart: Eine Taube kommt dem nur schwer nach, was Heiliger Geist wirklich meint, Lichtstrahlen ebenso wenig wie Flammen.
Der Heilige Geist ist der unsichtbar in der Kirche einwohnende Gott, der die Getauften durchwirkt und in jenen Gaben erfahrbar wird, die faszinierend sind: Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Gottesfurcht sowie Frömmigkeit. Jetzt gewinnt das, was mit „Heiliger Geist“ gemeint ist, schon an Fahrtwind. Denn wer klug und einsichtig ist, wer die Dinge gut einschätzen kann und mit Tapferkeit begonnene Werke zu Ende führt, wer die Sachlage durchblickt und weiß, dass Gott das Maß aller Dinge ist und nicht man selbst, der hat Ausstrahlung und Autorität, den umweht eine Aura, der hat Esprit.
Was die Gaben des Geistes Gottes bewirken, das wird abrufbar in den „Früchten des Heiligen Geistes“. Der Galaterbrief zählt die Tugenden auf: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit“ (Gal 5,22-23). Hier wird das Reich Gottes konkret in dem, was wir säen und schließlich ernten. Denn der Geist kämpft gegen jene Schräglagen an, die oft genug unser Miteinander stören: „Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid, maßloses Essen und Trinken und Ähnliches mehr“ (Gal 5,19-21).
Wenn Christen Pfingsten feiern, dann nehmen sie sich für den Rest des Kirchenjahres Beträchtliches vor. Pfingsten ist kein Fest der Erinnerung (wie vielleicht Weihnachten oder Ostern), sondern ein „Fest der Zurüstung“, ein Fest jener Tugenden, mit denen Christen sich in aller Bescheidenheit geschmückt sehen wollen. Die Königin der Tugenden ist die Liebe. Und hier sieht die Liturgie für das Pfingstfest etwas Besonderes vor, das eine tiefe Erfahrung sein kann: Beim Halleluja-Ruf wird ein Vers gesungen, bei dem alle Gläubigen in die Knie gehen sollen. Denn es heißt da: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“
Für die Liebe in die Knie gehen – das hat doch was!
Text: Björn Wagner
Der Autor war damals Pfarrvikar im Pfarrverband Moosach-Olympisches Dorf in München, entnommen der Münchner Kirchenzeitung vom 20. Mai 2018, Nr. 20.