St. Otto war lange vor der Gründung der politischen Gemeinde Ottobrunn (1.4.1955) ein wesentlicher Kristallisationspunkt für das Gemeinschaftsleben in dem damals etwas abgelegenen Unterhachinger Ortsteil Ottobrunn, der Anfang 1900 noch weitgehend aus Wald bestand. Einige Siedler, vorrangig von München kommend, siedelten sich hier an, um hier ihr Wochenende zu verbringen. Das änderte sich aber bald und diese Siedler blieben ganz hier wohnen. Sie suchten nicht mehr nur Waldromantik und Wochenendidylle, sondern auch Heimat. Das beweisen ihre Anstrengungen, einen Gottesdienstraum zu schaffen und kirchliches Leben zu ermöglichen. Bei den Versammlungen der 1912 gegründeten „Interessenvereinigung Parkkolonie“, die damals noch in München stattfanden, weil die meisten Mitglieder ihren Wohnsitz noch in München hatten, kam die Gottesdienstfrage trotz einigen Widerstandes auf die Tagesordnung. Am 27. April 1914 wurde im Salvatorkeller (oder Wagnerbräu) der katholische Kirchenbauverein gegründet. Er nannte sich „Kirchenbauverein Neubiberg W“ (= West), weil es den Namen Ottobrunn noch nicht gab. Eine erste Sammlung ergab den Grundstock von 15 Mark. In den Gasthäusern wurden Sammelkassen aufgestellt und Blockzettel für 5 Pfennige als Bausteine verkauft. Die Versammlungen fanden monatlich statt. Als Gründungsmitglieder werden genannt Rupert Dietl, Pankratz Ettl, Karl Drechsler, Franz Kropfhammer, Otto Rohner, Peter Steger und Leonhard Breit. Den Vorstand übernahm Sebastian Sonntag. Unter ihm engagierte sich der spätere Vorstand, Polizeikommissar Rupert Dietl, mit ganz besonderer Hingabe, was eine noch vorhandene ihm gewidmete Gedenktafel bezeugt. Er starb im Jahre 1922.
Ein Adressbuch aus dem Jahre 1916 zählt 181 Namen aus dem „Ottobrunner“ Koloniebereich auf, von denen bei 120 noch der Wohnsitz München angegeben ist. Nach dem ersten Weltkrieg konnte der Verein als Frucht seiner Bemühungen am 1.12.1918 den ersten Gottesdienst veranstalten.
Durch die Vermittlung des Gutsverwalters Eduard Klas stellte Reichsrat von Fink eine 5 x 10 m große Gartenlaube – Salettl genannt – im Wirtsgarten des Gasthauses zur Schwaige zur Verfügung. Eine Woche wurde auch unter Mithilfe evangelischer Christen, wie z. B. des Herrn Breit, bei großer Kälte gearbeitet und es entstand eine respektable Notkirche. Alles war vorhanden, was zu einer kirchlichen Ausstattung gehörte, sogar ein Türmchen mit einer geliehenen Glocke. Dieser Garten mit dem Salettl befand sich auf dem Grundstück Ecke Alte Landstraße und der nördlichen Seite des Haidgrabens. Auf dem Grundstück stehen heute noch die Bäume, die damals schon dort waren, vier Kastanien- und vier Ahornbäume. 2002 ließ die Pfarrei St. Otto dort einen Gedenkstein aufstellen, der mit seiner Inschrift an diese erste Notkirche in Ottobrunn, das „Salettl“ erinnert. Die Inschrift lautet: „Erster Gottesdienst am 1.12.1918 im „Salettl“ des Wirtsgartens Schwaige“.
Am ersten Adventssonntag, 1. Dezember 1918, nahm Dekan Haubenthaler von Oberhaching die Benediktion vor (= einfache Form der Kirchweihe) und hielt den ersten Gottesdienst. Die Pfarrei Oberhaching war bis zur Pfarrerhebung der Filiale Unterhaching im Jahre 1922 zuständig. Dekan Haubenthaler, der Mitglied und ein großer Förderer des Kirchenbauvereins war, schrieb in seinem Bericht an das Ordinariat: “Der Gottesdienstraum ist durch Eifer der Ansiedler und besonders der Ansiedlerinnen reizend ausgestattet; recht zur Andacht stimmend ist der Altar, den ein Bild der Hl. Familie schmückt. Der erste Gottesdienst war sehr gut besucht; ein eigens bestellter Chor führte eine lateinische Messe auf“. Leider konnte Dekan Haubenthaler die weiteren Gottesdienste nicht übernehmen. Einen eigenen Geistlichen konnte man sich nicht leisten.
Da meldete sich zur Überraschung der Verantwortlichen “eines Abends bei schlechtestem Wetter ein Geistlicher mit der Absicht, die Sonntagsgottesdienste zu übernehmen. Es war Benefiziat Friedrich Müller. Er kam trotz ungünstiger Verkehrsverhältnisse treu und regelmäßig „zu Fuß oder Rad auch, wenn es Katzen hagelte“. Er war Religionslehrer an Münchner beruflichen Fortbildungsschulen. Er neigte aber mehr zur praktischen Seelsorge. Weil seine Anträge auf eine Seelsorgstelle zunächst kein Gehör fanden, wurde er in Ottobrunn auf eigene Faust tätig. Später wurde er Pfarrer in Förnbach bei Pfaffenhofen und starb 1955 im Alter von 71 Jahren in Schrobenhausen, seinem Geburtsort.
Es entwickelte sich reges kirchliches Leben. Bereits im Januar 1919 wurde der Sonntag der Hl. Familie als festliches Patrozinium gestaltet mit Festgottesdienst und nachträglicher programmreicher Familienfeier in der Schwaige. Im Jahr 1920 wurde anlässlich des Patroziniums das „feierliche Hochamt“ sogar von Generalvikar Prälat Dr. Michael Buchberger, dem späteren Bischof von Regensburg, zelebriert. Er war der Protektor des Kirchenbauvereins. Die Verehrung der Heiligen Familie wurde nicht nur in Unterhaching sehr gepflegt, wo es seit Generationen eine Jesus-Maria- und Josephs-Bruderschaft gab, sondern sie erfreute sich auch allgemein wachsender Bedeutung. Ihr Fest wurde 1921 offiziell eingeführt. Sicher wurde die Hl. Familie auch zu einem Symbol für den Geist der damaligen Siedler.
Bald erwies sich diese Notkirche als zu klein. Schon 1919 wurden 100 Besucher im Schnitt gezählt. Im Winter beeinträchtigte die Kälte die Gottesdienste sehr, wenn z. B. Wasser und Wein einfroren und in der benachbarten Wirtsküche aufgetaut werden mussten. Die Gottesdienstbesucher schützten sich mit allen möglichen Dingen, Fußabstreifern, Bettvorlegern, Teppichen usw., bis ein Ofen die Kälte einigermaßen milderte. Den Mesnerdienst versah Herr Michael Weidner, der Vater von Frl. Kathi Weidner, die später selbst Mesnerin wurde.
Die erste Notkirche bei der Schwaige war nur ein Provisorium. Die Bemühungen um eine größere Kirche gingen weiter. Dafür gab es seit 1916 auch schon ein Grundstück, eine Waldung von 0,218 ha. Dieser Platz auf dem heute die St. Otto Kirche steht, ist eine Schenkung des von 1905 bis 1919 als Bürgermeister von Unterhaching tätigen Franz Beiser und seiner Ehefrau Franziska. Unterstützung fand der Kirchbauverein wieder bei Dekan Haubenthaler, der im Pfarrwald Oberhaching einen größeren „Hieb“ gemacht hatte und das Geld zum Kauf einer Militärbaracke in Schleißheim beisteuerte. Später schrieb er: “Dieses Geld habe ich gut verwendet. Hätt‘ ich es behalten, wäre alles verloren gewesen“ (Inflation).
Die Baufirma Metzger von Neubiberg stellte die Baracke auf dem jetzigen Kirchplatz auf. Mit viel Fleiß wurde die neue Notkirche eingerichtet. Schreinermeister Josef Lambrecht fertigte den Altar. Am 23. Januar 1921 nahm Erzbischof Dr. Michael von Faulhaber die Weihe vor. Der Titel „Hl. Familie“ wurde damit offiziell bestätigt. Diese „Waldkirche“ wurde auch „Holzkirche“ genannt.
Später stiftete Lorenz Salzl den Marienaltar und durch seine Vermittlung spendete die Münchnerin Maria Steinhäuser den Josephsaltar.
Patrozinium, Erstkommunion und Fronleichnam gehörten zu den beliebtesten Festen. Mit viel Liebe und Ehrgeiz wurde das Heilige Grab aufgebaut und Grabwache gehalten. Die Chronik vermerkt, dass am Fest der Hl. Familie im Januar 1922 Pater Rupert Mayer SJ Gottesdienst und Festpredigt hielt.
Die für die Kirche unermüdlich tätige Frau Maria Breit konnte eine größere Spende von einer Person, die nicht genannt werden wollte, für einen Baldachin beibringen (Tragehimmel für die Fronleichnamsprozession). Eingeweihte erzählten, dass es sich um den Sänger Richard Tauber handelte.