Die Kirche von Willing wird zum ersten Mal in einer Freisinger Urkunde vom 13. Januar 804 erwähnt; sie gehörte zu den Kirchen, die das Kloster Herrenchiemsee vom Bayerherzog Tassilo erhalten hatte und die der Freisinger Bischof an diesem Tag zurückforderte. Die damals strittigen Kirchen gehörten alle zum Herzogshof Aibling. Die Verbindung mit Aibling blieb die Jahrhunderte hindurch kirchlich bestehen; Willing war bis 1956 Filialkirche der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Bad Aibling. Die
mittelalterliche Kirche war nach einem Bericht des damaligen Pfarrers von 1670 ganz baufällig geworden und sollte einem barocken Neubau weichen; der Freisinger Fürstbischof gab am 22. Mai 1687 seine Zustimmung zum Abbruch. 1688 war der Neubau bereits weitgehend fertig gestellt. Baumeister war Hans Mayr, Maurermeister von der Hausstatt bei Feilnbach. Am 16. August 1697 wurde die Kirche von Fürstbischof Johann Franz Eckher geweiht. Während der Bauzeit wurde an der Kirche eine Allerseelen-Bruderschaft gegründet, die 1689 kirchlich bestätigt wurde.
Hans Mayr errichtete einen Saalbau mit vier Achsen und breiter Stichkappentonne über zweifach gestuften Pilastern und einen zweiachsigen, leicht eingezogenen und um eine Stufe erhöhten Chor mit dreiseitigem Schluß. Vom Vorgängerbau blieb der fast quadratische, sechsgeschossige, romanische Kirchturm erhalten, der außen, außer auf der Westseite, durch Blendbogenfriese gegliedert ist.
In der Innenausstattung stammen vom Vorgängerbau die Marienstatue auf dem linken Seitenaltar, bei der sogar ein Zusammenhang mit dem berühmten Meister von Rabenden erwogen wird, und der heilige Augustinus auf dem Schalldeckel, zwei sehr qualitätsvolle spätgotische Schnitzwerke. Die Kanzel selber ist am Korb mit 1675 datiert, wurde also noch kurz vor Abbruch der alten Kirche angefertigt.
Die Altäre stammen in ihrem Aufbau aus der Erbauungszeit der jetzigen Kirche; auch sie wurden 1697 geweiht. Von der ursprünglichen Ausstattung des Hochaltares sind noch der heilige Jakobus der Ältere mit Pilgerstab, Pilgerflasche und Buch, der heilige Nikolaus mit Buch und den drei goldenen Äpfeln und im Auszug Gottvater mit Reichsapfel, sowie die zwei Engel mit Palmzweigen erhalten. Das barocke Hochaltarbild ist leider verschwunden, die jetzt unter dem Kreuz stehenden Figuren der hl. Maria und des hl. Johannes stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch bei den Seitenaltären ist nur mehr der Aufbau mit den Auszugsbildern ursprünglich. Das Auszugsbild des linken Seitenaltars stellt den heiligen Michael dar, das rechte den heiligen Kajetan von Thiene, den Mitbegründer des Theatinerordens, den der Papst 1672 zum Patron des bayerischen Herrscherhauses und der wittelsbachischen Lande erklärte. Bei beiden Seitenaltären sind die barocken Altarbilder verloren; der heilige Leonhard, der heute auf dem rechten Seitenaltar steht, ist eine moderne Kopie des barocken Originals an der Chorsüdwand, angefertigt vom Willinger Schnitzer Joseph Koch, der linke Seitenaltar war ursprünglich Antonius von Padua geweiht, heute ist dort die bereits erwähnte gotische Madonna aufgestellt.
Auf die Heiligen der Altäre und auf die Anliegen der Allerseelen-Bruderschaft wurde das Bildprogramm der Kirche ausgerichtet. Die Deckengemälde, die – wie die Chorbogeninschrift zeigt – 1750 ausgeführt wurden, stammen vom Aiblinger Maler Johann Blasius Vicelli; sie wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Joseph Osendorfer aus Bad Aibling mit neuen Ölbildern übermalt und 1942 von Georg Hilz aus Bad Aibling auf den Zustand des 18. Jahrhunderts hin restauriert. Sie stellen Szenen aus dem Leben des Kirchenpatrons dar. Im Chorraum ist die Berufung des Jakobus nach dem Matthäusevangelium dargestellt. Im östlichen der drei Deckenbilder im Langhaus, die in ein großes Freskofeld zusammengefasst und nur durch Stuckrahmenleisten getrennt sind, sieht man den Apostel in Pilgertracht stehen, der zu Maria aufblickt, wie sie ihm während seines Aufenthalts in Spanien bei Saragossa auf einer Säule erschien und ihm zeigte, wo er eine Kirche zu ihrer Ehre erbauen sollte (Maria des Pilar). Das mittlere Bild im Langhaus zeigt eine Predigt, die Jakobus, in der Tracht eines Compostelapilgers aus Spanien zurückgekehrt, im heimatlichen Judäa hält. Im Hintergrund sieht man, in kleinen Figuren dargestellt, die Enthauptung des Apostels. Im westlichen Deckenbild erscheint Jakobus als himmlischer Fürbitter. Pilger in unterschiedlichsten Trachten, also aus verschiedensten Gebieten, suchen Hilfe beim Heiligen von Compostela. Das Gegenstück zu dieser Jakobsfigur ist die Figur des heiligen Leonhards an der Chorsüdseite, das Vorbild für den Leonhard auf dem rechten Seitenaltar. Die Legende des heiligen Leonhard wird auf der unteren Emporenbrüstung in neun Bildern aus dem 18. Jahrhundert geschildert. Wie schon erwähnt, war der linke Seitenaltar ursprünglich dem heiligen Antonius von Padua geweiht. Ihm ist auch der Gemäldezyklus an der Brüstung der oberen Empore gewidmet. Vom Eintritt des Antonius in den Franziskanerorden (ganz links) bis zu seinem Tod (ganz rechts) stellen die Bilder die typischen Szenen der Antoniuslegende dar. Erstaunlicherweise fehlt die im Barock sonst so beliebte Darstellung, wie dem Antonius das Jesuskind erscheint. Beim abschließenden Bild liest man die Inschrift: „Wer Jesum, Mariam Verehrn hie würdt,/Ihm Beystand zu Letzt erlangen auch würdt“. Hinweise auf die Sterbestunde und auf das Los der Armen Seelen finden sich in der Kirche noch öfter; sie zeigen den Einfluß der in der Erbauungszeit der heutigen Kirche gegründeten Allerseelen-Bruderschaft auf die Auswahl des Bildprogramms.
Alle Kartuschenbilder im Altarraum und im Langhaus sind auf die Anliegen der Bruderschaft bezogen. Diese Bilder stellen der Reihe nach dar: das Fegfeuer, durch das die schuldige Seele gereinigt wird (1 Kor 3,15); einen Glockenturm als Symbol dafür, dass das Andenken der Menschen so schnell vergeht wie ein Glockenklang (Ps 9,7) – die Bruderschaft dagegen bewahrt das Gedächtnis ihrer Mitglieder; zwei Hände mit Gebetbuch und Rosenkranz über den Flammen des Fegfeuers – die zitierte Stelle aus dem zweiten Makkabäerbuch (2 Makk 12,46) bezeichnet es als heilsamen Gedan-
ken, für die Verstorbenen zu beten; einen auf Wolken stehenden Kelch mit Hostie, von Strahlen umgeben – die Stelle aus dem Tobiasbuch des Alten Testaments (Tob 4,17) ist eine Aufforderung, der Toten mit Gaben zu gedenken, der deutsche Vers deutet, entsprechend der Bilddarstellung, das Brot als das eucharistische Brot, das den Hunger der Armen Seelen nach Erlösung stellen kann; eine Schatztruhe mit geöffnetem Deckel und ausgebreiteten Schätzen, bezogen auf die Opfergaben, die Judas Makkabäus nach Jerusalem schickte (2 Makk 12,43) – der deutsche Vers fordert zur Zahlung von Almosen für die Armen Seelen auf, d.h. zur Stiftung von Messen für die Verstorbenen; eine Kasel, d.h. ein schwarzes Messgewand, wie es bei den Totenmessen getragen wird – die Baruchstelle des Alten Testaments (Bar 1,10), eine Aufforderung, für Brandopfer und Sühneopfer zu spenden, wird umgedeutet auf das Messopfer, das die Sündenstrafen abkürzen wird; die Bruderschaftsfahne mit weißem Kreuz auf schwarzem Grund – das Psalmwort „Gedenke deiner Gemeinde“ (Ps 73,2) wird in der deutschen Inschrift auf die Bruderschaft (congregatio) bezogen; eine Wanduhr, bei der sich die Bibelstelle (Joh 5,5) auf die Heilung eines Kranken am Teich Bethesda bezieht, der seit achtunddreißig Jahren krank war; das Auge Gottes in einem Dreieckssymbol im Strahlenglanz – die Stelle aus dem Korintherbrief „Was kein Auge sah und was kein Ohr vernahm und was in eines Menschen Herz nicht drang, was Gott denen bereitete, die in lieben“ (1 Kor 2,9, ein Zitat des Paulus aus Jesaias 64,3) wird im deutschen Text dahin umgedeutet, dass es nach dem Tod die größte Pein ist, von Gott beraubt zu sein; einen Schuldenturm, in dessen Innerem man Ketten sieht – die Psalmenstelle „Führe mich hinaus aus meinem Gefängnis, und deinem Namen sage ich Dank" (Ps 142,8) wird im deutschen Vers auf das Gefängnis der Seele nach ihrem Tod bezogen, also auf das Fegfeuer, aus dem die Armen Seelen befreit werden sollen.
Trotz der häufigen z.T. recht unglücklichen Eingriffe in die ursprüngliche Substanz ist die nach der Chorbogeninschrift 1688 erbaute und 1750 durch Kosten der „Gmain“ auch ausgezierte Jakobuskirche ein stattliches Gotteshaus mit einer qualitätvollen künstlerischen Ausstattung, die 1995 in gelungener Weise renoviert wurde. Die Kirche soll aber nicht nur Kunstfreunde erfreuen, sondern vor allem mit dem theologisch durchdachten Bildprogramm Pfarrgemeine und sonstige Besucher zu Gottesdienst und Gebet einladen.