Planung und Bau einer neuen Orgel führen über einen interessanten, bisweilen beschwerlichen Weg.
Erste Schritte unternimmt gewöhnlich der mit den technischen und musikalischen Unzulänglichkeiten seines Instruments kämpfende Organist. Mit verständnisvollen Mitarbeitern begibt er sich auf einen kurvenreichen Pfad, mitten durch den Prozess der Meinungsbildung in der Gemeinde von „Sie tönt ja eigentlich noch“ bis „Ich singe nicht mehr mit“. Wie soll die Finanzierung angegangen werden? Nach der mit Spannung erwarteten Bewertung der eingegangenen Angebote gesellt sich auf halber Höhe der beauftragte Orgelbauer hinzu. Zusammen kommt man weiter gut voran und es gelingt, erstaunliche Kräfte zu mobilisieren bis zum Ziel, der Weihe der neuen Orgel.
In reichlich vier Jahren des Planens und Bauens entwickelte sich zwischen der Gemeinde St. Sebastian in Gilching und uns Bautzener Orgelbauern eine vertrauensvolle, fachlich bemerkenswerte Zusammenarbeit. Mit großem Verständnis wurden unter Mitwirkung des Erzbischöflichen Ordinariats die akustischen Voraussetzungen für eine optimale Klangwirkung der Orgel geschaffen, auch der Einbau einer neuen Akustikdecke im gesamten Emporenb ereich.
Vorausgegangen war eine akustische Untersuchung und Diskussion des neuen Orgelstandorts. Sie machte den Weg frei für die von uns vorgeschlagene, asymmetrische Brüstungsaufstellung, die eingebunden ist in das Gesamtkonzept der Kirchenmusik in St. Sebastian, dem Zusammenwirken von Chor, Orchester und Orgel.
„Geplant ist ein Instrument in mechanischer Schleifladentechnik mit 2 Manualen und Pedal …
Entsprechend der Größe der Kirche wird die Orgel etwa 22 bis maximal 25 Register erhalten.
Die Disposition sollte berücksichtigen, dass die Orgel in erster Linie zur Wiedergabe von Barockmusik geeignet ist, daneben aber auch französische Musik und romantische Werke in gewissem Umfang dargeboten werden können.“Auf der Grundlage dieser dezidierten Vorgaben im Einladungsbrief des Orgelförderkreises zur Bewerbung um den Orgelneubau legten wir unseren ersten Lösungsansatz vor, aus dem sich im Laufe fortschreitender Überlegungen die endgültige Orgelgröße mit 27 klingenden Stimmen entwickelte. Leider müssen die Register Cornett 5-fach und Trompetenbass 8′ aus finanziellen Gründen noch auf ihren Einsatz warten.
Bei der Entwicklung des Klangkonzepts kam es uns im Besonderen darauf an, ein gewaltsames Konglomerieren verschiedener Stile zu vermeiden. Stattdessen galt es, eine genuine Darstellung barocker und romantischer Literatur zu ermöglichen, die auch französische Klangelemente einschließt und der Orgel dennoch den Charakter eines geschlossenen Ganzen verleiht. Unsere sächsisch-mittel-deutsche Orgeltradition, geprägt durch Gottfried Silbermann im 18. Jhdt. und Friedrich Ladegast im 19. Jhdt. bietet hierfür gute Voraussetzungen.
Mit der Gestaltung des Orgelprospekts versuchten wir, eine Bewegung hin zur Raummitte zu gestalten. Das Erscheinungsbild wird bestimmt durch eine einfache Gliederung der Pfeifen mit natürlichen Abläufen und eleganten Pfeifenfüßen. Insgesamt gingen wir anfangs von einem schlank wirkenden Orgelgehäuse aus, das mit filigranen farbigen Schleierornamenten und seiner asymmetrischen Gliederung eine wirkungsvolle Möglichkeit bietet, die etwas massiv und hart wirkende Emporenbrüstung aufzuwerten.
Dieser Ansatz wurde durch das Ordinariat im Hinblick auf eine archaischere, der ursprünglichen Raumarchitektur angepassten Wirkung weiterentwickelt und modifiziert.
Das Orgelgehäuse ist ganz aus Eichenholz gefertigt. Mit der in die Tiefe der Empore gehenden Differenzierung des Gehäusekörpers durch einzelne Gehäuseschreine und Vertikaljalousien wird der innere Werkaufbau deutlich sichtbar. Der Spieltisch ist seitlich angeordnet mit Blickrichtung des Organisten zum Altarplatz und zu den Musikanten auf der Empore.
Spiel- und Registertraktur sind rein mechanisch und formschlüssig angelegt. Vorbereitungen sind getroffen für den nachträglichen Einbau einer zusätzlichen elektrischen Doppelregistratur, die allen Ansprüchen an Programmiermöglichkeit und Bedienungskomfort genügt.
Eines der sehr informativen Werbeblätter des Orgelförderkreises ist betitelt mit:
Neue Eule-Orgel für St. Sebastian
Wie wird sie?
Was kann sie?
Was kostet sie?
Letzteres ist bekannt. Wie sie wurde, wird im Abnahmeprotokoll stehen, doch was sie kann, wird sich erst im Laufe der nächsten Jahre erweisen.
Möge die Klangwelt der 1.450 Pfeifen die musikalische Gestaltung der Gottesdienste, Konzerte und oratorischen Veranstaltungen sowie die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nach Kräften befördern.
Wir Mitarbeiter der Firma Eule wünschen, dass die neuen „sächsischen Klangfamilien" in Gilching wohlwollend aufgenommen werden, dass künftige Generationen mit ihnen auf einer langen gemeinsamen Wegstrecke lebendig musizieren zum Lobe Gottes und zur Erbauung der Gemeinde.
Armin Zuckerriedel
Orgelbaumeister, Geschäftsführer der Firma
Hermann Eule Orgelbau GmbH, Bautzen