St. Benedikt Gauting

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hölzerner Rosenkranz

Wie gelingt Abschied nehmen?

Christliche Trauer ist eine zwiespältige Sache. Wir sollten nicht die Toten betrauern, denn sie sind heimgegangen, dorthin, wo unsere wahre Heimat ist, wie es das Verabschiedungsgebet im Trauergottesdienst formuliert. Die Verstorbenen sind bei Gott. Wir sollten ihnen den Himmel gönnen. Um die Verstorbenen müssen wir nicht trauern, denn ihnen geht es gut. Sie sind in Gott geborgen.

Aber wir, die Hinterbliebenen, sind dennoch zu Recht traurig. Wir trauern, weil wir jemanden verloren haben, weil uns jemand fehlt, weil da eine Lücke spürbar ist, weil ein Mensch fehlt, der uns Leben geschenkt und Leben ermöglicht hat. Diese Trauer ist eine verständliche menschliche Empfindung. Und dennoch steckt darin ein gewisses Maß an Selbstmitleid: wir trauern, weil uns etwas fehlt. Das ist unsere Perspektive! Uns geht der Tote ab. Aus der Perspektive des Verstorbenen sieht die Situation anders aus: ihm geht es gut. Das ist die Zwiespältigkeit der christlichen Trauer. Deshalb sagt uns Paulus im Brief an die Thessalonicher: „Trauert nicht wie die anderen, die keine Hoffnung haben“ (1Thess 4,13)! Wir dürfen die sichere Gewissheit haben, dass unsere Toten beim Herrn sind. Unser gemeinsames Beten am Tag des Begräbnisses und darüber hinaus ist Ausdruck dafür, dass wir gemeinsam aus dieser Hoffnung leben. Unser Motto ist nicht „Aus den Augen, aus dem Sinn“, sondern wir glauben, dass alle zur Kirche gehören, die Lebenden und die Verstorbenen. Das ist auch die bleibende Verbindung mit unseren verstorbenen Angehörigen.

Beim Dichter Rainer Maria Rilke heißt es in der 8. Duineser Elegie: „So leben wir und nehmen immer Abschied“. Unser Leben ist mit dem Zeitpunkt der Geburt immer zugleich ein Sterben, immer auch ein ständiges Abschied nehmen. Jede Stunde, die wir leben, jeder Tag, der vorüberzieht, vergeht unwiederbringlich. Wir nehmen ständig Abschied, von der Kindheit, der Jugend, dem Ehepartner, der Gesundheit, von Lebensvorstellungen … Unser Leben ist von Anfang an doppeldeutig: Halb Leben, halb Sterben.

Im Tod hört nun dieses ständige Sterben auf, das uns ein Leben lang begleitet und belastet. Dann wird das andere Leben offenbar, das ewige Leben, das keinen Tod kennt und das wir jetzt schon im Verborgenen besitzen. Weil wir uns mit den Worten und Begriffen schwertun, nennen wir dieses unendliche Leben einfach „Himmel“. Es ist ein Zustand voller grenzenloser Lebendigkeit, kein Schlafen, wie das Wort von der „ewigen Ruhe“ missverstanden werden könnte. Den Himmel können wir uns nur schwer vorstellen, weil wir ja nur die Erfahrung dieser Welt haben. Der Himmel ist das, was „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat“ (1Kor 2,9), wie es in der Hl. Schrift heißt. Der Himmel ist auf jeden Fall keine langweilige Andacht, wie sie der „Münchner im Himmel“ karikiert, dem das Manna und das dauernde Alleluja-Singen nicht schmecken und wo der Himmel aus den gleichen Freuden und dem gleichen Ärger wie im irdischen Dasein besteht. Der Himmel ist vielmehr „das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1Kor 2,9).  Letztlich ist der Himmel Gott selbst: in dem Maß, in dem ich in Gott bin, bin ich ihm Himmel. Diese Überzeugung feiern wir im Lauf des Kirchenjahres mehrfach, z.B. in den Festen Christi Himmelfahrt und Mariä Himmelfahrt. Diese Feste sind Ausdruck unserer Überzeugung und Hoffnung, dass in Gott Platz für uns ist und dass er uns mit dem Himmel, mit seiner Gegenwart beschenkt.

Wie gelingt also Abschied nehmen aus christlicher Perspektive? Abschied nehmen heißt vor allem: bewusst loslassen. Zu einem guten Abschied gehört zum einen der Dank an den verstorbenen Angehörigen für alles, was er in seinem Leben an Gutem hinterlassen hat. Zum anderen gehört zum Abschied nehmen auch unerlässlich die Bereitschaft, um Verzeihung zu bitten und Verzeihung zu gewähren für das, was man sich im Leben zwangsläufig schuldig geblieben ist. Und zum Schluss gehört zum Abschied nehmen auch das bewusste Loslassen des Verstorbenen: Du darfst gehen - ich gönne dir den Himmel. Es geht letztlich darum, innerlich zu akzeptieren und zu bejahen, was uns äußerlich widerfährt. Abschied nehmen ist deshalb ein Prozess, der so lange dauert, wie Sie eben Zeit brauchen. Vielleicht gelingt in schwierigen Situationen, etwa beim tragischen Tod eines jungen Menschen, diese Akzeptanz in unserem irdischen Leben nicht vollständig. Vielleicht ist dieses innere Loslassen leichter bei einem Angehörigen, dessen Leben wirklich „satt an Jahren“ war, wie es in der Hl. Schrift heißt. Es eilt damit nicht. Wichtig ist nur, dass Sie um das Ziel wissen. Abschied nehmen und Loslassen kann ich letztlich nur, wenn ich überzeugt bin, dass der Verstorbene im Tod nicht ins Nichts fällt, sondern eine Heimat findet in Gott. Dass ihr Leben generell und besonders im Trauerfall von dieser Hoffnung getragen wird, ist mein Wunsch für Sie.
 
Ihr Pfarrer Georg Lindl