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Aus den Aufzeichnungen von Pfarrer Georg Hunklinger

Todesmarsch-Denkmal
Todesmarsch-Denkmal bei Waakirchen
„Es war Ende April 1945. Der Krieg schien mit einem fürchterlichen Eclat zu Ende gehen. Es war kalt. Tiefer Schnee deckte den Frühling mit einem weißen Leichentuch zu. Über die Landstraße quälten sich Heerhaufen von Ost nach West und von West nach Ost. Mitten im Dorf blieben sie immer wieder stecken. Tiefflieger jagten darüber hinweg, schossen hinein, warfen Splitterbomben und trafen den Pfarrhof, in dem sich Soldaten zur Rast niedergelassen hatten. Ein Bauernhof ging in Flammen auf. Einige Soldaten verbrannten, einige zogen wir tot aus dem brennenden Stall. Die alte Bäuerin führte ich zu ihren Verwandten, weg von der Straße.

Es kam der 1. Mai, zugleich Fest Mariens, der Patrona Bavariae. Am späten Vorabend, es war schon 22 Uhr vorbei, meldete sich ein SS-Soldat an der Haustüre und hinter ihm standen dreißig Menschen, die mehr Gespenstern glichen. Er eröffnete mir, dies seien Priester aus dem KZ Dachau, die er mir zur weiteren Betreuung übergebe. Dann verschwand er. Ich nahm die Priester ins Haus und erfuhr, daß draußen einen Kilometer vor dem Dorf ca. 2000 Mann, der Rest des "Todesmarsches" aus Dachau, in einer Kiesgrube liege. Die Priestergruppe hatte in den dunklen Schatten der Nacht die Kuppel des Kirchturms entdeckt und sagte: Dort ist eine Kirche, da wird auch ein Pfarrer sein. Sie baten ihren Bewacher, er möge sie noch dort hinaufführen. Sie würden die Nacht, durchnäßt, im Schnee und ruhrkrank, nicht mehr überstehen.
Meine Schwester kochte einen Waschkessel voll Tee, und wir konnten echten guten „Enzian“, den wir kürzlich aufgekauft hatten, dazugeben. So saßen sie teils auf dem Boden und waren überglücklich. Gerettet! Frei! Einige weinten heiße Tränen der Freude.

Da ich nicht alle im Hause die Nacht über beherbergen konnte, begaben sich mehrere in die Kirche. Wir heizten die Sakristei, und sie ruhten sich auf Teppichen und Bänken aus. Am nächsten Morgen hielten sie ein feierliches Dankamt zur Patrona Bavariae und sangen das Te deum. Die Gläubigen, die gekommen waren, schauten tiefergriffen zu. Ich erklärte ihnen die Lage, bat um Lebensmittel und um Aufnahme des einen oder anderen Priesters für kurze Zeit. Die Leute halfen großartig.

Einige der befreiten Priester gingen bald weg. Ein Tiroler wanderte zu Fuß in seiner KZ-Kluft nach Hause. Andere wurden abgeholt, einige blieben, bis sie sich erholt hatten. Ein ostpreußischer Priester übernahm die Filiale Schaftlach quasi als Expositus. Aber bald zog ihn das Heimweh nach Hause. Ich hörte nichts mehr von ihm. Zwei Votivbilder hängen heute im Gotteshaus von Waakirchen und erzählen von den Schrecken jener Tage.

Am 2. Mai früh kamen dann die 2000 Mann des Zuges ins Dorf, wo sie in Schule, Gasthaus und Scheunen untergebracht wurden. 6 Tote holten wir von der Stätte des Grauens ins Dorf herein; ich beerdigte sie mit den sieben gefallenen Soldaten und einer unbekannten Frau im neuen Friedhof. Vor einigen Jahren wurden sie in den Bergfriedhof nach Berchtesgaden überführt.“ 
 
Aus: Hunklinger, Georg: Religiöses Leben und seelsorgerliche Erfahrungen in der NS-Zeit, in: Schwaiger, Georg (ed.): Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Band 2, München, Zürich, 1984, S. 71
 
Hinweise: Pfarrer Georg Hunklinger war von 1940 bis 1949 Pfarrer in Waakirchen. Diesen Bericht schrieb er später nieder, er wurde 1984 veröffentlicht. Es existieren noch seine ausführlicheren Notizen aus dieser Zeit im Pfarrarchiv, die sich mit der Beschreibung decken, jedoch mehr ins Detail gehen und auch den schrecklichen Zustand der Häftlinge beschreiben. Er notierte damals, es seinen insgesamt 2.700 Häftlinge in Waakirchen befreit worden.