Zwei Bewegungen prägten die junge Christengemeinde: Um die jüdischen Jünger, die Jesus selbst in seine Nachfolge gerufen hatte, entstand die Urgemeinde; sie arbeitete nach innen an ihrer Ablösung von der Synagoge. Paulus wiederum, der erst nach Ostern zum Glauben an Christus kam, verstand sich als gleichberechtigter Apostel und ging mit seinen Missionsreisen nach außen. Er half bei der Gründung von Gemeinden im Mittelmeerraum, in denen vorwiegend Heiden ihre Glaubensheimat fanden. Wer diesen Gemeinden angehörte, war stark auf die Personen bezogen, auf die jeweils die Gemeindegründung zurückging.
Diese beiden Bewegungslinien spiegeln sich auch in den biblischen Büchern. Die gemeinsame Quelle, die den Evangelisten Matthäus und Lukas zur Verfügung stand, berücksichtigt die judenchristliche Gemeindeentwicklung. Die sogenannten „katholischen“ Briefe, Ende des ersten Jahrhunderts verfasst, etwa die Petrusbriefe und der Jakobusbrief, stehen in dieser Tradition.
Die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe beschreiben wiederum die Situation in den heidenchristlichen Gemeinden.
Wenn sich auch die judenchristliche Gemeinde von der Synagogengemeinde löste, behielt sie doch zunächst deren Struktur bei, sie kannte es ja nicht anders: Schon für Mose wurden 70 „Älteste“ als seine Helfer gewählt (4. Mose/Numeri 4,11). In dieser Tradition steht das „Synedrium“ der Synagoge wie auch der Rat der Ältesten in den judenchristlichen Gemeinden, das „Presbyterium“ (Apg 11,30).
Die heidenchristlichen Gemeinden leiteten ihre Ämter aus Charismen und Geistbegabungen ab. Es gab einen Vorsteher (griechisch „ho prohistamenos“), Propheten, Diener, Lehrer (Röm 12,6-8), Heiler und Zungenredner (1. Kor 12,28f.). Schon im Jahr 90 sahen sich diejenigen, die ein Amt in der Kirche ausübten, als im Geist dazu berufen (vgl. Apg 13,2-3). Übersicht über die Gemeindebelange erhielt der „episkopos“ (griechisch: „der darauf schaut“). Von den Männern (Apg 6,2.4) und Frauen (Röm 16,1) her, die in den Gemeinden Dienst „an den Tischen“ und „am Wort“ ausübten, entwickelte sich der „diakonos“ (Phil 1,1, 1 Tim 3,8.12).
„Haltet euch an den Bischof, das Presbyterium und die Diakonen“, mahnt Ignatius von Antiochien in seinem Brief an die Philadelphier (frühes 2. Jh.) zur Einheit der Gemeinde. Der Dienst ist da also schon selbstverständlich dreigliedrig, von unten nach oben organisiert: „Wählt euch also Episkopen und Diakone“, heißt es in der Didache (15,1f), der ältesten der überlieferten Kirchenordnungen (vielleicht schon Mitte des 2. Jh.). Die Ämter in einer Gemeinde liegen in gemeinsamer Verantwortung der leitenden Persönlichkeiten.
Angela Reinders