Die Apostel nehmen gleich von Anfang der Kirche an den Mund so richtig voll. Paulus grüßt in seinen Briefen die Gemeindeglieder in Rom, selbst im „verruchten“ Korinth und anderswo als „berufene Heilige“. Das kann er, weil mit der „Gemeinschaft der Heiligen“ nicht allein die Märtyrer und Glaubenszeugen der Kirchengeschichte gemeint sind; der Begriff bezeichnet alle Getauften, die an Christus glauben. „Heilig“ ist, wer Gott gehört. Es tut gut, sich daran zu erinnern, damit man nicht vergisst: Im Christentum geht es nicht zu allererst darum, sich den Heiligenschein zu verdienen. Heilig – dazu muss man nicht erst erklärt werden. Heilig ist, wer von ganzem Herzen an Christus glaubt und seiner Botschaft folgt.
Es ist viel Unheiligkeit bei diesen Heiligen zu finden, und das wird nicht verschwiegen oder bemäntelt; Martin Luther nahm, um dies klarzustellen, einen Gedanken des Kirchenvaters Augustinus auf und unterschied zwischen der „sichtbaren“ und der „unsichtbaren“ Kirche. Die „sichtbare“ Kirche ist dort, wo das Evangelium gepredigt und die Sakramente bestimmungsgemäß gereicht werden. Die sichtbare Kirche begegnet, wo sich sündhafte und fehlbare Menschen um das Evangelium sammeln. Der Begriff „unsichtbare“ Kirche meint, dass diese Gemeinschaft mehr ist als ihre irdische Existenzform. Gott selbst ist es, der Menschen im Glauben zusammenführt und sie zu einer weltweiten Gemeinschaft verbindet. In dieser „unsichtbaren“ Kirche haben Unterschiede keine trennende Macht und menschliche Verfehlungen können ihre Heiligkeit nicht beeinträchtigen.
Der Glaube, dass Gott, der sich auf dem Leidensweg Christi in die Hände von fehlbaren Menschen gibt, seine Heiligkeit gerade in Demut, Schwachheit und im Leiden bewährt und durchsetzt, bestimmt also auch die Lehre von der Kirche. Es ist die Macht des Heiligen Geistes, die diese Kirche durch die Zeiten führt und Menschen in den Glauben ruft. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen", sagt Jesus (Mt 18, 20). Gleichwohl – es sind mehr geworden als nur eine Handvoll Christen. Denn es ist Gottes Macht, der den Glauben auf Gemeinschaft anlegt. Durch bewegte Zeiten hindurch verbindet der Heilige Geist sehr unterschiedliche Christen – bis in unsere Kirche heute.
Text: Uwe Rieske