Wo soll man es suchen, dieses „Reich des Todes“? Hat es einen wirklichen Ort oder ist es eine Vorstellung der Menschen? Erst spät gelangte die Vorstellung von der „Höllenfahrt Christi“ ins Apostolische Credo – etwa um das Jahr 370 ergänzt sie die lapidare Feststellung des Todes und der Kreuzigung Jesu. Sie antwortet auf die Frage, die sich an den Glauben an die Auferstehung Jesu knüpfte: Was geschah mit der Seele Jesu zwischen Karfreitag und Ostern?
Das antike Weltbild bildet die Szenerie, vor der dieser Satz Sinn gewinnt: Die Erde wird überwölbt vom Himmel als der Sphäre, in der Gottes Thron zu finden ist – und darunter findet sich die Unterwelt, die Scheol, der Hades, das Reich des Todes. Hier schmachten die Seelen der Verstorbenen in der Gottferne, der Hölle.
In die höllischen Tiefen dieses Totenreiches sei Christus vor seiner Auferstehung hinabgestiegen: Davon waren frühe christliche Autoren wie Irenäus und Hippolyt überzeugt. Christus habe zunächst in der „Vorhölle“ die dort auf ihn wartenden Frommen vergangener Zeiten befreit und sodann über die Dämonen triumphiert. Auch Jahrhunderte später betonten Theologen, dass der auferstandene Christus sich als Sieger über den Tod und damit über alle Mächte des Verderbens erwiesen habe. Es gelte, diesen Sieg über den Tod zu glauben und auf ihn zu hoffen.
Und heute? Hat der Satz noch Sinn? Ganz gleich, wie sehr sich das Weltbild verändert hat, wird er weiterhin als Ausdruck der vorbehaltlosen Solidarität Gottes mit den sterblichen Menschen begriffen. Christus scheute die letzte, äußerste Konsequenz des Todes nicht und teilte damit das Schicksal aller Menschen. Das bedeutet nicht, dass Gott ein solches Sühnopfer verlangte. Aber es zeigt, dass Christus ein stellvertretendes Opfer nicht scheute und damit die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zerbrach. „Das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen …“, heißt es in Luthers Lied „Christ lag in Todesbanden“ – diesem Leben gilt es zu vertrauen und damit der Liebe, die sich in ihm zeigt. Sie ist und bleibt die stärkste Macht – an allen vorstellbaren Orten der Erde.
Text: Uwe Rieske