„Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“, heißt es in der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2,19) – mit diesem Satz wird zur Gewissheit, was dieser jungen Frau aus dem Stamme Juda geschah. Ihr galt der Besuch des Engels, der ihr die Kunde anvertraute, sie werde das göttliche Kind entbinden: So wurde Maria zur „Gottesgebärerin“ – Jahrhunderte später gab ihr das Konzil von Ephesus (431) diesen Titel. In allen vier Evangelien und vielen späteren Schriften wird Maria erwähnt – die Wurzel für die Marienverehrung bilden die Weihnachtsgeschichte des Lukas und der Bericht des Matthäus, der das prophetische Wort Jes 7,14 auf Maria bezog: „Siehe, eine junge Frau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben.“ Folgenreich war die etwas andere Übersetzung, die Matthäus in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, der Septuaginta, fand: Hier war aus der jungen Frau, von der in der hebräischen Bibel die Rede ist, eine „Jungfrau“ (partenos) geworden.
Der besondere Charakter, der Maria in den Evangelien zugesprochen wird, passt zu den Umständen dieser Geburt: Obdachlos waren Maria und Josef in der Nacht der Geburt Jesu, als anrüchig galten ihre Umstände und die angefochtene Schutzlosigkeit, in der der göttliche Knabe in einem Stall geboren und bald darauf von Herodes verfolgt wurde, setzte sich konsequent in seinem Lebensweg fort, der ihn schließlich ans Kreuz führte. Die Glaubenshaltung der jungen Maria, wie sie vor allem Lukas beschreibt, entspricht durchaus dem Weg ihres göttlichen Kindes. Auch ihr selbst eignete eine besondere Demut und Bereitschaft zum Glauben. Die vertrauensvolle Zustimmung, mit der sie in Gottes Absichten einwilligte, spricht deutlich aus dem Magnifikat: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“ (Lukas 1,52). Eine göttliche Logik, die sich querstellt zur menschlichen Erfolgsgier und ganz der Liebe folgt, lässt sich in besonderem Maße auch an Marias Lebensweg studieren; er führte sie schließlich unter das Kreuz ihres Sohnes. Das mütterliche Herz Mariens, mit dem sie die Worte der Hirten bedachte, erlebte Erniedrigung, Anfechtung, Unverständnis und schließlich das Schlimmste – den Tod des eigenen Kindes. Verständlich, dass ihrem Wesen und Weg in der Geschichte des Christentums weiter Raum zum Nachdenken und Nachempfinden gegeben wurde. Die christliche Religion erkannte in Maria sehr rasch eine starke und sehr beeindruckende Frau.
Text: Uwe Rieske