„Warum eigentlich wurde Gott so oft gemalt?“, fragen Schüler und Firmlinge oft: „Es ist doch im zweiten Gebot klar verboten!“ Recht haben sie, die Jugendlichen, und es ist erstaunlich, mit welcher Vielfalt die christliche Kunst dieses Gebot faktisch ignoriert hat. Aber es ist eben so: Bilder helfen beim Begreifen und Menschen können nicht anders – sie brauchen und fertigen sie, um besser zu verstehen. Ohne Bildnisse wären die Welt und unsere Kirchen ärmer. Aber so einprägsam Bilder auch sind, sie bleiben nur deutende Darstellungen und dürfen nicht selbst zu Gegenständen der Anbetung werden. Davor warnt das zweite Gebot. Deutungsversuche sind auch die Namen und Titel, die man Jesus Christus gegeben hat, um seine Kraft in verstehbare, bildhafte Worte zu fassen. Auch der Titel „Jesus Christus, unser Herr“ ist ein Versuch, das Unerklärbare zu erklären: Dieser Mensch ist mehr als ein Mensch, er darf Anspruch erheben, unser Leben zu lenken und uns seinem Willen unterzuordnen.
„Ein Gott heißt das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten; also, dass einen Gott haben nichts anderes ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, dass allein das Trauen und Glauben des Herzens beide macht, Gott und Abgott.“ So lautet Luthers klassische Formulierung im Großen Katechismus von 1529. Und diese Wahrheit gilt auch für Christus – in ihm, an seinem Lebensweg und an seinen Worten wird Gottes Wille erkennbar, entsteht ein Bild, an dem man sich orientieren kann, etwas zum Festhalten und Verstehen. Er verlangt nichts anderes als das „Trauen und Glauben“ – aber dies ganz und gar. Wo dies geschieht, wird seine Kraft spürbar, ist er ein wahrer Gott und Herr, der mitten hinein führt in die Macht der Liebe, die er selbst ist.
Text: Uwe Rieske