Gemeinden können ein trauriges Lied davon singen: Da wird sich viel Mühe gegeben mit Taufgesprächen, in der Erstkommunionsvorbereitung, in der Firmkatechese, und in Konfirmationsstunden sowie Ehevorbereitungsseminaren – und dann:
Kaum jemand von denen, in die so viel „investiert“ wurde, besucht später noch die Gottesdienste oder nimmt am Gemeindeleben teil. Frust macht sich breit und viele in den Gemeinden fragen sich, ob die Sakramente, die Heilszeichen der Kirche nicht verschleudert werden? Ob sich die Kirche nicht zu schade sein sollte, den feierlichen Rahmen für schöne Familienfeste zu organisieren? Manches spricht dafür: Darf die Kirche nicht etwas von denen erwarten, welche die Sakramente empfangen wollen? Sollten die Gemeinden die Chance nicht nutzen, denen den Glauben wieder intensiver näher zu bringen, die ihm weitgehend entfremdet sind? Und nicht zuletzt: Wie will die Kirche die Bedeutung ihrer Heilszeichen vermitteln, wenn sie ihr scheinbar nichts wert zu sein scheinen?
Doch manches spricht auch dagegen: Denn eines ist klar. Je höher die Barrieren, welche die Kirche errichtet, desto geringer die Zahl derer, welche die Sakramente empfangen wollen. Und ist ein punktueller Kontakt zu Kirche und Glaube nicht besser als gar kein Kontakt? Und darf die Kirche überhaupt irgendwelche Barrieren errichten? Ein Pfarrer sagte mir einmal zu diesem Thema: „Wer bin ich, dass ich mich der Gnade unseres Gottes in den Weg stellen darf?“ Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an das Evangelium vom Sämann erinnern: Unsere Aufgabe ist es, die Saat auszusäen, das Wachstum liegt in Gottes Hand. Doch immer „nur“ aussäen? Manchmal möchte man doch auch Früchte sehen – oder? Viele Fragen, die in jeder Gemeinde zu diskutieren sind.
Michael Tillmann
Das erste und gleichzeitig eines der umfangreichsten der Konzildokumente, „Sacrosanctum Concilium“, vollzieht die große und sinnenfällig symbolische Bewegung nach, mit der Johannes XXIII. Das Konzil ankündigte: die weite Öffnung der Fensterflügel, von innen nach außen.
Bewegung ist im Heilsgeschehen. Die Gläubigen haben den Auftrag, in diese Bewegung zu kommen und in ihr zu bleiben – und Seelsorger, alle Gläubigen in dieser Weise „mobil“ zu machen, sie anzuleiten. Von innen nach außen: Christus ist im Menschlichen erfahrbares Zeichen und weist auf das Göttliche, er hat sichtbar in der Welt gelebt und verweist auf das Unsichtbare. So lebt es die Liturgie nach, besonders in der heiligen Messe. Sie ist „der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (SC 10), und sie weist weiter auf Gott hin, den sie verherrlicht. Christus ist in der Liturgie gegenwärtig (vgl. SC 7) im Opfer, im Priester, der ihn vertritt, im Sakrament, im Wort und in der Gemeinschaft der Gläubigen.
Diese Versammlung hatte durch liturgische Entwicklungen von der fränkischen Kirche, also vom 8. Jahrhundert an, eine andere Rollenzuweisung erfahren. Der Gebrauch der nicht von allen verstandenen lateinischen Sprache in Konzentration auf die heilige Schau des Altarsakraments, vom Kommunionempfang abgekoppelt und vom Zelebranten von ihr abgewandt gefeiert, entfremdete die Gemeinschaft der Gläubigen von der Feier des Glaubens. Die Distanz wuchs. Es wurde Zeit, und der Theologe und Motor der „Liturgischen Bewegung“, Romano Guardini, formulierte es 1964: „ Sollte man … nicht … überlegen, in welcher Weise die heiligen Geheimnisse zu feiern seien, damit dieser heutige Mensch mit seiner Wahrheit in ihnen stehen könne?“
Die Liturgiekonstitution nahm sich dieser Überlegungen an. Ihr Ziel ist es, das christliche Leben in der Weise zu vertiefen, dass es für die Gläubigen attraktiver wird, dass sie den Sinn dessen erfassen, was sie feiern, und dies mit sinnlichen Erfahrungen unterstützen können – „nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer“ (SC 48). Gläubige übernehmen Dienste am „Tisch des Gotteswortes“ und am „Tisch des Herrenleibes“, z.B. als Lektorin oder Kommunionhelfer. Sie leben Liturgie durch „tätige Teilnahme“, tun „nur das“, aber doch eben „all das“, was jeder Gläubige tun kann: Gesang und Antwortrufe gehören dazu wie auch das „heilige Schweigen“. In diesem Schweigen klingen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Worte verständlich und verstanden nach: Nicht nur die Muttersprache kann breiteren Raum erhalten, sondern auch „das glanzvolle geistige Erbe der verschiedenen Stämme und Völker“ (SC 37) Einlass in die Liturgie finden.
Angela M.T. Reinders