Pfarrer Bulowski, 1. Vorsitzender des Freundeskreises der indischen Kinderdörfer St. Boniface Anbaham schreibt am 3. März 2016 auf dem Rückflug von Chennai nach Frankfurt:
Die Reise zu unseren Kinderdörfern in Indien geht schon wieder zu Ende. In einer Stunde werden wir in Frankfurt landen. Bei 30°C sind wir in Chennai eingestiegen, fröstelnde 2°C werden uns zu Hause erwarten.
Wir, das sind Dr. Karl-Heinz Gergen, seine Tochter Andrea Gergen und ihre Kollegin Anna Rauschenberg und ich. Die beiden Frauen sind Lehrerinnen und hatten darum teils an unserem Besuchs- und Gesprächsprogramm teilgenommen, teils ihr eigenes pädagogisches und kulturelles Programm verfolgt. Selbstverständlich reisten wir wie immer auf eigene Kosten.
Auch in diesem Jahr war es uns ein Hauptanliegen, die Kinder in den drei Dörfern wiederzusehen sowie Gespräche mit Mitgliedern des General Body (entspricht dem Aufsichtsrat der Trägergesellschaft der drei Dörfer), den Managern und den Jesuiten der Schule LAV zu führen. Wir sind überall sehr freundlich und herzlich aufgenommen worden. Die Kinder zeigten sehr schnell ihre Begeisterung und verwöhnten uns abends mit allerlei kulturellen Darbietungen. Der sweet-day mit Eis und Schokolade durfte in keinem der Dörfer fehlen.
Ein besonderes Anliegen war uns auch der Besuch eines der vielen Herkunftsdörfer gemeinsam mit einigen Kindern. Wir waren dort schnell von vielen Kindern umringt, die uns ihr Dorf zeigten. Hier war die Bemühung der indischen Regierung sichtbar, Hütten durch feste kleine Häuser mit Stromanschluss und einem kleinen Fernseher und die Wege durch befestigte Straßen zu ersetzen. Wir durften einen Blick in mehrere Häuser werfen auch einen Blick in die dortige Schule tun, wo die Frau des Generalmanagers, Suganta Kumar, unterrichtet. Wir fanden ein sehr ordentliches Gebäude vor mit vielerlei Unterrichtsmaterialien. Ein weiterer Schwerpunkt unseres Besuches war selbstverständlich das von Msgr. Albert Dietrich noch wenige Monate vor seinem Heimgang 2011 gegründetes und von Jesuiten geführte Gymnasium „Loyola Academy Vadamelpakkam“ (LAV). Zur Zeit gehen dort etwa 800 Kinder zur Schule, angefangen vom Kindergarten bis aktuell zur 10. Klasse. Die beiden Schulgebäude sind bis zum 1. Stock fertiggestellt; ein zweites und letztes Stockwerk wird das Gebäudeensemble vollenden. Der Bau eigener Hostels für Internatsschüler ist geplant. Wie schon seit Beginn werden unsere beiden Fördervereine in Kassel und Isny dieses Schulprojekt auch weiterhin finanziell tatkräftig unterstützen.
Das Andenken an den Gründervater der Schule und des Anbaham-Projektes überhaupt wird überall hochgehalten. Selbst Ehemalige treffen sich am Geburtstag des Patrons in den Dörfern. Wir übernachteten in einem Hotel in Trichy. Dort kam eines Abends ein junger Koch auf uns zu, der sich als Ehemaliger vorstellte. Es stellte sich heraus, dass er dort einer der Chefkochs geworden war und bei der Gedenkfeier im Dezember des letzten Jahres im Trichy-Dorf mit dabei war und natürlich alle mit seinen Kochkünsten verwöhnte. Es ist Tradition geworden, dass sich Ehemalige in allen drei Dörfern aus Anlass des Gedenkens an Fr. Albert treffen. Dass es diese Verbundenheit gibt, freut uns sehr.
Alle Gespräche sind in angenehmer Atmosphäre verlaufen.In ein paar Monaten werden die beiden Jesuiten Fr. Maria-Joe und Fr. Dominic auf Ihrer Europareise zu verschiedenen Hochschulen einen Abstecher nach Kassel machen. Sie sind uns sehr willkommen.
So, die Erde hat uns wieder. Wir sind wieder einmal sicher am Flughafen Frankfurt gelandet, mit vielen Eindrücken und Gedanken zusätzlich im Gepäck. Die Protokolle werden einiges näher berichten.
Einen herzlichen Gruß - verbunden mit Dank für Ihre Unterstützung - senden Ihnen
Pfarrer Bulowski und Dr. Karl-Heinz Gergen
Bericht über die Anbaham-Kinderdörfer und die Loyola-Schule.
Ein Mädchen schlägt die Glocke, es ist 18 Uhr im Kinderdorf St. Boniface Anbaham Trichy. Nach einem langen Schultag, der um 9 Uhr beginnt und erst um 16 Uhr endet, ist es nun Zeit etwas zu spielen und sich zu waschen. Wenn die Glocke erklingt kommen 244 Kinder aus ihren Häusern und stellen sich auf. Nun geht es zum Abendgebet. So langsam geht die Sonne unter und es wird dunkel. Im Auditorium erklingen die Lieder und die Gebete .Alle sind hier versammelt, die kleinsten und die größten Kinder. Ein Tag ist vergangen, einer von den vielen Tagen im Leben der Kinder, die hier in Geborgenheit ihre Kinderzeit leben können. So ist es auch noch 5 Jahre nach dem Tod von Pfr. Albert Diedrich.
Was die Kinder vor der Zeit in Anbaham erlebt haben ist festgehalten in den vielen kleinen Heften, die Herr Pfr. Albert Diedrich sehr sorgsam geführt hat. Alles ist aufgeschrieben, kein ehemaliges Kind blieb unerwähnt, sein Schicksal berührte jedes Mal das Herz von ihrem geliebten Vater Albert.
So fand ich einen Eintrag über R. Rubin 7. Klasse 12 Jahre alt. Die Mutter sah keinen Ausweg mehr und verbrannte sich. Der Junge, den sie auch mit Benzin übergossen hatte, konnte gerettet werden. Vermerk von Pfr. Diedrich: sofortige Aufnahme. Ein weiterer Eintrag: D. Sneha 2. Kl.7 Jahre Vollwaise Vater fiel aus dem Bus und wurde tödlich verletzt. Mutter starb vor einem Monat. Bemerkung: bitte den größeren Geschwistern helfen mit einem kleinen Haus und das Mädchen aufnehmen in das Kinderdorf. So liegen viele Eintragungen vor mir und ich kann daran erkennen, wer das Kind ist und wie es seine Kinderzeit in Anbaham erlebt hat. Denn viele kenne ich auch noch persönlich.
Als wir im Oktober diesen Jahres das 30-jährige Bestehen von St. Boniface Anbaham feierten, besuchte ein ehemaliges Anbahamkind seine Patenmutter in Kassel. Michael Ray Jesudhas ist heute Pastor in einer Freikirche. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder. Seine zweite Heimat ist jetzt Amerika.
Er erzählte bei dem festlichen Treffen der Paten wie er sein Leben im Dorf der Kinder von Anbaham erlebt hat. Er kam als kleiner Junge wegen großer Schwierigkeiten ins Dorf. Im Anfang hatte er Heimweh, aber bald fand er Freunde und gewöhnte sich an die neue Situation. Sein Vater starb durch einen Unglücksfall, die Mutter musste das Haus verlassen und sich Arbeit suchen. Seine Schwester wurde von einer Jugendbande vergewaltigt und in einen Brunnen geworfen. Sie wurde tot aufgefunden. Er hatte Glück in seinem Leben, durch die Hilfe seiner Patenmutter aus Deutschland und durch das gute Handeln von Herrn Pfr. Diedrich hat er seinen Platz im Leben gefunden.
Sein Schlusssatz in der Kirche im Gottesdienst war der, der mir sehr nahe ging: „In Anbaham ist mir Gott begegnet“.
Darum bin ich sehr dankbar, dass ich weiter von den Kinderdörfern und der Loyola-Schule sprechen kann. Das Lebenswerk von Herrn Pfr. Diedrich wird weiter geführt. In diesem Jahr konnten wieder über 35 Kinder das Abitur der staatlichen Schule abschließen.
Vielleicht ist es auch manchen möglich uns finanziell zu unterstützen. Denn die Loyola-Schule braucht noch viel Aufbauhilfe. Manchmal habe ich schon an ein Lottospiel gedacht, aber dann ist es doch besser auf die Hilfe Gottes zu vertrauen.
Sabine Gehrling
Pfarrer Bulowski und Michael Raj Yesudhason bei ihrer Predigt im Festgottesdienst
Liebe Förderer unserer indischen Kinderdörfer St. Boniface Anbaham,
eine erlebnisreiche Inspektionsreise ist wieder zu Ende gegangen. Vom 26. Januar bis 6. Februar 2017 haben wir Vorstandsmitglieder Sabine Gehrling, Dr. Karl-Heinz Gergen und Pfarrer Peter Bulowski die drei Kinderdörfer im Süden Indiens und die ebenfalls von Msgr. Albert Diedrich gegründete Schule der Jesuiten besucht. Wie immer wurden wir mit großer Herzlichkeit – besonders von den Kindern in allen drei Dörfern – empfangen.
Im Dorf Vadamelpakkam mit 66 Kindern sind die Sturmschäden vom Dezember des letzten Jahres nicht zu übersehen: Wie eine Schneise hat der Sturm viele Palmen umgelegt und Dächer abgedeckt. Gott sei Dank – es wurde niemand verletzt. Manche Schäden sind behoben, aber es wird noch großer Anstrengungen bedürfen, um das Dorf wieder auf Vordermann zu bringen.
Die von den Jesuiten geführte Schule „Loyola Academy Vadamelpakkam“ in der unmittelbaren Nachbarschaft des Kinderdorfes ist weiterhin im Aufbau begriffen. Der Bau eines weiteren Stockwerkes wird bald in Angriff genommen werden, zumal mit dem beginnenden Schuljahr die 11. Klasse hinzukommen wird.
Das Dorf mit den meisten Kindern – 242 an der Zahl – in Trichy mutet wie ein kleines Paradies an. 43 Kinder werden im Sommer nach Erreichen des Schulzieles das Dorf verlassen und teils eine Lehre beginnen, teils auf einem College studieren. 43 Kinder werden neu hinzukommen aus Dörfern, an denen das Wirtschaftswunder Indiens vollkommen vorbeigegangen ist und wo die Leute immer noch in armseligen Hütten leben müssen. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass der indische Staat nach und nach kleine Steinhütten zur Verfügung stellt. Wir haben auf unserer Fahrt Gelegenheit gehabt, manche Hüttendörfer aufzusuchen. Nebenbei gesagt war es erschreckend zu sehen, wie besonders Frauen mit schwerer körperlicher Arbeit – hier in einer Ziegelei – belastet sind. Das sind die Mütter unserer Kinder.
Das dritte Dorf in Zionpuram war von „welcome“ und „farewell“ geprägt. Die Kinderzahl ist in den vergangenen Jahren auf 23 deutlich zurückgegangen. Der derzeitige Leiter, Mr. Jestus, wird im Sommer in Ruhestand gehen. Die Kinder, die heute noch da sind, werden zum Teil nach ihrer Schulzeit das Dorf verlassen, einige werden ins Kinderdorf von Trichy übersiedeln und einige werden nach Hause zurückkehren. In einem bewegenden, vor allem von den Kindern gestalteten Abschiedsabend haben wir einander farewell gesagt. Um die Zukunft dieses Kinderdorfes wird sich der indische Vorstand bemühen.
So bringen wir manche Informationen und Anregungen mit nach Deutschland. Durchweg konstruktive Gespräche in sachlicher Atmosphäre werden uns in Erinnerung bleiben. Und nicht zuletzt bringen wir Grüße und Dank mit von unseren indischen Freunden an alle Förderer in Deutschland und wo auch immer.
Und nicht zuletzt danken wir von den beiden Vorständen in Kassel und Isny Ihnen, verehrte Förderer dieses großen sozialen Projektes, für Ihre treue Unterstützung und wünschen Ihnen Gottes Segen im Jahr 2017.
Pfarrer Peter Bulowski
Dr. Karl-Heinz Gergen
Sabine Gehrling