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Teresa in ihrer Zeit

Teresa lebte in einer für ihre Heimat glanzvollen Epoche, die zugleich eine Zeit des Umbruchs war. Das Spanien des 16. Jahrhunderts war geprägt von politischem Machtdenken und gesellschaftlichem Gepränge ("siglo de oro" - "Goldenes Zeitalter"), gleichzeitig aber auch von religiösen und spirituellen Wirrnissen. Nach dem siegreichen Rückeroberungskampf gegen die Mauren und der strengen Zurückweisung anderer Religionen herrscht nationale und religiöse Einheit auf der Iberischen Halbinsel. Die großen Eroberungskämpfe in Mittel- und Südamerika bringen dem Land weiteren Machtzuwachs und materiellen Reichtum. Aber all der äußere Glanz kann die tieferen Probleme nicht lösen, die durch ein neues Selbstverständnis des Menschen aufbrechen. Im neuen Weltbild, das vom Geist der Renaissance und des Humanismus geprägt ist, steht nicht mehr Gott im Mittelpunkt, sondern der Mensch wird immer mehr zum Maß aller Dinge.Die Auswirkungen dieses Wandels reichen bis in den religiösen Bereich; Fehlhaltungen und kirchliche Mißstände sind vielfach die Folge davon. Aber nicht nur in Spanien gibt es Spannungen: Für Deutschland ist durch die Reformation eine schwere Zeit der Glaubensspaltung hereingebrochen, Frankreich wird von Glaubenskämpfen erschüttert, und in ganz Europa führen die verschiedensten Irrlehren zu Unsicherheit und Verwirrung.
Aber vielleicht stellte gerade diese Situation die große Herausforderung zu einer Neuentscheidung im Glaubensleben dar; denn ebendiese Zeit brachte soviele Heilige hervor und kann als Blütezeit der Mystik bezeichnet werden.

In Spanien waren verschiedene Reformbewegungen im Gange, vor allem das Streben nach Verinnerlichung, das hauptsächlich durch die von Holland ausgehende"devotio moderna" angeregt wurde. Die Hauptgedanken dieser Strömung finden wir in der "Nachfolge Christi" des Thomas von Kempen wieder. Im Mittelpunkt steht die Abkehr von Äußerlichkeit und Routine und die Intensivierung der persönlichen Beziehung zu Gott durch das innerliche Gespräch mit ihm, die Betrachtung des Lebens Christi und die Verehrung des Allerheiligsten; dadurch sollte zugleich eine vom Innern getragene Lebenstüchtigkeit erwirkt werden. Bisweilen wurden jedoch durch eine Überbetonung des inneren Gebets das mündliche und das liturgische Gebet abgewertet.

Sehr stark war die Spannung zwischen den "espirituales" und den „intelectuales": Die "espirituales" kamen mehr von der geistlichen Erfahrung her und sahen die notwendige Erneuerung der Kirche in der Förderung einer lebendigen Innerlichkeit, während den „intelectuales", den "Schultheologen“ das mündliche Gebet und die verstandesmäßige Betrachtung genügten und alles andre meist verdächtig war, vor allem wenn es sich um Frauen handelte. Mit allen Mitteln wollte man Entgleisungen vermeiden und gegen bereits bestehende Entartungen vorgehen, besonders gegen die Gruppe der"alumbrados" ("Erleuchtete"), die die mystische Erleuchtung allem voranstellten und die Sakramente, die Liturgie und das mündliche Gebet für überflüssig erklärten. Verwirrung brachte auch der Quietismus, der die völlige Passivität und ein bloßes Abwarten zur Mitte des geistlichen Lebensmachte. Die Reaktion auf all diese Entartungen war vielfach eine ablehnende Haltung gegenüber der Mystik insgesamt und ein überaus strenges Vorgehen der spanischen Inquisition, deren Mitglieder meist aus den Reihen der "intelectuales" stammten.

Auf ihrer Suche nach Gott ist Teresa mitten in die geistigen Auseinandersetzungen ihrer Zeit hineingestellt und wird davon geprägt. Aber nach den Worten des heiligen Paulus: "Prüft alles und behaltet dasGute!" (1 Thess 5, 21) sucht sie sehr genau zu unterscheiden, was zu Gott hin- und was von Gott wegführt. So läßt sie sich zwar ganz erfassen von dem Zug zur Innerlichkeit und sieht in der Art der Sammlung, die sie in der franziskanischen Schule gelernt hat (Francisco de Osuna, Bernadino de Laredo), einen hervorragenden Weg des Gebetes, aber sie bleibt nicht bei der Methode stehen und sucht auch nicht mystische Erfahrung um ihrer selbst willen. Weder dem Gefühlsmäßigen noch dem Gedanklichen gibt sie den Vorrang, sondern bezieht durch eine ausgewogene Betätigung aller Kräfte den ganzen Menschen ins Gebet ein. Es geht ihr auch nicht um innere Leere und einfaches Abwarten wie beim Quietismus, ebensowenig aber auch um Eigenleistung im Gebet. Sie ist sich sehr wohl bewußt, daß Mensch und Gnade "zusammenarbeiten" müssen: Nur wenn der Mensch sich ganz, in seiner konkreten Wirklichkeit, so wie er ist, Gott hinhält, wird er empfänglich für den Reichtum, der Gott selber ist; denn "Gott schenkt sich uns erst ganz, wenn auch wir uns ihm ganz schenken“ (Weg 28, 12). Ein solches Gebet, verstanden als lebendiges Dasein vor und mit Gott, zeitigt auch im konkreten Leben seine Früchte und kann nicht nur auf festgelegte Gebetszeiten beschränkt sein, auch wenn diese unumgänglich notwendig sind.

Teresa erteilt auch dem liturgischen und dem mündlichen Gebet keine Absage,sondern sieht gerade darin einen positiven Ausgangspunkt, um innerlich mit Gott in Verbindung zu treten. Dabei betont sie immer wieder, daß es nicht in erster Linie um die Worte geht, die man spricht, sondern darum, daß man weiß, "wer wir sind und wer der ist, zu dem wir sprechen“ (IBurg I, 1, 7), damit der Mensch umgestaltet werden kann in Christus.
Teresas Gebetsweg ist eingebettet in das Leben der Kirche. Sie hebt die Kirche. Und obwohl sie zutiefst unter manchen Mißständen leidet, vor allem unter dem Vorgehen der Inquisition, trägt sie doch alles als "Tochter der Kirche“ (Akten zur Selig- und Heiligsprechung, BMC 18) mit und stellt ihr ganzes Leben in ihren Dienst. Nicht in Resignation oder reaktionärem Verhalten besteht ihre Antwort, sondern im Hineilen zur Quelle.