Ein herzliches Grüß Gott im 
PFARRVERBAND OBERES INNTAL

Oberfeldweg 2, 83080 Oberaudorf, Telefon: 08033-1459
E-Mail: PV.Oberes-Inntal@ebmuc.de

Der "Weg der Vollkommenheit"

In keinem anderen ihrer Werke legt Teresa so klar und eingehend das Ideal des Karmel und der Intimität mit Gott dar wie in dieser Schrift. Auf drängenden Wunsch ihrer Schwestern greift sie zur Feder und bringt alle Aspekte zur Sprache, die zu einem fruchtbaren Gebetsleben gehören.Zunächst zeigt sie ihnen Ziel und Praxis des kontemplativen Lebens auf und umschreibt sodann den Weg des Gebetes, wobei sie immer wieder konkrete Ratschläge gibt, die sie aus dem reichen Schatz ihrer Erfahrung schöpft. Dabei scheut sie sich nicht, entschieden den Vorurteilen ihrer Zeit entgegenzutreten, wobei zuweilen auch versteckte, aber nachhaltige Polemik einfließt. So verteidigt sie energisch den Weg jener "mannhaften Frauen“ die es wagen, sich auf das Unterfangen der Kontemplation einzulassen (3, 7 Fußnote), hebt deutlich den Wert des inneren Gebetes hervor und weist nachdrücklich jene zurück, die Angst vor diesem Gebet ausstreuen (35.-37. Kap-).

So gewagte Seiten konnten nicht straflos durch die Zensur gehen. Und obwohl sie einen so wohlwollenden Zensor wie P. Garcia de Toledo fand, der ein großer Verehrer der Autorin war, mußten doch viele Aussagen seinen Einwänden weichen, vor allem verschiedene polemische Ausführungen, von denen sich einige deutlich auf die Verbote der Inquisition bezogen ("Sie scheint die Inquisitoren zu tadeln, die Bücher über das Gebet verbieten"; Anmerkung des Zensors zu 36,4).

Um all die notwendigen Verbesserungen anzubringen, genügte es nicht, einige Seiten herauszureißen, sondern das Buch mußte neu verfaßt werden. Eine mühsame Aufgabe, die die Heilige mit Entschlossenheit ausführte, indem sie das gesamte Buch wieder abschrieb und teilweise von Grund auf erneuerte. Dies geschah aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahre 1566, als außer dem St.-Josefs-Konvent in Avila noch kein weiteres Kloster der Reform existierte.

Teresa ging es nicht nur darum, über Gebet und Meditation zu schreiben, sondern sie wollte zur Kontemplation hinführen, das heißt zu diesem "einfachen Blick auf die Wahrheit" ("simplex intuitus veritatis", Thomasvon Aquin), diesem hebenden Einssein mit Gott, das ein freies Geschenk Gottes an den Menschen ist, der sich ihm ganz schenkt. Darum enthält der erste Teil ihres Buches nichts anderes als die konkreten Grundlagen, die den Betenden für den Empfang dieser Gnade bereit machen: die Umwendung vom Ich zum Du.

In den drei ersten Kapiteln umreißt die Heilige die apostolische Dimension des Karmelideals: den apostolischen Wert des kontemplativen Lebens; die kirchliche Funktion des Gebetes im Karmel; die Selbsthingabe an Gott, um der Kirche zu helfen. Diese Hilfe will gelebt werden in den konkreten Situationen des Alltags, in denen ich mich schenke und so die Wirkmächtigkeit Gottes für den anderen frei wird.

Um dieses Ziel zu erreichen, muß das Gebet auf dem festen Fundament praktischer Tugenden aufbauen: Bruderliebe, Losschälung von allem Geschaffenen, Demut (4.-16. Kap.). Und um alles muß der Gürtel der Stärke geschlungen sein: "Seid fest entschlossen, Schwestern! Denn ihr seid gekommen, um für Christus zu sterben, und nicht, um für Christus ein bequemes Leben zuführen" (10, 5).

Doch nicht nur ihre Schwestern spricht sie an, wenn sie in diesen Kapiteln die Grundlagen zu einem lebendigen Innenleben legt, sondern jeden, der "Diener der Liebe" (Leben 11, 1) werden will und nach der Quelle lebendigen Wassers dürstet. Dabei betont sie vor allem zwei Punkte: Die "festentschlossene Entschlossenheit" beständig zu beten und ein Leben lang auf der Suche nach dem lebendigen Wasser zu bleiben, "mag auch die Weltdarüber untergehen“ (21, 2), und die Du-Beziehung zu Gott, ohne die es kein wirkliches inneres Beten gibt.

Mit dem 16. Kapitel beginnt sie näher auf die Kontemplation einzugehen. Es ist ihr ein großes Anliegen, daß das Geschenk der Kontemplation recht verstanden und mit bereitem Herzen empfangen wird. So läßt sie ihr ganzes Inneres in diesen Kapiteln mitschwingen. Innigkeit und Einfachheit wechseln mit kräftigen, kämpferischen Worten. immer wieder weicht sie vom Thema ab, weil sie soviel auf einmal sagen möchte. Alles, was zum Gebetsleben gehört, möchte sie den ihr Anvertrauten nahebringen.

Ihre Darlegungen münden schließlich ein in den Vaterunser-Kommentar (26.-42.Kap.). Frei und spontan legt sie die sieben Bitten aus; sie dienen ihr als Lehrthemen und gleichzeitig als praktische Beispiele für das Gebet. Anhand dieser Herrenworte veranschaulicht sie ein ganzes Gebetsleben, das sich immermehr in Kontemplation verwandelt, und schlüsselt die einzelnen Gebetsstufen au£ Unmerklich geht die Schrift in einen Dialog über, und der Leser wohnt dem innigen "Freundschaftsgespräch“ zwischen dem göttlichen Meister und der Heiligen bei. Höhepunkt ist das Gebet zum ewigen Vater um die Eucharistie und für die Kirche (35. Kap.). Hier kehrt die Heilige wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück: dem Zweck und der Daseinsberechtigung des ausschließlichen Gebetslebens im Karmel St. Josef