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In dieser Rubrik stellen wir in loser Reihenfolge aktuelle Themen aus christlicher Sicht zur Verfügung, die wir für lesenswert halten.

Medjugorje

WAS IST JETZT MIT MEDJUGORJE?
VON PATER MARKUS CHRISTOPH SJM

Für viele Gläubige ist Medjugorje ein wichtiger Gebets- und Gnadenort. Nach verschiedenen Berichten sei dort am 24. Juni 1981 die Muttergottes einer Grup­pe von Jugendlichen erschienen. Seither gehen die mutmaßlichen Erscheinun­gen weiter, bis zum heutigen Tag. Trotz mehrfacher Untersuchungen wurde die Ubernatürlichkeit der Phänomene von der Kirche nie bestätigt. Seit 2019 sind Wallfahrten auf Anordnung aus Rom zwar offiziell erlaubt, was jedoch nicht - darauf hatte der Vatikan Wert gelegt - als Anerkennung der Erscheinungen zu verstehen sei, sondern als seelsorglich motivierte Entscheidung des Papstes angesichts des großen Zustroms von Gläubigen. Jetzt im September 2024 wur­de bekannt, dass Papst Franziskus Medjugorje sein „nihil obstat“ - d.h. eine offizielle Erlaubnis — erteilt hat. Was bedeutet dieser Schritt genau? Sind damit die Erscheinungen endlich anerkannt?
 
Am 19. September 2024 wur­de von Kardinal Fernandez, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, eine offizielle, von Papst Franziskus genehmigte „Note über die geistliche Erfahrung im Zu­sammenhang mit Medjugorje“ vorge­stellt. „Es ist an der Zeit, eine lange und komplexe Geschichte rund um die geistlichen Phänomene von Med­jugorje abzuschließen“, so beginnt das Schreiben (Nr. 1). Ganz kurz zusam­mengefasst geht es bei der Note um zwei Feststellungen:
•    Die Kirche anerkennt die geistlichen Früchte, die in den letzten Jahrzehn­ten im Zusammenhang mit Medju- gorie gewachsen sind.
* Die Grundlinie der übermittelten Botschaften stimmt mit der kirch­lichen Lehre überein, einzelne Texte sind kritisch zu hinterfragen. Dar­um lässt die Kirche die Frage nach dem übernatürlichen Ursprung der dortigen Phänomene offen. Ganz bewusst spricht man von „mutmaß­lichen Botschaften“.
Im Originalton hört sich das wie folgt an: „Die positiven Früchte zeigen sich vor allem in der Förderung einer ge­sunden Glaubenspraxis, in Überein­stimmung mit dem, was in der Tra­dition der Kirche vorhanden ist. Dies betrifft im Zusammenhang mit Medjugorje sowohl diejenigen, die dem Glauben fernstanden, als auch dieje­nigen, die den Glauben bis dahin nur oberflächlich praktiziert hatten. Die Besonderheit des Ortes besteht in ei­ner großen Anzahl solcher Früchte: die vielen Bekehrungen, die häufige Rück­kehr zu den Sakramenten (Eucharistie und Versöhnung), die zahlreichen Be­rufungen zum Priester- und Ordensle­ben wie auch zur Ehe, die Vertiefung des Glaubenslebens, ein intensiveres Gebetsleben, zahlreiche Versöhnungen zwischen Eheleuten und Erneuerung des Ehe- und Familienlebens.“ (Nr. 3) Gleichzeitig wird in der vorausgehen­den Nummer betont: „Obwohl sich im Ganzen der mit dieser geistlichen Erfahrung verbundenen Botschaften viele positive Elemente finden, die helfen, den Ruf des Evangeliums zu verstehen, weisen bestimmte Bot­schaften - nach der Meinung einiger — Widersprüche auf oder stehen in Zusammenhang mit Wünschen bzw. Interessen der mutmaßlichen Seher oder anderer Menschen. (...) Als Bei­spiel eines solchen unpräzisen mysti­schen und theologisch definitiv inkor­rekten Sprachgebrauchs kann unter den im Zusammenhang mit Medjugorje stehenden Botschaften der isoliert dastehende Ausdruck „Mein Sohn, einer und dreifältig, liebt euch” (02.11.2017) dastehen. (...) Darüber hinaus wird der Leser darauf hinge­wiesen, dass, wenn in dieser Note von „Botschaften“ Unserer Lieben Frau gesprochen wird, immer “mutmaßli­che Botschaften“ gemeint ist.“ (Nr. 2)
Das Dokument entfaltet dann beide Aspekte anhand zahlreicher Textbei­spiele aus den mutmaßlichen Bot­schaften: Maria stellt sich dort als „Königin des Friedens“ vor; ihr Friede besteht in der Versöhnung mit Jesus; er setzt Gebet voraus und wird in der Welt durch missionarischen Einsatz verbreitet. In vielen Ermahnungen ermutigt die Erscheinung zur ver­trauensvollen Hingabe an Gott; Jesus wird als alleiniger Erlöser bezeichnet, die Bitte um das Wirken des Heiligen Geistes ist ein wiederkehrendes The­ma. Ein weiterer wichtiger Punkt ist — ganz in Übereinstimmung mit dem Evangelium — die Aufforderung zu Buße und Umkehr. Es wird gemahnt, „den Ernst des Bösen und der Sünde nicht zu unterschätzen und den Auf­ruf Gottes zum Kampf gegen das Böse und den Einfluss Satans sehr ernst zu nehmen.“ (Nr. 16) Als geeignete Mit­tel wird das Gebet empfohlen, sei es der häufige Rosenkranz, aber ganz besonders auch die Feier der heili­gen Messe. Der christliche Glaube wird nicht individualistisch verstan­den, sondern trägt wesentlich einen gemeinschaftlichen Charakter. Die Motive Freude und Dankbarkeit zie­hen sich als roter Faden durch die ver­schiedenen Botschaften; diese Freude wird schließlich in der Begegnung mit den Mitmenschen zum Zeugnis des Glaubens an Jesus. Nicht zuletzt wird als wichtiges Thema die Sehnsucht nach dem ewigen Leben erwähnt. All diese Inhalte sind voll und ganz im ka­tholischen Glaubensgut verankert.
Medjugorje 2
Die vatikanische Note benennt gleich­zeitig auch kritische Aspekte: „Einige wenige Botschaften weichen von die­sen positiven und aufbauenden Inhal­ten ab und scheinen ihnen sogar zu widersprechen.“ (Nr. 27) Dies muss, so wird betont, kein grundsätzliches Argument gegen eine Ubernatürlich­keit sein: „Wenn man das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb einer geistlichen Erfahrung anerkennt, be­deutet dies nicht, dass alles, was zu dieser Erfahrung gehört, frei von jeder Ungenauigkeit, Unvollkommenheit oder möglichen Verwirrung ist. Es sei nochmals daran erinnert, dass diese Phänomene manchmal mit konfu­sen menschlichen Erfahrungen, mit theologisch ungenauen Äußerungen oder nicht ganz legitimen Interessen verbunden erscheinen.“ (Ebd.) Das Dokument führt dazu einige Beispiele an: „In einigen Fällen scheint die Mut­tergottes eine gewisse Verstimmung zu zeigen, weil einige ihrer Anweisungen nicht befolgt wurden; sie weist auf be­drohliche Zeichen hin und die Mög­lichkeit, nicht mehr zu erscheinen, auch wenn die Botschaften danach unvermindert weitergehen.“ (Nr. 28) In anderen Texten erweckt die (mut­maßliche) Erscheinung der Mutter­gottes den Eindruck, in Bezug auf das Leben in der dortigen Pfarrei „Einzel­heiten des geistlichen und pastoralen Weges kontrollieren zu wollen - Bitten um Fastentage oder Hinweise auf be­sondere Verpflichtungen für die ver­schiedenen liturgischen Zeiten.“ (Nr. 29) Auch das unablässige Beharren der Erscheinung, auf ihre Botschaf­ten sei zu hören, sieht das Dokument kritisch. „Wahrscheinlich entspringt diese oft wiederholte Aufforderung der Liebe und dem großherzigen Eifer der mutmaßlichen Seher, die mit gutem Willen befürchteten, dass die Aufrufe der Mutter zur Umkehr und zum Frie­den ignoriert werden könnten. Dieses Beharren wird noch problematischer, wenn sich die Botschaften auf Bitten beziehen, deren übernatürlicher Ur­sprung unwahrscheinlich ist, wie z. B. wenn die Muttergottes Anordnun­gen über Daten, Orte und praktische Dinge gibt und Entscheidungen über gewöhnliche Angelegenheiten trifft.“ (Nr. 30) Problematisch seien auch jene Botschaften, die der Gottesmut­ter Formulierungen wie „mein Plan“, „mein Vorhaben“ zuschreiben — als vertrete Maria einen alternativen Weg zum göttlichen Heilsplan (vgl. Nr. 35). Gleichzeitig wird abschließend festgehalten, die Botschaften hätten insgesamt einen klaren theozentri­schen und christologischen Schwer­punkt.
 
Nummer 38 fasst als Fazit die genaue Bedeutung der päpstlichen Note zu­sammen: „Durch das Nihil obstat in Bezug auf ein geistliches Ereignis sind die Gläubigen berechtigt, ihm in um­sichtiger Weise zu folgen. Obwohl dies keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens bedeutet und daran erinnert, dass die Gläubigen nicht verpflichtet sind, da­ran zu glauben, zeigt das Nihil obstat an, dass sie durch dieses geistliche An­gebot einen positiven Ansporn für ihr christliches Leben erhalten können, und erlaubt die öffentliche Verehrung. (...) Die Bewertung solch zahlreicher und weit verbreiteter schöner und positiver Früchte bedeutet nicht, die mutmaßlichen übernatürlichen Ereig­nisse als authentisch zu erklären, son­dern nur darauf hinzuweisen, dass, in­mitten1 dieses geistlichen Phänomens von Medjugorje der Heilige Geist fruchtbar zum Wohle der Gläubigen wirkt; daher die Einladung, den pas­toralen Wert dieses geistlichen Zeug­nisses zu schätzen und daran teilzuha­ben. Außerdem bedeutet die positive Bewertung der meisten Botschaften von Medjugorje als erbauliche Texte nicht, dass sie einen direkten überna­türlichen Ursprung haben. Wenn man also von Botschaften der Muttergot­tes spricht, muss immer, mutmaßliche Botschaften“ verstanden werden.“
 
Damit liegt die päpstliche Entschei­dung ganz auf der Linie der Neu­fassung der kirchlichen Normen zur Beurteilung von mutmaßlichen übernatürlichen Ereignissen, die der Vatikan erst vor einem halben Jahr er­lassen hat (am 17. Mai 2024). Dort wurde festgestellt, dass in aller Regel „auf ordentlichem Wege keine posi­tive Anerkennung des göttlichen Ur­sprungs mutmaßlicher übernatürli­cher Phänomene durch die kirchliche Autorität zu erwarten ist.“ (Normen 11) Zukünftig möchte die Kirche also grundsätzlich sehr zurückhaltend sein mit offiziellen Bestätigungen von übernatürlichen Phänomenen. Viel­mehr will man sich damit begnügen, das Wirken des Heiligen Geistes „in­mitten einer bestimmten spirituellen Erfahrung“ anzuerkennen (Normen 17). Genau diesen Weg ist man jetzt im Fall von Medjugorje gegangen: Anerkannt werden geistliche Früchte, die auf eine spirituelle Erfahrung hin­deuten, ohne jedoch ein Urteil über die wirkliche Übernatürlichkeit der Erscheinungen zu wagen.
Dieses Vorgehen hat Vor- und Nach­teile. Es hat Vorteile, weil es ein offi­zielles Urteil der Kirche bezüglich der Pastoral an einer Gebetsstätte ermög­licht, selbst wenn über die Botschaften oder Seher kein Urteil erfolgt ist. Es hat gleichzeitig den Nachteil, dass un­klar bleibt, in welcher genauen Bezie­hung die mutmaßlichen Botschaften zu den geistlichen Früchten stehen. Und damit bleibt — was wichtiger ist — ebenso unklar, welche genaue Rolle die Botschaften in der Verkündigung spielen sollen oder können - oder auch dürfen. Nicht umsonst wird wie­derholt betont, die Übernatürlichkeit der Erscheinungen könne nicht be­stätigt werden. Damit bleibt die Note in letzter Konsequenz nur ein Urteil über Medjugorie als Ort des Glaubens und des Gebetes. Das ist nicht nichts. Doch eine wichtige Differenz zu Wall­fahrtsorten wie Lourdes oder Fatima, deren Erscheinungen als übernatür­lich bestätigt wurden, bleibt.