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In dieser Rubrik stellen wir in loser Reihenfolge aktuelle Themen aus christlicher Sicht zur Verfügung, die wir für lesenswert halten.

Ignatische Impulse

Kontemplation und Anwendung der Sinne

VON PATER MARTIN LINNER SJM

In einer der vergangenen Ausgaben haben wir einen „Einstieg ins betrachtende Gebet“ unternommen und uns am Beispiel des Vaterunsers der Reihe nach ein Wort oder einen Satz vorgenommen, darüber nachgedacht und gebetet. Ignatius kennt verschiedene Metho­den, um das innere Gebet zu prakti­zieren. Bei den Betrachtungen über die Evangelien, Texte aus dem Leben Jesu, schätzt er besonders die soge­nannte Kontemplation. Das lateini­sche Wort contemplari beschreibt in seiner deutschen Übersetzung sehr schön, was damit gemeint ist: beob­achten, beschauen, betrachten.

Damit ist nicht die außerordentliche Erfahrung einer Vision gemeine, son­dern ein Schauen, mit dem „inneren“ Auge, d.h. ein Betrachten mit unserer Vorstellungskraft, ein sich bildliches Vorstellen des Geschehens. In diesem Sinne dürfen wir auch die „inneren“ Sinne des Hörens, des Riechens und Tastens im Rahmen unserer Vorstel­lungskraft nutzen.
Zur Erklärung dieser Methode wählt Ignatius im Exerzitien Büchlein u.a. den Text von der Geburt Christi (I.k 2,1-7).
Auch bei dieser Gebetsform stehen zu Beginn das genaue Lesen des Schrift­textes sowie das Anfangsgebet für eine gute Gebetszeit und die innere, bild­liche Vorstellung des Handlungsortes.

Ignatius erlaubt nicht nur, sondern ermutigt geradezu, „in frommen und gläubigen Überlegungen ... die Stätte oder Höhle der Geburt zu betrachten, wie geräumig, wie eng, wie niedrig, wie hoch sie ist, und wie ihre Ausstat­tung war“. Auch Details dürfen wir uns vorstellen wie die Futterkrippe, in die das Jesuskind gelegt wird, das Stroh oder das Heu, die Windeln und Tücher, ob Ochs und Esel dabei sind, ob der Wind bläst, wie kalt es ist... Ignatius führt diese innere Vorstellung in den Hauptteil der Gebetszeit wei­ter und leitet uns an, die Personen mit unserem inneren Auge zu schauen, wie sie aussehen, wie sie sich verhal­ten, dann zu hören, was sie sprechen und schließlich zu betrachten, was sie tun.
Im Evangelien Text der Geburt Christi werden keine Dialoge überliefert. Mit frommer Vorstellungskraft dürfen wir uns im Geiste überlegen, was die heili­gen Personen gesprochen haben könn­ten. Wichtig ist Ignatius nicht, dass sich unsere Vorstellungen historisch genau so zugetragen haben, sondern dass sie passend zum Geist des Evan­geliums und der Lehre der Kirche sind und uns so mit Leib und Seele tiefer an das Heilsgeschehen binden.

Ganz wesentlich ist für Ignatius bei der Gebetsweise der Kontemplation, uns selbst in die zu betrachtende Szene miteinzubringen, wirklich mit dabei zu sein. Bei der Weihnachtsgeschich­te weist er dem Beter die Rolle eines Dieners zu, der den heiligen Eltern des Jesuskindes zur Hand geht.

Neben den zu leistenden Diensten, die hier unserer gläubigen Vorstel­lungskraft entspringen, dürfen wir mit den heiligen Personen sprechen, sie um eine Gnade bitten, ihnen un­sere Anliegen vortragen, aber sie auch nach ihrem eigenen Befinden fragen - wie es Ignatius in den Zwiegesprächen empfiehlt.
Wir dürfen das Jesuskind anbeten, ihm wie die Weisen huldigen, ihm Geschenke machen. Wir dürfen seine Mutter bitten - wie wir es von ver­schiedenen weihnachtlichen Hirten­spielen, aber auch von christlichen Mystikern kennen — uns Jesus in die Arme zu legen, um ihn zu liebkosen, ihn in den Schlaf zu wiegen...

Ignatius beschränkt sich dabei nicht auf die (inneren) Sinne des Sehens und Hörens, son­dern empfiehlt auch die Anwendung der Sin­ne des Riechens und Schmeckens beziehungs­weise des Tastens und Berührens.
Wir dürfen den Duft des Strohs oder Heus riechen, das in der Krippe des Jesuskindes liegt. Wir dürfen die Frische der Leinentücher wahrnehmen, die Maria für ihr Kind vorbereitet hat.

Wir dürfen diese Gegenstände betasten und, wenn es uns angemessen erscheint, auch bit­ten, die heiligen Personen, das Jesuskind be­rühren zu dürfen.
Ignatius ist es wichtig, dass wir mit all unse­ren Sinnen ganz im Heilsgeschehen mitleben, dass war die heilige Handlung als Ereignis für uns wahrnehmen.

Ziel dieser Gebetsform ist ein tieferes Mitfühlen (sentir) mit Jesus, ein einfühlsames, anteilnehmendes Erspüren, Wahrnehmen seiner  Situation.
Ich darf mich fragen: Wie wirkt das Gesche­hen auf mich? Welche Atmosphäre erlebe ich?
Was nehme ich an Jesus wahr? Wie sind meine Empfindungen, wenn ich Jesus so zuschaue?  Für den Geliebten ist jedes Detail am Liebenden von Bedeutung.

Die sinnliche Wahrnehmung, auch wenn sie mit den „inneren“ Sinnen geschieht, ermög­licht uns — so ja auch im gewöhnlichen Leben - leichter in die Tiefe zu gehen. Ein inneres Bild Christi entsteht. Als Beter bin ich nicht nur Betrachter, sondern nehme am Geschehen teil. Christus lasse ich zu mir sprechen, ich spreche zu ihm. Die Betrachtungsform der Kontemplation oder Anwendung der Sinne braucht Übung. Sie kann aber zu einer sehr wertvollen Gebets­weise gerade bei der Betrachtung der Evangeli­en werden und unserer Christusbeziehung eine ganz neue Intensität schenken.
en.

Die Kontemplation (GÜ 114-116)

DER ERSTE PUNKT ist: Sehen die Personen, sehen also Unsere Herrin und Josef und die Magd und das Jesuskind, nachdem es geboren ist. Ich mache mich, als ob ich dabei gegenwärtig wäre, zu, einem armseligen wertlosen Dienerlein, das sie anstaunt und betrachtet und in ihren Nöten bedient, mit der größtmöglichen Ergebenheit und Ehrfurcht. Dann mich in mir selbst besinnen, um einigen Nutzen-zu ziehen.
 
DER ZWEITE: Betrachtern und erwägen, was sie reden, und mich in mir selbst besinnend einigen Nutzen gewinnen.

DER DRITTE: Schauen und erwägen, was sie tun, etwa wie sie reisen, wie sie sich anstrengen, dazu hin, dass der Herr in der. größten Armut geboren werde, und am Ende von so viel Mühen, von Hunger und Durst, von Hitze und Kälte, von Schmähungen und Anwürfen am Kreuze sterbe, und alles das für mich. Dann mich besinnend einigen Nutzen im Geiste gewinnen.