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In dieser Rubrik stellen wir in loser Reihenfolge aktuelle Themen aus christlicher Sicht zur Verfügung, die wir für lesenswert halten.

Mit Bendikt auf Jesu Spuren Stefan Mathaei


Spätestens bei seiner Wahl zum Papst Benedikt XVI. wur­de Josef Ratzinger weltberühmt. Sein Wirken als Dozent, Priester, Erzbischof, Kardinal oder Papst ist immer auch mit seinem tiefen theologischen Denken verbunden. Es ist also sehr lohnenswert, sich ausführlich mit seinen Schriften, Tex­ten und Predigten zu befassen. Eine Reihe möchte nach und nach in seine Gedankenwelt eintauchen und sich mit ihm auf die Spuren Jesu begeben.

Jesus im Zentrum
Es ist natürlich sehr schwer, das umfangreiche Wirken Josef Ratzingers in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass Jesus immer im Mittelpunkt steht, bzw. Ratzinger bemüht war, ihn in der Theologie dort (wie­der) hinzurücken. Und zwar nicht Jesus als Betrachtungsob­jekt, sondern viel mehr als Bezugsperson. Jemand der mit dir und mir eine Beziehung eingehen möchte. Nicht umsonst hat er die Trilogie „Jesus von Nazareth“ während seines Pon­tifikats veröffentlicht und das Thema „Gott ist die Liebe“ („Deus caritas est“) als seine Antrittsenzyklika gewählt.

Synthese - Die Kunst des Zusammenführens
Josef Ratzinger war sehr belesen und besaß ein fundiertes theologisches wie philosophisches Wissen. Das bildet einer­seits eine Grundlage für die Breite seiner Theologie. Anderer­seits war es die Vorrausetzung dafür, dass man ihn als Meister der Synthese bezeichnen darf. Er verstand es, verschiedene Ideen, selbst solche, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, zu etwas Neuem, Klärenden zusammenzufüh­ren, ohne dabei die Tradition oder die Heilige Schrift in Frage zu stellen. („Für meine Darstellung Jesu bedeutet dies vor allem, dass ich den Evangelien traue.“- Jesus von Nazareth - Erster Teil)
Selbst abwegige Gedanken verwarf er nicht in Bausch und Bogen, sondern versuchte das Richtige oder Berechtigte dahinter aufzugreifen und anzugehen.

Wider den Relativismus und den Positivismus
Unmittelbar vor seiner Wahl zum Papst und nach dem Tod Johannes Pauls II. warnte Ratzinger in einer Predigt vor der „Diktatur des Relativismus“: „Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letz­tes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“.
In seiner Rede vor dem Bundestag 2011 schlägt er dann als Papst in die gleiche Ker­be. Ähnlich wie in der ökologischen Bewe­gung der 70er Jahre, bei der jungen Menschen bewusstgeworden ist, dass man nicht einfach alles mit der Erde machen kann, was man möchte, braucht es eine Ökologie des Men­schen: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig mani­pulieren kann. [...] Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat.“
Gleichzeitig weist er auch auf die Gefahr hin, dem Positivismus - nur Überprüfbares und sinnlich Wahrnehmbares zählt - bei allen Vorteilen, zu viel Raum zu geben. Wenn man sich darauf beschränkt, gleicht man einem Betonbau ohne Fenster, in dem man das Kli­ma und das Licht nur sich selbst geben kann, anstatt es von Gottes weiter Welt zu beziehen.

Erste Spur - Jesu Anspruch und Selbst­verständnis
Im ersten Teil „Jesus von Nazareth“ greift Ratzinger die Überlegungen des Rabbi Jacob Neusner auf, der als gläubiger Jude versucht mit Jesus in den Dialog zu treten. Nach Neusner hat Jesus nichts von der Lehre (der Juden) weggelassen, aber etwas Entscheiden­des hinzugefügt, und zwar „Sich selbst“. Als Beleg hierfür wird die Bibelstelle: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz, komm und folge mir“ (Mt 19,20) angeführt.
Neusner lehnt zwar als gläubiger Jude die­sen Selbstanspruch ab, hat aber die Tiefe und das Erschreckende dahinter verstan­den. Noch deutlicher wird dies bei dem scheinbar unbedeutsamen Vorfall, dem Abreißen der Ähren am Sabbat.

Das Abreißen der Ähren am Sabbat
Nachdem Jesu das Abreißen der Ähren am Sabbat seiner Jünger mit den Worten „Hier ist einer, der größer ist als der Tem­pel“ und „Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat“ (Mt 12,1-8) verteidigt hat, folgert Neusner: „Er (Jesus) und sei­ne Jünger können am Sabbat das tun, was sie tun, weil sie an die Stelle der Priester im Tempel getreten sind. Der heilige Ort hat sich verlagert, er besteht jetzt aus dem Kreis des Meisters und seiner Jünger.“ Weil das Einhalten des Sabbats im Juden­tum nicht einfach nur Vorschrift ist, son­dern, nach dem Schöpfungsbericht, auch eine Art Nachahmen Gottes, fasst Neus­ner zusammen: „Der Menschensohn ist wahrhaftig Herr über den Sabbat, denn der Menschensohn ist jetzt der Sabbat Israels - so handeln wir wie Gott“. Sodann legt Neusner den Selbstanspruch Jesu offen: „Jetzt steht Jesu auf dem Berg und nimmt den Platz der Thora ein“ und fragt letztlich, ob Christus Gott ist. Ratzinger kommentiert das wie folgt: Der Kern der Sabbat-Streitigkeiten ist die Fra­ge nach dem Menschensohn, die Frage nach Jesus Christus selbst.

Zusammenfassung
Jesus tritt mit einem Selbstanspruch auf, der göttlich ist. Es gibt kein Christentum ,light“, das Jesus als netten Sozialreformer oder klugen Weisheitslehrer sieht. Man kann sich wie Neusner erschreckt von dem Anspruch Christi abwenden, oder aber ihn ernst nehmen und ihn zum Mit­telpunkt seines Lebens machen. Tertia non datur. (Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.)