Am 4. November 1956 wurde die Kirche St. Konrad eingeweiht. Alle Gläubigen und Kirchenbesucher waren während der Messe beeindruckt von der wunderbaren Glaswand im Altarraum (siehe hierzu „Die Fenster von St. Konrad“). Wenn die Sonne durch die schönen Glasfenster in der Apsis schien, erstrahlte der gesamte Altarraum in prächtigem Licht. So war es auch vom Schöpfer der großen Glaswand, Professor Albert Burkart, erdacht und ausgeführt worden.
So schön diese geradezu mystische Atmosphäre über das gesamte Kirchenjahr hinweg sein mochte, so unpassend fanden die damals Verantwortlichen den vor allem bei Sonnenschein in der Buß- und Fastenzeit bewirkten fröhlich-festlichen Rahmen, der durch die kräftigen Farben hervorgerufen wurde. Der Schöpfer der prachtvollen Glasfenster in der Apsis, Professor Albert Burkart, selbst war es, der sich deshalb schon Anfang 1957 an den damaligen Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Dr. Eugen Polz mit der Idee eines so genannten „Hungertuchs“ wandte, um während der Fastenzeit die Fülle des Lichts durch die Glaswand zu dämpfen. Er knüpfte damit an den alten kirchlichen Brauch an, in der Fastenzeit die Glasfenster mit einem „Hungertuch“ zu verhängen.
Heinz Graf, der spätere Pfarrgemeinderatsvorsitzende, schildert, wie das „Hungertuch“ entstand: „Professor Burkart zeichnete die Entwürfe für die Motive des Tuchs. Die Ehefrau von Dr. Eugen Polz, dem damaligen Pfarrgemeinderatsvorsitzenden, Ria Polz, erklärte sich bereit, die Entwürfe von Professor Burkart für das Hungertuch ins Werk zu setzen. Sie besorgte sich mit ihrer Schwägerin, Frau Tora Polz, das notwendige Material und koordinierte die Arbeit, die Entwürfe auf die riesigen Stoff-Flächen zu übertragen, ausschließlich mit ehrenamtlich tätigen Leuten aus der Pfarrei. Zum Glück war unsere Familie gerade in eine neue Wohnung gezogen. Die Wohnzimmereinrichtung war noch nicht da. So wurde die leere Stube zum Schneider- und Sticker-Atelier umgestaltet.“ Tora Polz: „Der Aubinger Kunstmaler Rudi Seitz, später Professor an der Kunsthochschule und Präsident der Münchner Kunstakademie, hat die Figuren dann auf große Stoffteile gezeichnet und wir von der „Jungen Mannschaft“ haben sie gestickt und genäht. In der „Jungen Mannschaft“ hatte sich die Jugend aus den Jahren vor dem Krieg unter Leitung von Toni Böck zusammengeschlossen.“ Weiter Heinz Graf: „Etwa zehn Frauen arbeiteten Tag für Tag, um die Linien auszusticken und die Stoffbahnen zusammenzunähen. Die gemeinsame Arbeit dauerte gut acht Wochen. Am Ende maß das Hungertuch fast 70 Quadratmeter.“
Die Gesichter der darauf abgebildeten Personen und des Opferlamms stickte Erika Schäfer, Kunstgewerblerin. Die bestickten Teile nähte Hilde Graf, die Ehefrau des späteren Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Heinz Graf, zusammen.
Noch einmal Heinz Graf: „Es war eine große Freude, besonders für die beteiligten Frauen, als ihr Hungertuch am Aschermittwoch 1957 zum ersten Mal hinter dem Altar aufgehängt wurde. Dabei zeigte sich, dass das Tuch nicht dicht genug war, so dass bei Sonnenschein die Farben des Glasfensters durchschimmerten.“ Bis zur Fastenzeit 1958 unterfütterte Frau Marianne Polz das riesige Tuch mit weißem Stoff. Seit dem beherrscht es mit seiner strengen Symbolik und seinen gedämpften Farben in der Fastenzeit unsere Kirche. Es ist heute aus unserer Gemeinde nicht mehr wegzudenken. Heinz Graf: „Nur der Meßner hat Angst vor dem Aschermittwoch und dem Karsamstag, weil das Aufziehen und Ablassen des schweren Tuchs schon eines ganzen Mannes Kraft erfordert!“