– Predigtgedanken von Pfarrer Monsignore Eichinger –
In dem Büchlein von Carmen de Gasztold mit dem Titel »Gebete aus der Arche« hat die Verfasserin einzelnen Tieren amüsante, aber auch sehr nachdenkenswerte Gebete in den Mund gelegt. Der Hahn spricht folgen-des Gebet:
»Vergiss nicht, Herr, ich lasse die Sonne aufgehen! Ich bin Dein Diener ... Aber die Würde meiner Rolle Zwingt mich zu einigem Prunk und Staat. Adel verpflichtet ... Trotz alledem, ich bin Dein Diener ... Vergiss nicht, Herr, ich lasse die Sonne aufgehen! Amen.«
Selbstüberschätzung, Anmaßung, Stolz, Eitelkeit ... »Tugenden« – oder besser - »Untugenden«, die wir bei unseren Mitmenschen sofort erken-nen...
Der Hl. Petrus und dieser Hahn passen gut zusammen. Selbstsicher tritt Petrus auf: Wenn alle Jesus im Stich lassen ... er nicht! Lieber will er mit Jesus sterben als ihn verraten! Wie rasch hatte sich diese starke Rede des Petrus als leeres Gerede erwiesen.
Ich denke, es wäre wert, darüber nachzudenken: Was habe ich nicht schon alles versprochen ... und dann doch nicht gehalten? Wir sollten uns die Zeit nehmen – nicht jetzt, sondern in einer ruhigen Minute.
Der hl. Vitus wird auch mit einem Hahn dargestellt. Aber er hat – wie die Legenden schildern – Jesus nicht verleugnet, wie Petrus es getan hat. Vi-tus hat sich auch nicht selbst überschätzt. Der Hahn beim hl. Vitus muss eine andere Bedeutung haben. Aber welche?
Dem Hahn (lat. Gallus) werden bei allen Völkern Europas her-vorstechende männliche Eigen-schaften zuerkannt: die scharfen Sporen, der stolze Gang, das prächtige Gefieder, das hoch erhobene Haupt, die frühmor-gendliche Pünktlichkeit, die Ge-walt seiner Stimme, der schwel-lende Zorn, die Herrschaft über das Hühnervolk, die Kampfeslust und Tapferkeit.
Warum der Hahn so laut schrei-en, besser krähen darf, erklären die Katalanen damit, dass er nach der Geburt Jesu als erster die freudige Nachricht unter den Tieren verbreitet hat. Jesus ver-lieh ihm dann für seine Herolds-dienste das Recht, so laut zu krähen.
Der Hahn ist das Symbol für Frankreich, ja die Personifikation der Franzo-sen. Auch die Portugiesen, die »portogalli«, bringen den Namen ihres Landes in Zusammenhang mit dem Hahn.
Im Griechischen heißt der Hahn alektor (von alexo = abwehren, verteidi-gen); der Hahn symbolisiert die Tugend der Tapferkeit.
In Zeiten als die Menschen noch keine Uhren hatten, kündigte der Hahn mit seinem Schrei den Tag an. Er hat zwischen Tag und Nacht, zwischen Arbeitszeit und Schlaf unterschieden.
Für die alten Germanen war er deshalb Grenzwächter ins Jenseits.
Die Wachsamkeit des Hahns war sprichwörtlich. Seit der Romanik werden sog. »Wetterhähne« auf den Dächern angebracht. Ihre Wachsamkeit sollte alles Böse von Haus und Menschen abhalten, besonders das dem Hahn symbolisch nahestehende Feuer. Feuer wird als »roter Hahn« bezeichnet – in Anspielung auf die rötlichen Federn des Hahns.
Aus diesen Hinweisen ergibt sich nun die Bedeutung des Hahns als Zeichen des hl. Vitus von selbst:
- Jesus mahnt anhand vieler Gleichnisse, wachsam zu sein: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr (der verreist ist, wieder-)kommt", (oder bei den »klugen und törichten Jung-frauen«: wann der Bräutigam kommt) „ob am Abend oder um Mit-ternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen". Symboli-sche Bedeutung des Hahnes: Der Hahn, der selber Wächter ist, er-innert uns Christen an die Mahnung Jesu, wachsam zu sein.
- Eines der schönsten Symbole für Christus ist das Licht. In den Nachtgottesdiensten, besonders in der Osternacht wird diese Lichtsymbolik erfahrbar. Am Osterfeuer wird die Osterkerze ange-zündet und mit dem dreifachen Ruf »Christus, das Licht« in die dunkle Kirche getragen. Das Dunkel der Hoffnungslosigkeit wird durch das Licht des auferstandenen Christus vertrieben. Symboli-sche Bedeutung des Hahnes: er kündigt mit seinem Schrei nicht den neuen Tag, sondern das wahre Licht, also Christus, an.
- Der Schlaf wird seit alters als Bruder des Todes gesehen, er symbo-lisiert auch den Tod. Die symbolische Bedeutung besteht hier da-rin: Der Hahn, der die Menschen aus dem Schlaf holt, überwindet durch seinen Weckruf symbolisch den Todesschlaf; der Hahnen-schrei symbolisiert die Auferstehung.
Der Schrei des Hahns erinnert an das eigene Versagen: Im Evangelium haben wir von Petrus gehört: Er erkannte sein Versagen und wurde da-durch ein anderer Mensch. Der Hahn symbolisiert hier: Einsicht und Um-kehr - Der hl. Vitus war wachsam, er hat auf die frohe Botschaft vertraut und sich nicht von ihr abbringen lassen.
• Der hl. Vitus war was wir heute eine »Lichtgestalt« nennen. Er hat durch sein Leben und sein gewaltsames Sterben viele Menschen beeindruckt und Christus, das wahre Licht, verkündet. - Der hl. Vitus (sein Name bedeutet »Leben«) hat selbst den Todes-schlaf überwunden, er ist auferstanden und bei Christus im Himmel