Pfarrkirche St. Martin Geisenhausen
In einer Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte, in einem Jahrhundert, das das Straßburger Münster, den Wiener Stephansdom und das Ulmer Münster entstehen ließ, in der Zeit der „reichen Herzöge“ von Landshut (1475 heiratete der Wittelsbacher Georg der Reiche die polnische Königstochter Hedwig), in einer Epoche voller Glaubenseifer und Religiosität bauten sich die Bürger von Geisenhausen ihre großräumige, dreischiffige, gewölbte, gotische Hallenkirche.
Dieser stattliche Backsteinbau weist enge Beziehungen zur Landshuter Gotik des 15. Jahrhundert auf.
Die Kirchenverwaltung ließ angeblich zu diesem Zweck an der Nordseite des Marktes einen Ziegelstadel erstellen, der dann im Jahr 1610 an die Marktgemeinde überging. Dort wurden seinerzeit die Ziegel für den Bau der Pfarrkirche gebrannt.
Eine eingravierte Jahreszahl 1477 (jetzt an der Westseite der Kirche) nennt wohl den Baubeginn. In dieser Zeit waren die Herren Sebastian Symon (1473) und Johann Schystler (1477) Pfarrer in Geisenhausen. Ein Ablassbrief vom 12. Februar 1451 durch Kardinal Astorius für die Pfarrkirche hat die materiellen Grundvoraussetzungen für einen Neubau geschaffen. Der Baumeister ist unbekannt.
Erst in unserer Generation haben neugierige Buben mit Ferngläsern in einer Höhe von 45m am südwestlichen Zierturm der Pfarrkirche eine Kopfplastik von etwa 24cm entdeckt. Der Kopf war organisch in dem Turm eingemauert. Am Scheitelansatz fand man in gotischen Ziffern die Jahreszahl 1482 oder 1487 eingeritzt. Bei der damals üblichen Kirchenbauweise erscheint dieser Zeitraum von Baubeginn bis zu Vollendung des Turmes wahrscheinlich.
Erst zur 500 Jahrfeier (1977) wurde beim Bau der neuen Zifferblätter die Plastik heruntergenommen und im Kircheninnern über dem Haupteingang eingemauert.
Am 6. Juni 1516 hat Papst Leo X. einen erneuten Ablassbrief zum Zwecke der Verschönerung der Kirche St. Martin in Geisenhausen (besonders für die Innenausstattung und Anschaffung von liturgischen Büchern, Kelchen und Leuchtern) gewährt. Von dieser ursprünglich gotischen Innenausstattung ist heut noch der Taufstein erhalten und der reitende St. Martin, den Pfarrer Vordermayer um 1880 von Heinerbauern in Albanstetten zurückgekauft hat. Johannes und Maria unterm Kreuz (vor dem Sakristeieingang) stammen ebenfalls aus dieser Zeit – jedoch von einem anderen Meister. Diese hat Pfarrer Vordermayer vom Zimmerermeister Grandinger in Vilsbiburg zurückgekauft. Die Figuren waren wohl beim Umbau der Kirche in Privathand gekommen.
Im Jahr 1547 verwüstete ein Brand fast den ganzen Markt Geisenhausen. Ihm fielen auch der Kichturm und der Pfarrhof zum Opfer.
Am 1. Juni 1605 verkaufte das Domstift von Augsburg „die armen Leute“ von Geisenhausen samt Pfarreirechten an das neugegründete Kollegiatstift St. Martin und Kastulus in Landshut um 17000 Gulden. So gehörte Geisenhausen von 1605 bis 1803 (Säkularisation) kirchlich zu Landshut, nachdem es 623 Jahre lang zum Domstift Augsburg gehörte (982 bis 1605).
Von 1685 bis 1706 wird Kaspar Graßhauser als Pfarrer von Geisenhausen genannt. Er hatte kein Verständnis für die Gotik. So veränderte er die Kirchenfenster durch Rundbögen, entfernte die gotischen Altäre und ließ 1688 einen neuen Altar um 800 Gulden mit übermenschlich großen Figuren anschaffen. Es handelte sich hier wohl dem Zeitgeist entsprechend um eine barocke Umgestaltung der Kirche. Das große Triumphkreuz oben am Chorbogen, 6 silbergetriebene große Altarleuchter, einige Kelche, eine Monstranz, und ein Kreuzpartikel, blieben uns aus dieser Zeit noch erhalten.
Pfarrer Vordermayer (1852 bis 1870) wollte in der Pfarrkirche die Gotik wieder herstellen, konnte sie aber dem Stil der Zeit entsprechend nur neugotisch restaurieren. Er stellte in den Fenstern die Spitzbögen mit Stab und Maßwerk wieder her und errichtete vier neue Altäre, eine Kanzel, fünf Beichtstühle, kaufte einen gemalten Kreuzweg und ließ die Orgel neugotisch verkleiden. Im Hochaltar wurden der Heilige Martin als Bischof und die Heiligen Georg und Florian aufgestellt. Erzbischof Gregor Scherr weihte im Jahre 1863 fünf neue Glocken.
Pfarrer Jakob Präg (1898 bis 1923) war ein strenger, aber auch guter und wohltätiger Mann. Er erweiterte 1901 den Pfarrfriedhof an der Nordseite der Kirche und restaurierte die Pfarrkirche. Dabei wurden im Hauptschiff in den Fenstern die „leiblichen Werke der Barmherzigkeit“ dargestellt. Das erste Fenster „Hungrige speisen“ stiftete 1898 der bekannte Michael Zehentbauer, ehemaliger Vöglmeierbauer von Salksdorf.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden vier Glocken vom Turm der Pfarrkirche genommen, um sie für den Krieg einzuschmelzen und daraus Munition herzustellen. Bereits am 24. Mai 1950 konnten vier neue Glocken der Pfarrkirche geweiht werden. Es sind dies die Martinsglocke (50 Zentner), die Muttergottesglocke (35 Zentner), die Sebastianglocke (24 Zentner) und die Glocke Hl. Bruder Konrad und Muttergottesglocke von Altötting (16 Zentner).
Nur die Totenglocke, die dem Hl. Erasmus geweiht ist (6 Zentner) stammte noch vom Geläut aus dem Jahre 1863.
Pfarrer Karl Zielbauer (1964 bis 1974) ließ an den Kirchen der Pfarrei weitere Sanierungsmaßnahmen vornehmen. Besonders wichtig war ihm die Pfarrkirche. Er war der klassische Pfarrer des Zweiten Vatikanischen Konzils. So wurde der Mittelgang geschlossen und die Kirche mit neuem Gestühl ausgestattet. Die Seitenaltäre und auch die Kanzel wurden aus der Kirche genommen.
Die Pfarrei beauftragte das Künstlerehepaar Karl und Marlene Riedel aus Obergangkofen, den Chorraum neu zu gestalten. Bereits am Martinsfest 1967 konnte Kardinal Julius Döpfner den von Karl Reidel gestalteten Altar weihen. Der Volksaltar, Ambo und Tabernakel sind aus Bronze gegossen, die Chorfenster leuchten in intensiven Farben. Pfarrer Johann Weindl (seit 1974 bis 2012) führte die Ausgestaltung der Pfarrkirche weiter: Lautsprecheranlage 1975, Madonna von S. Moroder 1977, Martinsaltar 1977, Apostelleuchter und Kreuzweg von Anton Rückel 1979, Orgelumgestaltung 1980, Fastentuch 1981. Abschluss der Renovierungsarbeiten an der Pfarrkirche, anlässlich der Jahrtausendfeier des Marktes im Jahre 1982.
Große Sanierungsmaßnahmen waren in den 80er Jahren und Anfang 1990 auch für den Kirchturm nötig. So wurde die Kirchturmspitze mit Kupfer beschlagen (Kirchturmhöhe 64m, mit Kreuz 68m) und die Pfarrkirche erhielt ein neues Dach (Ziegel anstelle von Schiefer). Zum Abschluss aller Renovierungsarbeiten wurde 1993 das siebte Fenster der „Werke der Barmherzigkeit“ neu verglast. Es zeigt den Kirchenpatron St. Martin, wie er mit einem frierenden Bettler seinen Mantel teilt.
Ein Kranz von Filialkirchen und Nebenkirchen umgibt den Markt mit:
St. Theobald in Geisenhausen, Mariä Himmelfahrt in Feldkirchen, St. Georg in Vils, St. Michael in Salksdorf, St. Maria in der Klause und St. Kastulus in Eiselsdorf.
Quellen und Literatur:
M. Steinberger, Die Pfarrei Geisenhausen, 1891
A. Baur, Kleine Bayr. Kirchengeschichte, 1964
H. Blei Brunner, Der Landkreis Vilsbiburg, 1966
J. Weindl – 1000 Jahre Heimat und Lebensraum, 1984
Bilder Josef Sirtl