* 06.01.1930 in Eichelberg, Baden-Württemberg
+ 19.09.2016 in Garmisch, Krankenhaus
Sr. Sigmunda, von „ihren“ Kindern in Ecuador liebevoll Madresita (= Kosename für Mutter) genannt, ist am Donnerstag, 22. September 2016 auf dem Schlehdorfer Friedhof, direkt unter dem großen Kreuz der Missions-Dominikanerinnen, beerdigt worden.
Wir kennen sie aus vielen Begegnungen am Petersberg, wo sie 1967 bis 1970 als Kursleiterin und davor als Kindergartenleiterin tätig ist. Danach gestaltet und erstellt sie als Referentin von Missio, München, fünf Jahre lang Unterrichtsmaterial und vor allem Tonbild-Reihen, besucht Schulen, Pfarreien und Gruppen – auch bei uns - , um Kindern den Gedanken der Einen Welt nahe zu bringen.
1976 reist sie nach Ecuador aus und erstellt dort im Auftrag der Bischofskonferenz wieder Materialien und Dia-Reihen für die dortige Seelsorgearbeit. Und hier begegnet sie der großen Not vor allem der Straßenkinder und Schuhputzerbuben. Für die Schuhputzer richtet sie in einem Schuppen der Salesianer Möglichkeiten zum Waschen, Duschen, Lernen, auch Übernachten und Essen ein; dieses einfache Gebäude muss jedoch nach zwei Jahren wieder schließen, da die Salesianer das Grundstück für ein Kinderheim benötigen.
1980 bekommt Sigmunda im Süden Quitos ein Grundstück von 1.500 qm geschenkt; sofort plant sie den Bau eines Kinderheimes, dem sie den Namen „Hogar Santa Lucia“ gibt, nach dem Vornamen der Stifterin. Mit Unterstützung der Ehemaligengemeinschaft Petersberg, des Pfarrverbands Erdweg und vieler anderer Spender hier in Deutschland wagt sie sich an den Neubau, der ab 1981 – noch fast im Rohbau – wie ein SOS-Kinderdorf geführt wird mit Gruppenmüttern.
Als wir sie im August 1982 besuchen, schreibe ich in mein Tagebuch: „Sr.
Sigmunda: viele Nächte verbringt sie am Bett kranker Kinder, dann der fünf Monate alte José, der öfters in der Nacht Nahrung braucht. Dazu all die Sorgen mit dem Haus. Die Böden müssen wieder heraus, Wasserleitungen neu verlegt, vor allem alles isoliert werden (und das bei einem deutschen Architekten!). Sigmunda erzählt über die Schicksale ihrer bisher 13 Schützlinge, die kein Waisenhaus aufnimmt, da sie noch irgendwo einen Angehörigen haben, wenn auch vielleicht im Gefängnis oder als Prostituierte auf der Straße. Praktisch besuchen wir Sigmunda auf einer Riesen-Baustelle. Eine Lehrerin, eine Praktikantin und eine Zugehfrau helfen ihr bei der Arbeit. Am Wochenende ist sie allein. Die meist schwer misshandelten Kinder sind so fröhlich, spielen mit uns, gefragt sind unsere Männer aus der Besuchergruppe, auch als caballo (Pferd).“
In den Rundbriefen – die wir im Pfarrbrief abdrucken – erzählt Sigmunda bewegende Geschichten, wie die Kinder zu ihr in den Hogar kommen, das mühsame Besorgen von Geburtsurkunden, über das bisherige Leben der Kinder und auch die Situation und das kirchliche und politische Leben in Ecuador.
Nach Jahren werden aus Kindern Jugendliche, der Hogar wird zu klein und ab 1993 von einheimischen Schwestern betreut (und 2003 von diesen übernommen – ist jedoch weiterhin auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen). Sr. Sigmunda zieht mit einigen Jugendlichen in das Regenbogenhaus, die Casa Arco Iris.
In Ecuador gibt es kaum Einrichtungen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen: geistig und körperlich behindert, Autisten. Unter Federführung von Padre José Carollo, mit dem Sr. Sigmunda eng zusammen arbeitet – vor allem immer wieder Geld-Quellen „erschließt“ – entsteht das Tagesheim El Niño in Amaguaña mit 9 Klein-Bungalows mit Musik-, Bewegungs-, Pferde-Therapie, Kind gerechtem Unterricht, ärztlicher Versorgung, Begleitung der Eltern, und vielem mehr.
Eine weitere Unterstützung lässt Sr. Sigmunda Krankenhäusern zukommen, die damit Arme, Obdachlose … unentgeltlich behandeln können.
Auf Anraten ihrer Oberin geht Sr. Sigmunda 2008 mit 78 Jahren nach 32 Jahren in Ecuador zurück in das Kloster Schlehdorf; - was für ein Abschied in den verschiedenen Einrichtungen und am Flughafen!
Auch von Schlehdorf aus ist sie noch gesuchte Ansprechpartnerin für „ihre“ Kinder und
Jugendlichen und die Projekte in Ecuador, macht Mut, kümmert sich um die Spenden-
Weiterleitung, schreibt die Rundbriefe an die Förderer, usw. In diese Aufgaben ist in den letzten Jahren Hertha Stigler, frühere Missio-Mitarbeiterin und dem Petersberg sehr verbunden, immer mehr hineingewachsen. Sie wird nun verschiedene Dienste – zusammen auch mit der Stiftung Tierra Nueva (= neue Erde) - und anderen Verantwortlichen weiterführen.
Erinnern Sie sich?
Die Jugendlichen aus der Casa Arco Iris werden 1997 zusammen mit Sr. Sigmunda zur
Eröffnung der Sternsinger-Aktion nach Deutschland eingeladen; sie besuchen auch den Pfarrverband Erdweg zusammen mit der Petersberg-Gemeinschaft. Es wird ein so einmaliges Fest im überfüllten Pfarrzentrum. Und einige Jahre später anlässlich ihres Professjubiläums berichtet Sr. Sigmunda bei einem Gottesdienst am Petersberg über ihre Arbeit in Ecuador.
Damals hält sie einen Bleistiftstumpen in der Hand, denn so betrachtet sie sich: als Bleistift Gottes, der sich mehr und mehr verbraucht.
2009 predigt sie bei der Sternwallfahrt am Petersberg und steht anschließend für Gespräche und Informationen bereit.
Nun darf sie in Gottes Frieden ruhen.
Was bleibt?
Ein dankbares Gedenken an eine wunderbare, engagierte, aus dem Glauben lebende Frau, die uns das Partnerland der Münchner Diözese Ecuador mit all seiner Schönheit, seinem Reichtum und seinen vielen Nöten ans Herz legt.
Text: Anneliese Bayer
Fotos: Alfred Bayer