Pfarrverband Am Tachinger See

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Die Glocken von Mariae Himmelfahrt in Burg

In dem Dorf Burg hatten die mächtigen Grafen von Tengling um die Mitte des 11. Jahrhunderts eine weitläufige Burg errichten lassen. Als sie um 1120 ihren Sitz aufgegeben und nach Burghausen verlagert hatten, verfiel die Burg allmählich. Vermutlich gab es schon zur Entstehungszeit der Burg eine Kapelle; im Jahr 1213 wird in einer päpstlichen Urkunde die "ecclesia sancte Marie in Tenglingen … capella cum pertinentiis suis" (Kirche zur Hl. Maria in Tengling . . . Kapelle mit Grund) als Besitz des Klosters Michaelbeuern, des Hausklosters der Tenglinger Grafen, bestätigt.

Die Herrschaftsrechte über die Kirche zu Burg gingen wie diejenigen in Tengling in der 1. Hälfte des 13. Jhdts. vom Stift Michaelbeuern an die Familie der Törringer über, die von 1328 bis zur Revolution von 1848 Herren der Vereinigten Hofmark Törring - Tengling waren. Das Gotteshaus in Burg jedoch lag außerhalb des Hofmarksbezirks und gehörte von 1818 bis 1834 zur Gemeinde Törring. Erst 1864 kam es zur neugebildeten Gemeinde Tengling.

Maria Burg bildete früher einen umfangreichen Kirchenbezirk, der neben Tengling auch Teile der heutigen Gemeinden Taching und Palling umfasste. Viele umliegende Ortschaften feierten bis ins 19. Jahrhundert hinein in Burg das Kirchweihfest und ließen bei Sterbefällen den Burger Mesner die Totenglocke läuten; als Belohnung lieferten sie ihm alljährlich eine bestimmte Zahl von "Läutgarben" (Getreidegarben) ab. Der Mesner lebte in dem seit 1660 als Burger Mesnerei (alte Hausnummer 65) bekannten Haus, das zum Eigentum der Burger Kirche gehörte; es ist bis heute unter dem Namen „Hörmannhaus“ bekannt.

Die enge Verbindung zur Burger Kirche betraf alle Hausbesitzer im Vikariat Tengling. Aus der Pfarrei Taching gehörten dazu Bromberg, Einöd, Hörgassing, Limberg, Mauerham, Mollstätten, Pertenham, Salling, Schönhofen, Schröckenbauer, Sicharting und Weitgassing; aus der Pfarrei Palling Hehenberg, Lampertsham, Mitterroidham, Reitmayr, Schwank und Unterroidham. Die Burger Sterbeglocke läutete darüber hinaus für Assing, Buchberg, Eging, Grendach, Gröben, Haunerting, Hirschpoint, Moosmühl und Obertaching.

Sicherlich besaß die Marienkapelle in Burg bereits Glocken. Dem verheerenden Brand am 17. Mai 1532 fielen auch sie zum Opfer. Im Jahr 1860  fand man beim Abbruch eines Gewölbes im Turm Reste der geschmolzenen Glocken, ebenso 1881 beim Ausgraben der Fundamente des neuen Portals. Pfarrvikar Ertl berichtet im Jahr 1900: „Aus den Resten wurde ein Glöcklein gegossen, welches als Messglöcklein gebraucht werden sollte, aber für diesen Zweck zu klein ausfiel, weshalb es an den Steinberger in Gessenhausen für 216 Mark als Dachglocke verkauft wurde“. Sie wog 16 Pfund und wurde vom damaligen Erzbischof Antonius von Thoma geweiht. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank entspricht 1 Mark einem Gegenwert von etwa 7,3 €.

Die seit 1532 neu errichtete spätgotische Marienkirche wurde nach dem Brand neu ausgestattet. Die größere der beiden Glocken trägt die Jahreszahl 1534. Sie ist in as´ gestimmt, wiegt ca. 1300 Pfund und hatte um 1900 einen Wert von etwa 2250 Mark (≙ etwa 16.500 €). Die Inschrift lautet: o + maria + orate + pro + nobis + mdxxxiv + hanns + schuhpeck + purger + zu + purck + hausen (O Maria bittet(!) für uns 1534 Hanns Schuhpeck Bürger zu Burghausen). Als Bild zeigt sie die Madonna mit dem göttlichen Kind.
Die kleinere Glocke ist in c´´ gestimmt, wiegt ca. 800 Pfund und hat um 1900 einen Wert von etwa 1450 Mark (≙ etwa 10.500 €). Sie trägt keine Inschrift und kein Bild.

Über die Jahrhunderte hindurch leisteten die Glocken in der vielbesuchten Wallfahrtskirche ihren Dienst. Sie erklangen, wenn besonders im 17. und 18. Jahrhundert die „Frauenfeste“ zum Patrozinium mit Pilgern aus den umliegenden Pfarreien Waging, Palling, Törring und Tettenhausen, aber auch aus Ostermiething und Tarsdorf begangen wurden.

Erst in den Kriegen des 20. Jahrhunderts wurden die wertvollen Glocken aus Bronze ein Objekt der staatlichen Begehrlichkeit. Im Ersten Weltkrieg verordnete das Deutsche Reich seit März 1917 die Ablieferung von Glocken, die nach 1860 gegossen worden waren. So blieben die alten Burger Glocken unangetastet.

Im Dritten Reich wurde im Frühjahr 1940 mit Aufrufen zu Metallspenden und mit der Erfassung der bronzenen Kirchenglocken begonnen. Weil die Nationalsozialisten zu Recht die heftige Ablehnung der Bevölkerung befürchteten, sollte mit der Beschlagnahmung der Kirchenglocken erst in den besetzten Gebieten im Westen begonnen werden; dabei gab es erbitterten Widerstand der Bevölkerung.  

Infolge des Metallmangels, der sich nach dem Überfall auf die Sowjetunion und wegen der geplanten Kriegserklärung gegen die USA zeigte, gab Hitler im November 1941 den Befehl, die Glocken im Deutschen Reich abzuhängen. Um die Gläubigen nicht noch mehr zu provozieren, sollte jede Kirchengemeinde eine „Läuteglocke“ behalten dürfen; das musste aber die kleinste sein.

Die Glocken wurden in Kategorien eingeteilt. Glocken der Kategorien A und B mussten sofort abgegeben werden, C blieb bis auf weiteres auf Abruf im Turm; vor dem Einschmelzen geschützt wurden in der Kategorie D Glocken, die vor dem 18. Jahrhundert gegossen worden und historisch bedeutsam waren. Stahlglocken wurden nicht gebraucht.

Insgesamt wurden zwischen Ende 1941 und April 1942 aus dem gesamten Reich 102.000 Kirchenglocken konfisziert und auf „Glockenfriedhöfen“ gelagert, von denen der größte im Hamburger Hafen war. In Hüttenwerken wurden sie in Schmelzöfen in ihre Bestandteile Kupfer und Zinn getrennt. Damit gingen künstlerische Werte in unermesslichem Umfang verloren. Bei Kriegsende waren rund 15.000 Glocken noch nicht eingeschmolzen und konnten nach aufwendigen Recherchen wieder zurückgegeben werden, allerdings ohne Entschädigung.    

Zu diesen Vorgängen hat sich für Tengling eine wertvolle Quelle erhalten: In der „Chronik des Pfarrvikariats Tengling 1933-1946“ berichtet Pfarrvikar Joseph Kislinger unter dem Datum des 30. Dezembers 1941: „Nachricht vom Erzbischöflichen Ordinariat, dass wenigstens die große Glocke von Burg (1534) in Klasse D gekommen ist, d.h. nicht abgeliefert werden muss“. Am 24. Februar 1942 notiert er: „Es kommt die Nachricht, dass ab 25.2. die Glocken abgenommen werden.“ Anscheinend trat bei der Ablieferung eine Verzögerung ein, denn am 1. März 1942 heißt es „die Glocken sind noch auf dem Turm“, wobei wohl die Glocken in Tengling gemeint sind.

Der Eintrag vom 23. Mai 1942 besagt: „Heute wurde mir erzählt, gestern sei in Koloman eine Glocke abgenommen worden. In Burg hätte man auch einen Versuch gemacht, aber mangels des nötigen Werkzeugs wieder davon abgesehen. – Also der Pfarrer wird einfach gar nicht benachrichtigt! – Ich fuhr heute nach Wiesmühl und fand dort die Glocke von St. Koloman, ließ sie von zwei Männern herausheben und fotografierte sie. Es lagen viele Glocken dort von Fridolfing, Kay, Tittmoning, Asten, Kirchheim. Ein trauriger Anblick!“
Der Schlusspunkt ist der 10. Juni 1942. Unter diesem Datum heißt es: „Vormittags wird die 2. Glocke in Burg abgenommen, nachmittags die große und mittlere in Tengling. Ein trauriger Anblick! Um 12 Uhr wurde die große zum letzten Mal geläutet, dann noch alle zusammen.“

Es lässt sich nicht feststellen, ob die kleinere Glocke in Burg zurückgegeben wurde oder durch eine neue ersetzt wurde.

Da die Glocken in Burg noch nicht elektrifiziert sind, müssen sie von Hand geläutet werden. Sie erklingen deshalb nur vor den Gottesdiensten, bei der Wandlung und zum Wettersegen. Der Mesner läutet die Marienglocke auch bei der Taufe eines Kindes, wenn es in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wird. Bei einem Sterbefall in Burg und auf Wunsch von Angehörigen aus dem Tenglinger Pfarrsprengel wird die Totenglocke (kleine Glocke) geläutet.

Verfasst von Siegfried Müller für den Pfarrbrief für die Adventszeit 2022