Pfarrei Herz Jesu München

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Der Selige Winthir

Sel. Winthir
Nachweis: Barbara Gollwitzer
Der Selige Winthir in der Bavaria Sancta 

Die Bavaria Sancta zeigt quasi das Urbild des Seligen Winthir. Sie bietet aber auch inhaltliche Informationen über den Seligen.
Matthäus Rader (1561-1634) hat 1615 diese gewichtige bayrische Heiligengeschichte herausgegeben. In dem Werk hat der Sl. Winthir seinen Platz noch vor dem frühen Bayernmissionar, dem Hl. Emmeram, erhalten. Winthir als Erstverkünder des Evangeliums in Bayern, im 7. Jh.! Allerdings lässt sich diese Einordnung nicht halten.
 


Was Rader von Winhtir weiß, stützt sich ausschließlich auf die mündliche Überlieferung des Volkes. Sie besagt zum einen, dass der Selige Anfang des 8. Jahrhunderts aus der Fremde gekommen sei, sich in Neuhausen als Maultiertreiber seinen Lebens- unterhalt gesucht und sich zur Zeit der Ausbreitung der christlichen Lehre um des Evangeliums sehr verdient gemacht habe. Genauso besagt sie, dass er sich als frommer Pilger, in Neuhausen niedergelassen und hier arm gelebt habe, sich dem  Psalmengebet hingegeben und die Christenlehre bei den Bauern verkündet habe und treu das Gebet für Saaten und Herden gepflegt habe. Bald sei der Fromme im Raum zwischen Donau und Alpen auch durch Wundertaten berühmt geworden.
 
Wo die historische Quellenlage so gering ist, bildet sich naturgemäß viel Legende und viel Gutes und Frommes wird in die jeweilige Person hineinprojiziert. So gilt er u.a. als ein iro-schottischer Wandermönch; als ein Erstverkünder des Evangeliums in unserer Gegend; als Sohn eines christenfeindlichen irischen Grafen; als Jerusalempilger; als Aussteiger, der das Leben der feinen Gesellschaft hinter sich lassen wollte; als Gründer Neuhausens; als Einsiedler, der hier seine Eremitenklause bezog; als geschätzter Ratgeber und Tröster. Die Menschen verliehen ihm Titel wie: Glaubensbote, Apostel Neuhausens, Fürsprecher bei Gott, Schutzpatron und Wundertäter.
Ein Gedicht über den Seligen enthält ausschmückende Einzelheiten. Es stammt von Johann Gailkirchner [von dem Hofkanzler und Geheimen Rat Maximilians I.] und damit aus der Epoche der aufblühenden Barockliteratur in München. Es feiert Winthir in lateinischen Hexametern.
 
“Siehe, die sich bedrückt von übermächtiger Krankheit
Fühlten oder von irgendeiner anderen Trübsal,
Wie sie in hellen Haufen zur Zelle des Sehers liefen...
Oft wenn ihnen die Sprache fehlte, das Augenlicht, oder
Lahm an Füssen und Händen sie waren, vom Fieber geschüttelt,
Sah man bald sie geheilt zu ihren Hütten sich wenden –
Winthirs Gebete hatten den Zorn des Allmächt´gen besänftigt...
Alle sagen, solange der Gottgefällige lebte
Hierzuland und betend des Heiligtums Pforte bewachte,
Himmelskräften empfehlend das Wohl von Menschen und Tieren,
Habe kaum je Blitz und Schauer die Saaten geschädigt,
Selt nur jäher Sturm in die Kronen der Bäume gegriffen,
Seltener noch die üble Sucht und die brennende Räude
Rinderherden heimgesucht und die furchtsamen Schafe.“


Rezeption

1738 verfassten die Bauern von Neuhausen eine Schrift, in der sie angaben, dass der selige Winthir ihnen bei zahlreichen Krankheiten geholfen habe. Auch sei Neuhausen im Spanischen Erbfolgekrieg im Gegensatz zu Sendling verschont geblieben, weil die Bewohner beim seligen Winthir Zuflucht gesucht hätten.
Über Winthirs Grab entstand die Winthirkirche. Als infolge eines Unwetters 1931 große Teile davon einstürzten, ließ  Pfarrer Simon Irschl (1880–1978) Grabungen vornehmen, bei denen man 1932 unter dem Gotteshaus das Skelett eines groß gewachsenen Mannes zusammen mit einem Baumstumpf auffand. Diese Fundsituation stimmte mit der Überlieferung überein, die besagte, dass Winthir unter einer Linde begraben worden sei. Die aufgefundenen Gebeine werden seither als die des Seligen angesehen.
Bei der Kirche befindet sich der Winthirfriedhof, auf dem mehrere Prominente beigesetzt sind, u.a. der Priester Joseph Anton Sambuge, Erzieher König Ludwig I., der Journalist Sigi Sommer und Oskar von Miller, der Gründer des deutschen Museums.
Nach dem Seligen ist der Winthirplatz in Neuhausen benannt, ebenso die Winthirschule und mehrere Geschäfte. Am Winthirplatz steht bis heute die sogenannte Winthirsäule, die im 15. Jahrhundert zu seiner Ehre errichtet wurde.


Winthirtafel und Grabplatte

Als Ersatz der bei dem Schwedeneinfall 1632 zerstörten Mirakelbücher und Votivtafeln, hat man offenbar die Winthirtafel geschaffen. Raders “Bavaria Sancta“ bildet wiederum die Quelle für diesen Bericht in deutscher Sprache über “Wunderreiches Leben und Glorreichen Todt des Seligen Winthiri“, der sich ebenfalls in einen Prosa- und einen Gedichtteil gliedert und 1638 entstanden ist. Er wurde dekorativ geschrieben und beim Winthiraltar aufgehängt. 1723 hat man diese Tafel erneuert.
Nach diesem Text hätte der einstige Maultiertreiber und weltflüchtige Eremit in seiner Klause beim Neuhauser Kirchlein auch sein Grab gefunden. Da sich an dem Ort bald Wunder ereigneten, sollen die Gläubigen aus der Zelle des Seligen eine Kapelle gemacht haben, die allerdings 1597 einer Erweiterung der Neuhauser Kirche zum Opfer fiel. Historisch ist diese Zelle allerdings nicht haltbar.
“Als die Kirch gebrochen ab / Vor ein und vierzig Jahren,
Ist man über Winthiri Grab / Heraus mit der Maur gfahren.
Und da das Gottshauss weiter war / Wurd auf des Volks begehren
Neben dem Grab gesetzt ein Altar / Disen Patron zu Ehren.
Mit Wunderwerck in grosser Zahl / Kunnten die Bücher prangen,
Die mit der Kirch durch Feindseinfall / Laider im Rauch aufgegangen.
Es lassen sich die Gnaden hoch / Dannoch nit gar verschweigen
Zumahlen heut bei Leben noch / Dessen lebendig Zeugen.


Fazit - Schluss

Wir wissen letztlich nicht, woher er gekommen ist und wann Winthir genau gelebt haben soll. Doch gibt es keinen Zweifel daran, dass es in Neuhausen schon früh eine tiefe und innige Winthirverehrung gegeben hat; und dass bereits im 11. und 12. Jh. Kinder auf den Namen des bekannten Seligen getauft wurden.
Auch der Nachricht Raders darf Glauben geschenkt werden, er habe “mit Lasttieren seinen Lebensunterhalt gesucht“, sei also etwas ähnliches wie ein Säumer gewesen.
Die beiden ältesten schriftlichen Aufzeichnungen beweisen zwar nichts mit letzter Sicherheit vom Seligen Winthir. Sicher ist, dass es seit alters her in Neuhausen eine Winthirverehrung gibt. Am 29. Dezember wird mit einer Hl. Messe seiner gedacht. Und beim Geläut der neuen, modernen Herz-Jesu-Kirche (21. Jh.) stimmt heute eine Winthir-Glocke mit ein.
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