Aus: Alexander Schöppner, Bayrische Sagen, erster Band, Weltbild Verlag 1990
Albertus Magnus war schon früh in den Orden des heiligen Dominikus getreten, aber es dauerte nicht lange, da gefiel ihm das geistliche Leben nicht mehr, denn er meinte, dass es ihm an Kopf mangle, um die Tiefen der Gottesgelehrtheit zu ergründen, und darum beschloss er, aus dem Kloster zu entfliehen. Er setzte also eines Abends eine Leiter an die Gartenmauer, um da hinüberzusteigen und fortzulaufen; da aber sah er urplötzlich vier Frauen von gar ehrwürdigem Wesen vor sich stehen, davon stießen zwei ihn zu wiederholten Malen von der Leiter.
Er hatte aber das Klosterleben so satt, dass er trotzdem zum dritten Mal versuchte, die Leiter hinaufzusteigen; da fragte ihn die dritte der Frauen, warum er denn so schändlich weglaufen wollte. Albert sagte ihr, dass er zu dumm wäre, um zu studieren, und des Klosters darum überdrüssig wäre. Da sagte die dritte, dann tue er doch besser, statt zu fliehen, den Schutz und Beistand der Mutter Maria sich zu erflehen, die die vierte Frau wäre; und sie anderen drei wollten ihm bitten helfen.
Als Albert das hörte, war er wie herumgedreht, und er warf sich alsbald vor Maria nieder und klagte ihr sein Leid und bat sie, dass sie doch seine Dummheit von ihm nehmen möchte. Da fragte ihn Maria, welche Wissenschaften er denn am liebsten studieren wolle und ob er lieber die Weltweisheit oder die Gottesgelehrtheit hätte. Albert bedachte sich nicht lange und bat die Muttergottes, ihn zu einem tüchtigen Weltweisen zu machen.
Darauf sprach Maria: "Das soll dir geschehen; aber weil du Weltweisheit der Gottesgelehrtheit, die ich meinen Sohn hätte besser erkennen lassen, vorgezogen hast, so sollst du am Ende deines Lebens all deine Wissenschaft verlieren und wieder so dumm werden, wie du warst, und das soll sein drei Jahre vor deinem Tod."
Nachdem die Muttergottes das gesprochen hatte, verschwand sie mit den anderen Frauen, und Albert kehrte zum Kloster zurück, studierte und wurde bald der gelehrteste Mann der Welt, so dass man ihn den Großen hieß und der Papst ihn endlich gar zum Bischof machte. Er war so kunsterfahren, dass er eine Bildsäule machte, die sprechen konnte und sich bewegte wie ein lebendiger Mensch; Thomas von Aquin, sein Schüler, hat diese zerstört.
Als Albert endlich fühlte, dass die Jahre seiner Dummheit heranrückten, da erzählte er all seinen Schülern von der Erscheinung, die er gehabt hatte. Er wurde auch dümmer und einfältiger als ein Kind, trug das aber mit Geduld und Ergebenheit und verharrte getreulich in seinen religiösen Übungen bis zu seinem Tod. - Zu Köln in der Andreaskirche liegt er begraben.
Ein landfahrender Schuhmacher kam einmal nach Köln. Oftmals hatte er von dem großen Wunder sagen hören von Bruder Albert; er dachte nun bei sich: "Sollten all diese Dinge wahr sein, wie möchte' ich sie dann wohl erproben." Er kam mit seinem Schnappsack zu Bruder Alberts Wohnung und fragte dreist, wo Bruder Albert wäre. Der Knabe fragte ihn, was er wolle. Er sprach, er müsste Herrn Albert sehen und sprechen. Da ging der Knabe zu Albert und meldete ihm, ein Jüngling mit einem Schnappsack wolle ihn sprechen, und er glaube, er kenne ihn wohl.
"Geh hin und frage ihn, was er will, und lass ihn dir seine Botschaft künden, ich habe sogleich mein Werk getan."
Der Knabe tat so, aber der mit dem Schnappsack sprach: "Ich muss nun einmal mit dem Herrn selber sprechen; geht und sagt ihm das, und ich wolle nicht von hinnen scheiden, ehe ich ihn sah und sprach. Sollte ich euch mein Geheimnis sagen, warum ich hierher kam? Nein, ich sag's ihm selber, bei Gott!"
Da ging der Knabe und brachte Bruder Albert die Antwort, und dieser ließ den Jüngling vor sich kommen in seine Zelle und fragte ihn, was er wolle.
Der sprach: "Meister, ich habe nun schon manches seltsame Wort über euch reden hören von Gauklereien und Behändigkeit, und ich komme nun, euch zu bitten, dass ihr mir etwas von euren Künsten zeigt, damit ich dem Gerede glauben könne."
"Knabe, kamst du darum zu mir und wolltest du darum mich sprechen?" fragte Bruder Albert.
Der andere sprach: "Ja, sicherlich, und heute gehe ich nicht von euch, es sei denn, ihr hättet mir etwas von eurer Kunst sehen lassen."
Bruder Albert sprach freundlich: "Gib mir deinen Sack; ich will auch nicht, dass du von mir scheidest, ohne etwas von meiner Kunst gelernt zu haben." Der andere gab Albert den Sack, und der Meister steckte seine Hand hinein, zog sie wieder heraus und band den Sack fest zu, gab ihn dann dem Burschen zurück und sprach: "Nun geh schnell und ohne Weilen nach Hause, aber mach den Sack nicht auf, bis du zuhause bist, was auch geschehen möge. Wenn du ihn da öffnest, dann wirst du etwas schauen; bind ihn aber wieder fest zu und komm und sage mir, was du gesehen hast."
Darüber war der andere froh, und er schied von Bruder Albert. Als er eben das Stadttor von Köln im Rücken hatte, da hätte er doch gar zu gern gewusst, was in dem Sack war. Er setzte sich denn hin und knüpfte ihn auf, doch da sprangen zwei stämmige Kerle heraus, von jeder Seite einer, die trugen Leisten in der Hand und gingen dem Burschen brav zu Leibe je länger, je mehr und schlugen ihn so lange, bis er nicht mehr wusste, wo er war. Zuletzt bedachte er sich, dass Bruder Albert gesagt hatte, er müsse den Sack wieder zubinden; das tat er, und sogleich verschwanden die beiden, die ihn so jämmerlich geschlagen hatten.
Als er nun von ihnen erlöst war, da wagte er nicht weiterzugehen, sondern kehrte stracks wieder nach Köln zurück und zu Bruder Albert, dem erzählte er, wie es ihm ergangen war, und bat ihn auch mit vielen Worten, dass er den Sack doch machen möge, wie er zuvor gewesen war.
Da sprach Bruder Albert: "Ich will dich doch noch eine Kunst lehren, damit du noch mehr von meinen Künsten weißt."
Der Bursche rief aber in großer Angst: "Ach nein, edler Meister, ich bitte euch um nichts anderes, als dass ihr diese eine Kunst von mir nehmt; eure Künste drücken mich allzu stark. Ach, ich bitt euch, Herr, wollt ihr das, so will ich nimmermehr eure Kunst begehren; ich bin genug gestraft."
Da tat der Meister nach des Burschen Wunsch und entließ ihn, und der war gar erfreut darob. Als er aber nach Hause kam, da wagte er noch nicht den Sack selbst zu öffnen, sondern ließ einen anderen das tun, denn die Proben von Meister Alberts Kunst hatte er noch nicht vergessen; er vergaß sie auch nicht sein ganzes Leben lang.
Bruder Albert war wohl bekannt mit dem Papst. Es geschah aber, dass er mit diesem lustwandelte, und sie wollten in einem Schifflein auf der See fahren und nahmen nur wenige von des Papstes Dienern mit sich.
Nicht lange danach sah der Papst wohl sieben Schiffe mit Kriegsvolk, das war wohl geharnischt und wohl bewehrt. Der Papst begann zu verzagen, und das mochte er wohl mit Recht, denn sie umringten sein Schiff und kamen näher, um ihn zu fangen; von Sizilien waren sie, und Manfred (Kaiser Friedrichs II. Bastardsohn) hatte sie gesandt, weil der Papst Herrn Friedrich mit seinem Bannfluch belegt hatte; das wollten sie rächen an ihm und hatten alle Tritte des Papstes erspäht. Hätte Bruder Albert ihn nicht geschirmt, er wäre ihnen nicht entgangen. Große Angst befiel den Papst und alle, die mit ihm waren, nur nicht Bruder Albert.
"Ergebt euch", riefen die Feinde, "oder ihr seid des Todes!"
Der Papst sprach: "Was sollen wir tun, liebe Freunde? Ist keiner unter euch, der uns raten kann, wie wir entkommen mögen?"
Bruder Albert sprach: "Herr, ich könnt' uns wohl von ihnen befreien, aber es wäre gegen euer Gebot. Hätt' ich Urlaub hier, meine Kunst zu gebrauchen, sie sollten alle fliehen in Furcht und Angst."
Der Papst sprach: "Albert, tu das, ich gebe dir Urlaub dazu für nun und für dein ganzes Leben; tust du nichts Arges damit, dann absolviere ich dich von aller Sünde dabei."
Das hatte der Papst kaum gesagt, als die anderen flohen, wie wenn der Teufel sie gejagt hätte, so großer Schrecken überfiel sie; sie meinten, die ganze Welt wäre über sie hergefallen. So wurde der Papst gerettet durch Bruder Albert und kam ohne Schaden nach Rom. Bruder Albert hatte aber dadurch die Erlaubnis gewonnen, frei und ohne Sünde die Schwarze Kunst zu üben.