Innehalten in der Fußgängerzone

Bevor ich sterbe Körbchen
Bild: Stadtpastoral

Bevor ich sterbe, würde ich ...

Mit bunten Kreiden kann jeder den Satz vervollständigen, ein Bild dazu malen oder bereits bestehende Sätze kommentieren. Wenn die Tafeln voll sind, werden sie abgewischt, um wieder neu beschrieben werden zu können. Vorher werden Fotos gemacht.

Normalerweise kommen solche Gedanken nur an Knotenpunkten des Lebens auf. Bei diesem Projekt ist die Spannung zwischen dieser existenziellen Frage und der konsumorientierten Umgebung der Neuhauser Straße durchaus gewollt, auch eine Irritation der Passanten.
Der Sprecher der GCL-Gruppe, Hans-Georg Frank, Medizinprofessor in München: „Dieser „Stolperstein“ mitten in der Shopping-Meile möchte einen kurzen Moment des Nachdenkens provozieren.“ Es gehe darum, dass Leben allerorten und jederzeit – nicht erst dann, wenn der Tod schon fast im Terminkalender stehe – aus dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit mit Sinn erfüllt und gestaltet werden kann.
 
Bevor i. s. Bennofest
Bild: Klaus D. Wolf
Die Aktion lief beim Bennofest 2018. Sie fand in der Münchner Fußgängerzone in der Neuhauser Straße gegenüber dem Jagdmuseum statt. Falls jemand ein Gespräch suchte, standen dafür Ansprechpartner zur Verfügung – dies hatte sich bei früheren Veranstaltungen bewährt. Die Fotos der vollgeschriebenen Tafeln dienen einer späteren Ausstellung.

Die Künstlerin Candy Chang schuf das Original im Jahr 2011 an einem verlassenen Haus in New Orleans, nachdem sie einen geliebten Menschen verloren hatte. Ihr fiel auf, wie sehr Gespräche über den Tod vermieden werden. Um darüber ins Gespräch zu kommen, strich sie eine Hauswand mit schwarzer Tafelfarbe und schrieb darauf: „Before I die, I want to …“ Mehr nicht. Nach einem Tag war die Wand voll mit den Träumen und Gedanken der Passanten. „Before I die I want to … sing for millions, plant a tree, hold her one more time, see my daughter graduate, abandon all insecurities, be completely myself …“ Die Anonymität des öffentlichen Raums, so war sich die Künstlerin sicher, erlaubte es auch zurückhaltenden Menschen, ihre persönlichen Vorstellungen und Wünsche mit anderen zu teilen.

Womit Chang nicht gerechnet hatte, war die weltweite und anhaltende Resonanz. Innerhalb kurzer Zeit, nachdem sie die Fotos ihres Projekts veröffentlicht hatte, meldeten sich zahlreiche Menschen aus der ganzen Welt, die auch „Before I die“-Wände gestalten wollten. Seitdem wurden mehr als 3.000 Tafeln weltweit in mehr als 70 Ländern und in über 38 Sprachen aufgestellt und beschrieben. In Deutschland zum Beispiel in Berlin, Erfurt, Hamburg, Osnabrück, Bremen und Aachen. Das Projekt spricht Menschen auf der ganzen Welt an, ob in Sao Paulo, Bangkok, Lissabon oder Dubai. 

Es werden meist sehr ähnliche Wünsche und Träume aufgeschrieben. Von Menschen, die gar nicht so verschieden sind. Damit baut dieses Projekt auch Brücken zwischen den Kulturen.

Hans-Georg Frank steht gerne für weitere Fragen oder ein Interview zur Verfügung. Die GCL (Gemeinschaft Christlichen Lebens) ist eine weltweite geistliche Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche, die aus der Spiritualität des Ignatius von Loyola (dem Gründer des Jesuitenordens) lebt. Das Projekt „Bevor I die“ wird vom Fachbereich Stadtpastoral unterstützt.