Gewaltfreie Kommunikation ins Schulleben integrieren - Interview und Erfahrungsbericht mit Hildegund Etzelsbeck, GS HaslachWie können sich Methode und Haltung der wertschätzenden Kommunikation (n. M. Rosenberg) im Schulalltag auswirken, wenn sie nachhaltig und über einen längeren Zeitraum hinweg eingeführt und -geübt werden? Wie kann diese Implementierung ins Schuleben aussehen und worauf kommt es dabei an? Hildegund Etzelsbeck (Rl i.K.) hat über mehrere Jahre diesen Prozess im Rahmen ihrer schulpastoralen Arbeit an einer Grundschule in der Nähe von Traunstein begleitet und berichtet über ihre Erfahrungen.
Die Grundschule Haslach in der Nähe der Stadt Traunstein wird von ungefähr 200 Kindern besucht. Ihr Einzugsgebiet umfasst eher den Stadtrand, viele Eltern besitzen ein Eigenheim.
Neben dem Bemühen, eine gesunde und bewegungsfreudige Schule zu initiieren, in der auch Entspannungsübungen einen festen Platz haben, einigten sich Kollegium und Schulleitung auch auf die längerfristige Umsetzung des Konzeptes der Gewaltfreien Kommunikaton (GfK).
Um den Unterrichtsalltag zu entspannen und zu entlasten, setzte sich das Kollegium in den vergangenen Jahren dazu folgende Ziele:
- In allen Grundschulklassen soll ein wertschätzender, achtsamer Umgang miteinander gefördert und die Gesprächskultur verbessert werden.
- Grundschulkinder sollen begleitet werden, in einem sicheren Rahmen eigene Konfliktlösungen zu erproben. Ziel ist Versöhnung, ein versöhntes Miteinander.
- Unsere Kinder sollen lernen, wie Menschen miteinander in einer Weise kommunizieren können, die geeignet ist, die Beziehung zueinander zu stärken. In den Klassen soll freundlich und friedlich miteinander umgegangen werden.
Zur Umsetzung und den damit gemachten Erfahrungen, gibt H. Etzelsbeck im folgenden Gespräch Auskunft (Interview: W. Dinkel)
Um das Anliegen auch nachhaltig im Schulleben zu verankern braucht es sicher einen langen Atem. Welche Bedingungen des Gelingens haben sich im Laufe des Lernprozesses für Sie und die Kollegen/innen herauskristallisert? H.E.:Ein entscheidender Punkt ist die Unterstützung, das Wohlwollen und die aktive Teilnahme der Schulleitung sowie von größeren Teilen des Kollegiums. Die Lehrkräfte sollten sich dabei selbst als Lernende verstehen und auch die Bereitschaft dazu mitbringen, das ein oder andere Verhaltensmuster in der Lehrerrolle zu überdenken.
Ein weiterer Punkt, der Verbindlichkeit schaffte, war die Festschreibung des Projekts im Leitbild der Schule.
Mindestens genauso wichtig ist die konkrete Verankerung von entsprechenden Zeiten, bzw. Zeiträumen und Orten in Schulalltag und Jahresrhythmus. So werden z.B. die Pausenhelfer / Konfliktlotsen in GfK geschult.
Die Pausenhelfer müssen an der Pausenhelfer-Arbeitsgemeinschaft teilnehmen. Sie findet 14-tägig statt. Jeder Pausenhelfer/in hat in 2 Pausen pro Woche Dienst.
Der Themenpunkt GfK ist auch fester Bestandteil der Lehrer/innenkonferenz: Es werden Erfahrungen mit Klassen thematisiert, Fachliteratur und neues Material gezeigt, sowie über die Verwendung gesprochen, über Fortbildungen zum Thema wird informiert.
Auch die Eltern sollten nicht vergessen werden. Wir haben versucht, sie über ansprechende Elternabende soweit wie möglich ins Boot zu holen.
Wichtig ist auch das Bewusstsein, dass ein solcher Prozess Arbeit darstellt und Energie braucht, ebenso Zeit, Empathie und entsprechende Planung.
Umso mehr sollten die Erfolge dann auch wirklich gefeiert werden!
Ein kleiner Etat (ca 200,-€) für die notwendigen Anschaffungen sollte ebenfalls vorhanden sein.
Das Projekt wurde mit einem „Tag der Gemeinschaft“ für die ersten Klassen begonnen. Wie war dieser gestaltet? H.E.: Mit Hilfe von erzählenden, gestaltenden, spielerischen und musikalischen Elementen wurden die Klassen von Mitarbeiterinnen des Schulpastoralen Zentrums Traunstein in die vier Schritte (Beobachtung, Gefühle, Bedürfnis, Bitte) der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall B. Rosenberg eingeführt. Vertiefungsübungen zur Beobachtung wie der „Kamerablick“ oder die Begrüßung mit Körperteilen schulten eine Beobachtung ohne Bewertung. Im zweiten Schritt wurden die Kinder unterstützt, ihre eigenen Gefühle durch Körperhaltung und Mimik mit Hilfe von pantomimischen Übungen („Versteinern“ ihrer Gefühle) auszudrücken und den Aufbau eines eigenen „Gefühlswortschatzes“ zu beginnen. Mit Hilfe von „Bedürfnissteinen“ gingen die Schüler/innen auf eine Reise zu ihrer „Bauchschatzkiste“.
Was waren ihre Rolle und ihre Aufgaben als Religionslehrerin im Rahmen der Schulpastoral? H.E.: Mein eigenes Interesse und auch meine Neugier für ein Projekt dieser Art waren für mich motivierend, ebenso eine gewisse Überzeugung von der Richtigkeit des Ansatzes im System Schule. Dazu ist es notwendig sich persönlich mit GfK auseinandergesetzt, bzw. diese selbst für sich gelernt und auch integriert zu haben.
Im Hinblick auf den konkreten Schulalltag waren für mich folgende Aufgaben wichtig:
- Unterstützung der Kollegen bei Konflikten in der Klasse durch Einüben eines lösungsorientierten Ansatzes: Die Frage nach dem "Schuldigen" gab es nicht.
Immer stellte sich heraus, dass mehrere Personen in den Konflikt verwickelt waren.
Vom Klassenlehrer wurde mir ein Problem vorgetragen. Ich habe eine Fallgeschichte
daraus gemacht. Anhand dieser Fallgeschichte habe ich den Konflikt in 4 Schritten
mit den Schülern bearbeitet. Der L war selbstverständlich anwesend.
- Auf Anfrage habe ich verschiedene Stilleübungen vorgestellt und mit den Schülern ausprobiert.
- Großen Gewinn brachten Einheiten mit dem Thema: Ich finde m e i n soziales Ziel.
- Ausbildung und Begleitung der Pausenhelfer / Konfliktlotsen
- Beiträge innerhalb der wöchentlichen Schulvollversammlung zum sozialen “Ziel der Woche”.
- Planen und Organisieren der Elternabende zu GfK, die aber in der Hauptsache von einer Mitarbeiterin des SPZ Traunstein, Fr. Resch, bestritten wurden.
Auch finde ich den Input von außen in dem Zusammenhang recht hilfreich.
Welche Erfahrungen und beobachtbaren (Langzeit-)Ergebnisse nehmen Sie aus dem Projekt für sich mit? H.E.: Ich konnte in meinem Unterricht und in Pausen Schüler an das erinnern, was wir in der Klasse bzw. als Ziel der Woche vereinbart hatten. Da musste man keine großen Erklärungen abgeben. Ich brauchte nur zu sagen: „Erinnere dich an die Stopp-Hand!“ oder: „Sag dem … deine Bitte!“ oder: „Was hättest du dir eigentlich gewünscht?“
Früher waren die Pausen, Pausenvorfälle und Elternbeschwerden ein nerviges Dauerthema in Konferenzen.
Mir ist aufgefallen, dass dies seit Einführung von GfK und Pausenhelfern nicht mehr der Fall ist.
Auch habe ich eine große Offenheit der Kollegen erlebt, wenn bei Problemen in der Klasse um eine GfK- Stunde gebeten wurde.
Das Fazit aus meiner Sicht fällt deswegen recht positiv aus: Es lohnt sich sehr, GfK an der Schule einzuüben. Durch die Anwendung einer neuen, freundlichen Sprache können Unstimmigkeiten frühzeitig angesprochen und geklärt werden. Wenn es bereits zum Konflikt gekommen ist, hat man als Lehrer eine hervorragende Möglichkeit bzw. Technik, den Vorfall zu klären und Schritte zur Versöhnung zu finden.
Es gab immer wieder auch Rückmeldungen von den Kollegen. Die Klassenlehrer waren ja immer dabei. Sie konnten beobachten, wie ich mit den Kindern gearbeitet habe. Außerdem bekamen sie den genauen Ablauf der GfK-Stunde in schriftlicher Form. So konnten sie durch Nachahmung lernen. Ich habe manchmal den Satz gehört: Wenn du kommst, lerne ich immer etwas Neues.
Um die Kollegen anzuregen, sich selber in GfK zu informieren, habe ich unten beim Ablauf immer angegeben, welche Literatur ich verwendet hatte.
Einige Literaturhinweise Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation, Junfermann
Frank und Gundi Gaschler, Ich will verstehen, was du wirklich brauchst, Kösel
Evelyn und Sven Schöllmann, Respektvoll miteinander sprechen - Konflikten vorbeugen,
10 Trainingsmodule zur gewaltfreien Kommunikation in der Grundschule, Verlag an der Ruhr
Christoph Eichhorn, Classroom - Management, Klett – Cotta
Bamberger, Lösungsorientierte Beratung, Beltz
Achtsamkeit und Anerkennung, Materialien zur Förderung des Sozialverhaltens in der Grundschule, Herausgegeben von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln
Birgitta Hogger, Gewaltfrei miteinander umgehen, Band 23, Schneider Verlag Hohengehren
Rosemarie Portmann, Die 50 besten Spiele für ein faires Miteinander, Don Bosco