Schwerpunkt:
Krisenseelsorge in der Schule (KiS) –
wenn der Tod in die Schule kommt!
Konzeption:
KiS ist ein Angebot des Schulpastoralen Zentrums Traunstein in Zusammenarbeit mit der Not-fallseelsorge und der Trauerpastoral der Erzdiözese München und Freising sowie mit dem KIT – Traunstein.
Ziel der Krisenseelsorge im Schulbereich ist es, dass alle Schüler/-innen und Lehrer/-innen so schnell und so vorsichtig als möglich auf den Boden der Tatsachen zurückkommen können und dennoch ihrer Trauer ein Ort und ein Rahmen innerhalb der Schule gegeben wird.
Im Schulalltag wird man immer wieder mit dem plötzlichen Tod von Schüler/-innen , Lehrkräf-ten, oder Schülereltern konfrontiert. Bei den Fortbildungsveranstaltungen des KiS (siehe Punkt 2.1.1) geht es zunächst um ein Kennen lernen von und ein sich Auseinandersetzen mit akuten Belastungssituationen und – reaktionen, die an Schulen im Zusammenhang mit Todesfällen (z.B. Suizid, Unfall, Krankheit oder im Extremfall Amoklauf) auftreten können. Dabei steht das konkrete Arbeiten mit der Klasse oder der ganzen Schule im Mittelpunkt.
Weitere Schwerpunkte in der Ausbildung zum Krisenseelsorger sind:
- Kenntnisse über Trauerpastoral/arbeit und die Trauerbegleitung
- Kennen lernen von Riten und Ritualen
- Krisengespräche führen mit Einzelpersonen und mit Gruppen
- Erarbeiten von Elementen eines Krisenplans,
zugeschnitten auf die jeweilige Schule
- Fragen der Psychohygiene für die Begleiter
Martin Berwanger, Dipl. Theol., KiS Mitarbeiter in der Erzdiözese und Religionslehrer an der Be-rufsschule II in Traunstein; verantwortlich für die Krisenseelsorge im Schulbereich im Landkreis Traunstein und den angrenzenden Landkreisen.
Adresse:
Martin Berwanger
Schulpastorales Zentrum Traunstein
Kardinal-Faulhaber-Str. 6
83278 Traunstein
Tel.: 0861/2090- 305
krisenseelsorge-schule@ordinariat-muenchen.de
oder:
Berufsschule II Traunstein
Prandtnerstr. 3
83278 Traunstein
Tel.: 0861/98602-0
Erfahrungsbericht:
Im Folgenden wird ein Fall beschrieben, der so an der Schule passiert ist und an jeder ande-ren Schule sich ereignen kann.
Eigentlich war es ein ganz normaler Montagmorgen. Ich hole mein Klassenbuch aus dem Schrank im Lehrerzimmer und gehe in meine 11. Klasse. Begrüße die Klasse, die noch etwas müde vom Wochenende ist und stelle die Anwesenheit fest. Gerade, als ich mit einer neuen Unterrichtseinheit beginnen will, klopft es stürmisch an die Klassenzimmertür. Ein Kollege bittet mich schnell heraus. Aufgeregt erzählt er mir, dass eine Schülerin aus der 12. Klasse in der letz-ten Nacht mit ihrem Auto tödlich verunglückt sei.
Was machen wir jetzt mit dieser 12. Klasse?
Den Unterricht jetzt nach Stundenplan laufen zu lassen, wäre wohl falsch! Es muss schnell ge-handelt werden. Das Krisenteam der Schule trifft sich zu einer kurzen Lagebesprechung.
Bevor das Krisenteam mit dem Schulleiter und Klassenleiter in die Klassen geht, um die Todes-nachricht zu überbringen, versuchen wir soviel Informationen wie möglich über das Ereignis zu sammeln. Wer ist betroffen? Sind noch andere Klassen oder einzelne Schüler von dem plötzli-chen Tod betroffen, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen aus dem Betrieb?
Schnell bemerken wir, dass der Bruder der Toten in die 10. Klasse geht. Wird er heute in die Schule kommen, dann müsste er auch betreut werden.
Der schwerste Augenblick kommt, wir gehen in die Klasse! Die Schüler der Klasse werden möglichst genau informiert. Die persönliche Übermittlung der Todesnachricht durch den Schulleiter/bzw. Klassenlehrer ist wichtig, damit das, was bereits im Murmelgespräch wie ein Lauffeuer durch die Schule geht, auch mit Faktenwissen unterstützt und wahrgenommen wird. Faktenwissen dient immer der Deeskalation. An diesem Tag wird die Klasse, von ihrem Klassenlehrer und dem Kriseninterventionsteam betreut.
In der ersten und zweiten Stunde herrscht eine Ohnmacht und Wut. Die Schüler/-innen kön-nen ihre subjektiven Erinnerungen formulieren, mit dem Ziel das ein Bild der Verstorbenen ent-steht.
Die Schüler/-innen kommen dabei untereinander und ungelenkt ins Gespräch. Sie trösten sich gegenseitig! Die Interventionspersonen stehen ihnen in dieser Zeit in Sichtweite zur Verfü-gung.
Von der Ohnmachtsphase ins „Machen“ kommen: Was können wir, ihr zur Ehre noch tun?
Die Schüler/-innen
– schreiben Briefe an die Verstorbene (können dem Sarg bei der Beerdigung beigelegt wer-den)
- Teelichter werden angezündet, um den Platz der verstorbenen Schülerin zu gestalten
- den Eltern und Geschwistern wird ein Brief geschrieben
- ein Nachruf für die Zeitung wird verfasst
- ein Kondolenzbuch mit dem Bild der Verstorbenen wird im Eingangsbereich der Schule aus-gelegt, damit die ganze Schulgemeinschaft sich dort eintragen kann
Spätestens in der ersten Vormittagspause wird das ganze Kollegium in einer Kurzkonferenz über den Tod der Schülerin genau unterrichtet, damit die Lehrer ihrerseits alle anderen Klas-sen über den Unfall informieren können. Die Kollegen sollen dabei beobachten, ob weitere Schüler/-innen betroffen sind, die dann intensiver begleitet werden müssen.
Wichtig ist zu erkennen, dass nach einer gewissen Zeit, bei den Schüler/-innen der Wunsch nach normalem Unterricht besteht, weil die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod sehr an-strengend ist. Der normale Unterricht am Ende(die letzten zwei Stunden) des Schultages kann auch Hilfe zur Bewältigung sein. Am Ende des Schultages haben die Schüler/-innen die Hausaufgabe bekommen: „Tu das, was dir heute Nachmittag und Abend gut tut!“
Am Tag der Beerdigung, nachdem gewiss ist, dass alle Schüler/-innen in ihren Klassen persön-lich vom Tod der Schülerin informiert wurden, lädt der Schulleiter die ganze Schulgemein-schaft zu einer Gedenkminute ein.
Die Klasse wird vom Klassenlehrer und evtl. vom Krisenteam zur Beerdigung begleitet.
Sechs bis acht Wochen später besucht der Klassenlehrer evtl. mit einem Kollegen aus der Kri-senseelsorge und zwei bis drei Schüler/-innen aus der Klasse die Angehörigen und übergibt das Kondolenzbuch.
Im Abschlussgottesdienst wird mit einer Fürbitte nochmals an die Verstorbene gedacht.
Martin Berwanger