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LEITLINEIN SCHULPASTORAL AN HAUPTSCHULEN

Leitlinien für Schulpastoral an Hauptschulen
Herausgegeben vom katholischen Schulkommissariat in Bayern am 28. April 1998

1. Grundlagen

Die Hauptschule ist ein prägender und bestimmender Lern- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche, für Lehrerinnen und Lehrer, für Eltern und alle Personen, die am Schulgeschehen beteiligt sind. Immer mehr Schülerinnen und Schüler verweilen über die Hälfte des Tages in der Schule. Damit die Hauptschule nicht nur Aufenthaltsort, sondern Lebensraum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sein kann, engagieren sich Christinnen und Christen aus ihrer Glaubensüberzeugung heraus für Schulleben und Schulkultur. Dieses Engagement der Kirche im Handlungsfeld Schule, das in vielfältigen Formen innerhalb und außerhalb des Unterrichts geschieht (vgl. unten 3.), wird zusammenfassend als "Schulpastoral" bezeichnet.1

Der Kirche geht es in ihrem Sendungsauftrag durch Jesus Christus um das Heil jedes Menschen. Im Blick auf die Botschaft und das Handeln Jesu realisiert sich ihre Sorge um den Menschen, indem sie mit der Verkündigung der Reich -Gottes-Botschaft in Tat und Wort dort ansetzt, wo sich der einzelne Mensch befindet, wo "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst"2 (Gaudium et spes 1) sein Leben und seinen Glauben bereichern bzw. gefährden oder zu zerstören drohen. Analog dem Handeln Jesu sucht die Kirche die Menschen dort auf, wo sie leben und arbeiten. Im Rahmen dieser "Geh-hin-Seelsorge" setzt sich die Kirche auch in der Schule für die Menschen ein. Träger der Schulpastoral sind alle Christinnen und Christen im Bereich der Schule, die für ihren Lern- und Lebensraum Mitverantwortung übernehmen; ihr Engagement richtet sich an die Schülerinnen und Schüler und in gleicher Weise an deren Eltern, an die Lehrkräfte und alle in der Schule Beschäftigten. Diese sind nicht Objekte, sondern Subjekte der Schulpastoral.
Schulpastoral versteht sich als Dienst der Kirche im Handlungsfeld Schule, der einen Beitrag zur Mitgestaltung eines humanen Schullebens leisten will.3

In der Erklärung der Bischöflichen Kommission für Erziehung und Schule "Schulpastoral - Der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule" werden folgende grundlegende Zielsetzungen der Schulpastoral formuliert (2.2):
im gelebten Miteinander des Glaubens die heilsame Präsenz des Christlichen erfahrbar machen und dadurch helfen, zu einer vernünftigen Selbstbestimmung des einzelnen in Gemeinschaft mit anderen zu gelangen; einladen und anleiten, in diakonischem Geist Verantwortung für die humane Gestaltung des Schullebens zu übernehmen; vertiefte Kooperation und Kommunikation über die Schule hinaus, und zwar sowohl mit den Bereichen von Pfarrgemeinde und kirchlicher Jugendarbeit als auch mit Einrichtungen der Erziehungs- und Sozialhilfe im kommunalen Bereich.


1.1 Situation

Im Schulleben der Hauptschule findet eine Vielzahl an lebensfrohen und -bejahenden Elementen und Ansätzen ihren Ausdruck. Schulpastorales Engagement will dazu beitragen, dass diese Formen des Schullebens gefördert, ausgebaut oder ermöglicht werden. Ebenso wie an anderen Orten, an denen Menschen leben und arbeiten, findet sich aber auch an der Hauptschule ein Konglomerat lebenserschwerender oder belastender Faktoren. Zu ihnen gehören u.a.:

  • die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf den einzelnen Menschen und die menschliche Gemeinschaft (Pluralisierung, Individualisierung und Entsolidarisierung, Entstrukturierung und neue Standardisierung, multikulturelle Gesellschaft und plurale Wertvorstellungen, Konsum- und Mediengesellschaft);4
  • der zunehmende Erwartungsdruck an die Schule seitens der Gesellschaft und Wirtschaft;
  • das der Hauptschule durch die Gesellschaft immer wieder zugeschriebene Image einer "Restschule"; 2
  • die gegenwärtig hohe Arbeitslosigkeit mit massiven Auswirkungen auf die Jungen und Mädchen in der Schule;5 die Zunahme von Gewalt und Gewaltbereitschaft an der Schule, auch der Hauptschule.

Diese und andere Faktoren erschweren das Zusammenleben in der Hauptschule beträchtlich, sie belasten den einzelnen und die Gemeinschaft, sie wirken sich negativ auf Selbstwert und Selbstbewusstsein der Menschen im Handlungsfeld Hauptschule aus. Angesichts dieser Herausforderungen, die für einzelne zur Überforderung werden können, engagiert sich die Kirche verstärkt für die Menschen in der Schule.


1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Pastorales Engagement der Kirche im Bereich der öffentlichen Schule findet im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen statt und wird durch Bundes-, Landes- und Schulgesetze geregelt. Allerdings ist das schulpastorale Engagement an öffentlichen Schulen rechtlich nicht für alle Angebote eindeutig bestimmt. Deshalb ist Schulpastoral auf das Entgegenkommen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Hauptschule - insbesondere dem Lehrerkollegium und der Schulleitung - angewiesen. Der rechtsverbindliche Lehrplan für die Hauptschule eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten für konkrete schulpastorale Aktivitäten.


1.2.1 Allgemeine rechtliche Grundlagen

Christliches Leben, religiöse Bildung und kirchliches Handeln sollen in der Schule präsent sein können:
Art. 135 BV betont, dass in den öffentlichen Volksschulen Bayerns "nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen" wird. Die dazu 1988 gemeinsam vom Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz und vom Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern herausgegebenen "Leitsätze für den Unterricht und die Erziehung nach gemeinsamen Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse an Grund-, Haupt- und Sondervolksschulen"6 wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus als Konkretisierung des Art. 135 BV der pädagogischen Umsetzung des Verfassungsauftrages verpflichtend zugrunde gelegt (KMBek v. 6.12.1988 Nr. III/2 - 4/109264); nach Art 131 BV, der im Art. 1 Abs. 1 BayEUG aufgegriffen wird, zählen zu den obersten Bildungszielen "Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen ..."; der Beschluss des Bayerischen Landtags vom 03.07.1986 fordert: Um das in der Bayerischen Verfassung benannte oberste Bildungsziel "Ehrfurcht vor Gott" (Ar t. 131 Abs. 1 BV) "als Prinzip des Unterrichts in verstärktem Maße" anzustreben, soll "auf eine enge Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern, Pfarrern und Diakonen, Katecheten und Schülern geachtet werden. In Verbindung mit dem Religionsunterricht sollen die Möglichkeiten von religiösen Orientierungstagen und von religiösen Gesprächskreisen in entsprechendem Umfange genützt werden." Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lässt die Kirchen zu religiösen Handlungen (Gottesdienste, Seelsorge) in der Schule zu, wobei das Engagement dazu von den Kirchen ausgehen und der Freiwilligkeitscharakter gewahrt werden muss. Entsprechend umgesetzt ist dies in der Bayerischen Verfassung (vgl. Art. 107 Abs. 6; Art. 127; Art. 131 Abs. 1 und 2 BV) und in dem Gesetz über das Erziehungs - und Unterrichtswesen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayEUG). Dazu kommt die Schulordnung für die Hauptschule im Hinblick auf Schulgebet (vgl. § 13 VSO und KMS vom 27.07.1987 "Schulgebet und oberstes Bildungsziel"), Schulgottesdienst (vgl. Bek. vom 21. April 1978, KMBI I S. 116, ber. S. 260) und Einkehrtage (vgl. § 25 Abs. 2 VSO); einige Angebote der Schulpastoral sind identisch mit Angeboten der Jugendarbeit und der schulbezogenen Jugendsozialarbeit. In diesem Zusammenhang findet das Kinder- und Jugendhilfegesetz mit seinen entsprechenden Paragraphen Anwendung (u.a. § 1 Abs. 3; § 11; § 13 Abs. 1 KJHG).


1.2.2 Lehrplan für die Hauptschule

Schulpastoral will grundlegende Aufgaben und Zielsetzungen der Hauptschule unterstützen und ergänzen. Der Lehrplan für die Hauptschule (vgl. KWMBI I So.-Nr. 1/1997)7 beschreibt in Kapitel I u.a. folgende Grundlagen und Leitlinien. Die Hauptschule 3


  • * erschließt wesentliche Bereiche der Kultur und verhilft dadurch zur vielseitigen persönlichen Entfaltung. Es sollen nicht nur Wissen und Können vermittelt, sondern auch individuelle Begabungen und Neigungen gefördert werden. Die Hauptschule befähigt junge Menschen zu einer verantwortlichen Gestaltung des Lebens in der Gesellschaft und bereitet auf das Erwachsenenleben vor. Dabei soll die Hauptschule Stätte jugendlichen Lebens und sinnerfüllte Gegenwart sein, einen jugendgemäßen Stil gemeinsamen Lebens und Lernens entwickeln, der Entwicklungsunterschiede berücksichtigt (Lehrplan I, 2.2);
  • "verhilft zur Orientierung in der Vielfalt widersprüchlicher Wertsetzungen, stärkt das Vertrauen in die Zukunft und unterstützt die Schüler bei der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. Wertorientierung und Sinnfindung richten sich gemäß der bayerischen Verfassung am christlichen Menschenbild aus. Die Begegnung mit anderen Wertvorstellungen verlangt Aufgeschlossenheit und Toleranz ..." (Lehrplan I, 2.3);
  • berücksichtigt gesellschaftliche Grund- und Zeitfragen (drängende Probleme und Aufgaben). Es werden u.a. genannt: natürliche und kulturelle Umwelt, soziale Ordnung und Gerechtigkeit, Achtung von Recht und Personwürde, Zusammenleben von Personen und Gruppen, interreligiöser und interkultureller Dialog, Eine Welt, Menschenrechte und Friedlosigkeit (Lehrplan I, 2.4);
  • bietet neben dieser gesellschaftlichen Dimension auch Hilfen zur persönlichen Lebensgestaltung an: Hilfen zur Bewältigung einer Krankheit oder Behinderung, Begleitung der körperlichen und seelischen Entwicklung auf dem Wege zu verantworteter Geschlechtlichkeit, Hilfe zum Selbstständigwerden, Vorbereitung auf verantwortliche Partnerschaft in Ehe und Familie, Anregung und Befähigung zu sinnvoller, eigenverantwortlicher Freizeitgestaltung etc. (Lehrplan I, 2.5);
  • greift die Anlässe für Erziehung auf, die sich in Unterricht und Schulleben ergeben. Dabei zählt die Kooperation der Lehrer/innen untereinander (Lehrplan I, 3.4), mit den Eltern und bei schwierigen Erziehungssituationen mit Einrichtungen der Erziehungshilfe z. B. sonderpädagogischer Dienst, Schulpsychologe, Jugendhilfe etc. zu den grundlegenden Faktoren des Erziehungsauftrages der Hauptschule (Lehrplan I, 3.7);
  • entwickelt ein vielseitig anregendes, menschlich förderndes, jugendgemäßes Schulleben. Schulleben und Schulkultur umfassen den Unterricht, den schulischen Alltag und besondere schulische Ereignisse im Ablauf des Schuljahres. Schulleben "bezieht die außerschulische Welt wie Gemeinde, Kirchen, Vereine und berufliche Einrichtungen ein." (Lehrplan I, 5.1). Durch das Schulleben sollen die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit erhalten, um u.a. soziale Erfahrungen zu sammeln, eigene Interessen zu entfalten, sinnvolle Aufgaben zu erproben, selbstständig handeln zu lernen, Entscheidungsfreude und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit zu gewinnen, Formen demokratischen Zusammenlebens einzuüben, Lösungsansätze für Probleme zu finden, Regeln des mitmenschlichen Umgangs und der Konfliktbewältigung anzuwenden, Anregungen für vielfältige und sinnvolle Freizeitgestaltung aufzugreifen (Lehrplan I, 5.2). Zur Gestaltung des Schulalltags durch Lehrer/innen und Schüler/innen gehört neben dem gemeinsamen Tagesbeginn mit Betrachtung, Gebet oder Lied, der sinnvollen Arbeits- und Pausengestaltung, auch die räumliche Gestaltung, die den Rahmen für jugendgemäßes Zusammenleben, für Fröhlichkeit und Besinnlichkeit bietet (Lehrplan I, 5.3). Besondere Ereignisse, wie Feste und Feiern, Schulgottesdienste und Tage der Orientierung, Wanderungen und Fahrten, Schullandheimaufenthalte, Aufführungen, Wettbewerbe und Ausstellungen etc. gehören zu den Höhepunkten des Schullebens (Lehrplan I, 5.4);
  • kann, "gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, neue Formen des Zusammenlebens und der Betreuung außerhalb des Unterrichts wie Mittagsbetreuung, Hort an der Schule oder Schüler-Café entwickeln und der örtlichen Situation anpassen" (Lehrplan I, 5.5); 4
  • arbeitet mit den Eltern offen und vertrauensvoll zusammen, damit Unterricht und Erziehung erfolgreich sein können. Durch aktive Elternarbeit, wie Informationen, Elternabende, Gespräche, Veranstaltungen etc. werden die Eltern ermutigt, sich am Leben der Schule zu beteiligen (Lehrplan I, 5.6).
    In den o.g. Aufgaben der Hauptschule treffen sich die Anliegen von Staat und Kirche in besonderer Weise. Schulpastorales Engagement hat gerade in diesen Bereichen in den letzten Jahren zunehmend Eingang gefunden. Die geforderte verantwortliche Zusammenarbeit von Schüler/innen, Eltern und Lehrkräften bei der Gestaltung des Schullebens und der Schulkultur entspricht dem Konzept der Schulpastoral. Nicht zuletzt laden die im Lehrplan angesprochenen "Neuen Formen des Zusammenlebens" zu einer Intensivierung des Dienstes der Kirche in der Schule ein. Dabei können in Absprache mit der Schule nicht nur Religionslehrer/innen oder andere engagierte Christ/innen in der Schule aktiv werden, sondern ebenso Pfarrgemeinden mit ihren pastoralen Mitarbeiter/innen, kirchliche Jugendpfleger/innen, kirchliche Verbände usw.

2. Grundanliegen, Unterscheidungen und Prinzipien der Schulpastoral


2.1 Grundanliegen

Schulpastorales Handeln der Kirche gilt allen Menschen in der Schule. Zu den Grundanliegen der Schulpastoral zählen:

  • Menschen in ihrer jeweiligen Lebens- und Glaubenssituation aufzusuchen und zu begleiten (Hilfen zur Menschwerdung);
  • das Miteinander-Leben und -Arbeiten zu fördern (Beitrag zur Humanisierung und Verlebendigung von Schulleben und Schulkultur);
  • (religiöse) Erlebnis- und Erfahrungsräume zu erschließen und zu vertiefen;
  • Beheimatung im christlichen Glauben zu ermöglichen; Verständnis für andere Religionen und Kulturen zu wecken;
  • für Versöhnung, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu sensibilisieren.
    Mit diesen Grundanliegen, die ihre Umsetzung in den verschiedensten Formen und Handlungsfeldern (vgl. unten 3.) finden, greift Schulpastoral wesentliche Zielsetzungen der "Leitsätze für den Unterricht und die Erziehung nach gemeinsamen Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse an Grund-, Haupt- und Sondervolksschulen" auf:
  • Selbstfindung und Sinnfrage
  • Achtung der Würde jedes Menschen ehrfürchtiger Umgang mit
    der gesamten Natur
  • Verantwortung für das Leben jeder Art ethische Orientierung
  • Einsatz für eine humane Welt Gemeinschaftsfähigkeit
  • Offenheit für den Mitmenschen Umgang mit Schuld
  • Bereitschaft zur Versöhnung Sorgen und Ängste
  • Vertrauen in die Zukunft


2.2 Unterscheidungen

Zwischen dem Unterrichts- und Erziehungsauftrag der Hauptschule und den Zielsetzungen von Schulpastoral kann es vielfache Verbindungen geben. Im Unterricht der Fächer können schulpastorale Anliegen ihren Ausdruck finden, wenn aus ch ristlicher Motivation heraus Schüler/innen die Möglichkeit 5 erhalten, ihre Erfahrungen, Fragen und Nöte zur Sprache zu bringen und sich damit auseinanderzusetzen (vgl. Leitsätze). Schulpastoral konkretisiert sich in den Beziehungen zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen sowie bei der Auswahl und methodischen Gestaltung von Lerninhalten. In besonderer Weise gehört Schulpastoral zu den Grundanliegen des Religionsunterrichts der Hauptschule (vgl. Lehrplan II, B Fachprofil KR). Allerdings sind Schulpastoral und Religionsunterricht nicht deckungsgleich. Religionsunterricht findet als ordentliches Lehrfach in der Schule statt und richtet seine Bildungs - und Erziehungsarbeit am Lehrplan der Hauptschule aus. Schulpastoral ist kein Bestandteil des Fächerkanons, sie richtet ihr freiwilliges Angebot an konkreten Wünschen und Erfordernissen aus. Damit leistet Schulpastoral einen Beitrag zur Mitgestaltung von Schulleben und Schulkultur (vgl. Lehrplan I, 5). Auch zwischen schulbezogener Jugendsozialarbeit und Schulpastoral gibt es vielfältige Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Schulbezogene Jugendsozialarbeit versteht sich als Dienst an jungen Menschen im Horizont von Jugend, Beruf und Gesellschaft. Sie will die Bildungs - und Erziehungsaufgaben der Hauptschule durch sozialpädagogische Impulse unterstützen und stärken. Sie arbeitet nach den Grundsätzen der Prävention und Intervention. Mit ihren Angeboten wendet sich schulbezogene Jugendsozialarbeit an alle Schüler/innen, insbesondere an jene, die in der Schule nicht zurechtkommen. Mit der schulbezogenen Jugendsozialarbeit teilt die Schulpastoral ihr Interesse, Schüler/innen in ihren Lebensfragen Begleitung und Lebenshilfe anzubieten. Im Unterschied zur schulbezogenen Jugendsozialarbeit ist Schulpastoral aber in jedem Fall christlich motiviert und will in besonderer Weise versuchen, Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach Gott Raum zu geben.


2.3 Prinzipien der Schulpastoral

Schulpastoral, die den Menschen im Sinne der genannten Ziele und Grundanliegen dient, zeichnet sich durch folgende Prinzipien aus:

Personales Angebot

Schulpastoral lebt vom Engagement einzelner Menschen und damit vom personalen Angebot. Grundsätzlich gehören zum personalen Angebot alle, die sich in der Schulpastoral aus christlichem Glauben heraus engagieren und bereit sind, ihre Erfahrungen zur Sprache zu bringen und partnerschaftlich miteinander umzugehen. Zu den personalen Angeboten können sowohl solidarische und engagierte Einzelpersonen als auch Gruppen gehören.8 Zudem gilt: personales Angebot hat Vorrang vor dem Sachangebot.

Ökumene

Die schulpastoralen Angebote der kath. Kirche sind ökumenisch ausgerichtet, d. h. sie stehen in der Regel auch evangelischen Christ/innen offen. Mancherorts geschieht schulpastorales Handeln bereits in ökumenischer Kooperation. Dies sollte - wo möglich und sinnvoll - verstärkt angestrebt werden. Dabei ist zu beachten, dass Menschen in der Hauptschule Ausdrucksformen des Glaubens finden können, die ihrer persönlichen Einstellung und konfessionellen Prägung entsprechen.

Freiwilligkeit

Schulpastorale Angebote tragen den Charakter einer Einladung, nicht aber einer Verpflichtung. Gerade weil Leben und Glauben im Zentrum stehen, müssen sich die Menschen freiwillig zur Teilnahme entscheiden können. Dass es oftmals dafür einer Entscheidungshilfe bedarf, steht nicht im Widerspruch zum Freiwilligkeitsprinzip.

Gastfreundschaft

Zu den verschiedenen schulpastoralen Angeboten sind grundsätzlich alle eingeladen, und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Familienstand, Rolle oder Schichtzugehörigkeit. Gastfreundschaft heißt: jeder ist willkommen, so wie er ist. Das kann beim Einzelnen zur Erfahrung des Angenommenseins führen, ihn Heimat in einer Gruppe oder bei einem Menschen finden lassen. Gastfreundschaft ermöglicht auch eine offene Gesprächsatmosphäre, in der man sich gegenseitig gelten lässt. 6

Kooperation

Die Verlebendigung und Humanisierung des Schullebens bedarf der Kooperation innerhalb der Schule und auch darüber hinaus mit entsprechenden Personen, Trägern und Einrichtungen. Deshalb ist Schulpastoral auf die Kooperation mit schulischen und außerschulischen Partnern angewiesen. Als schulische Kooperationspartner der Schulpastoral sind, soweit sie nicht selbst zu den Trägern von Schulpastoral gehören, u.a. Verbindungs - und Beratungslehrer/innen, Elternbeirat, Schulforum, Schülersprecher/innen, Schulpsychologe/in, sonderpädagogische Dienste und schulhausinterne Erziehungshilfe zu nennen. Zu den außerschulischen Kooperationspartnern (vgl. Lehrplan I, 5.5) der Schulpastoral zählen u.a. Schulabteilungen und Seelsorgsämter der (Erz-)Diözesen, kommunale und kirchliche Jugendämter, Einrichtungen kommunaler und kirchlicher Jugendhilfe bzw. Jugendsozialarbeit, kommunale und kirchliche Beratungseinrichtungen und Jugend- bzw. Erwachsenenverbände sowie vor allem auch die Pfarrgemeinden.

3. Handlungsfelder der Schulpastoral

Schulpastoral konkretisiert sich in den Handlungsfeldern der Kirche: der Diakonia, Martyria, Koinonia und Leiturgia. Dabei ist wünschenswert, im Lebensraum Schule alle vier Grundvollzüge zum Ausdruck zu bringen. Sie gehören originär zusammen und ergänzen einander, da sie in der Lebenspraxis Jesu ihren Grund haben. In der Apostelgeschichte (Apg 2,42.45-47a) wird in verdichteter Darstellung urgemeindliches Leben deutlich, wer diese Gemeinde "sein will und was sie für sich selbst als wesentlich erachtet", wenn sie ihre Sendung in das Leben hineinbuchstabiert.9

Übersetzt in eine zeitgemäße Sprache heißen
  • Diakonia:
    der Dienst an den Armen /
    Aufmerksamkeit für die Schwächeren
  • Martyria:
    der Dienst am Wort /
    Auseinandersetzung mit der Botschaft Jesu
  • Koinonia:
    der Dienst an der Einheit /
    Zusammenhalt in der Gemeinschaft
  • Leiturgia:
    der Gottesdienst /
    Beten und Danken.


Bei diesen Grundvollzügen der Kirche lassen sich zwei Schwerpunkte feststellen: "Sendung" und "Sammlung".
Ihrem Sendungsauftrag entsprechend wendet sich die Kirche den Menschen zu im Wort (Martyria) und in der Tat (Diakonia). Die Kirche führt aber auch die Menschen zusammen (Sammlung) zur Gemeinschaft (Koinonia) und zur Einheit im Gottesdienst (Leiturgia). Sendung und Sammlung, beides ist notwendig, bedarf einer inneren Ausgewogenheit und Zugeordnetheit, damit Kirche ihren Auftrag durch alle Zeiten hindurch glaubwürdig realisiert, ein tatsächliches Zeichen von Gottes Gegenwart und Barmherzigkeit zu sein. Ein wesentliches Handlungsfeld der Schulpastoral ist der diakonische Bereich, denn wenn Christ/innen sich an der Lebenspraxis Jesu orientieren, dann geht es immer auch um "die spannungsreiche und riskante Aufnahme der Kleinen und Schwachen, der Notleidenden und Unterdrückten, der Fremden und der anderen ..."10
Schulpastorale Angebote sind sowohl schulisch als auch außerschulisch anzusiedeln. Es kann sie sowohl innerhalb als auch außerhalb von Unterricht und Schule geben. Im Bereich der Schule finden sie im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen statt (vgl. oben 1.2), die der Kirche und dem Staat zur Verwirklichung aufgetragen sind. Über den schulischen Unterricht hinausgehende schulpastorale Angebote werden mit der Schulleitung abgesprochen. Sie können durch die Leitung der Schule zu einer schulischen Veranstaltung erklärt werden, wenn diesen eine unterrichtliche oder erzieherische Bedeutung zukommt. Außerschulische Angebote, die nicht als schulische Veranstaltung deklariert sind, liegen in der Verantwortung der von der Kirche benannten kirchlichen Lehrkräfte und finden mit Zustimmung der zuständigen kirchlichen Dienststelle (Referat Schule und Hochschule, Pfarrgemeinde, Jugendamt) statt.
Hier gelten die Haftungs- und Versicherungsbedingungen wie für jede andere kirchliche Veranstaltung. 7


Praxisbeispiele aus dem Handlungsfeld Diakonia:
schulisch:

  • Hilfestellungen bei Konfliktsituationen

  • Kommunikationstraining

  • Selbsthilfegruppe (z. B. für Scheidungswaise, vorrückungsgefährdete Schüler/innen)

  • Projekte im Bereich Umwelt und Soziales

  • Kreativrunde "aktuelle Jugendfragen"...

außerschulisch:

  • Schüler-Eltern-Lehrer-Seminar (z. B. zum Thema Aggressionen

  • Mittagsbetreuung

  • Angebot von Supervision bzw. kollegialer Beratung für Lehrkräfte

  • Kurs "Lernen lernen" (z. B. Vorbereitung auf den "Quali")

  • Angebote zur Freizeitgestaltung (z. B. Spielenachmittag, Jugenddisco mit Podiumsdiskussion zum Thema Drogen)...
Praxisbeispiele aus dem Handlungsfeld Martyria:

schulisch:


  • religiöse Schulwoche (Stunden der Lebensorientierung im normalen Schulalltag)

  • Schullandheimaufenthalt mit religiösen Elementen Lehrerkonferenz mit religiöser Thematik (z. B. ökumenischer Schulgottesdienst, Eine Welt)

  • Öffentlichkeitsarbeit zu aktuellen Lebens- und Glaubensfragen (Infowand, Schaukasten)

  • Zeitzeugen berichten (z. B. Entwicklungshelfer, Streetworker)...


außerschulisch:


  • Tage der Orientierung / Einkehrtage

  • Exerzitien im Alltag

  • Jugendbibeltag / Kinderbibelwoche

  • religiöses Wochenende

  • Einkehrtage für Familien

  • Besuch von besonderen Lern- und Lebensorten des Glaubens (z. B. Pfarrgemeinden, Klöster, ökumenische Projekte)...



Praxisbeispiele aus dem Handlungsfeld Koinonia:


schulisch:


  • Arbeitskreis zur Gestaltung des Schullebens (z. B. Schulfest, Feiern im Jahreskreis)

  • Teestube / Schülercafé

  • Kennenlerntag bei neuer Klassenzusammensetzung

  • Lehrersport

  • Theater- oder Musikgruppe...



außerschulisch:

  • Lehrer- und Elterntreff (z. B. Café, Stammtisch)

  • gemeinsame Unternehmungen von Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen (z. B. Wanderung)

  • eine Woche während der Schulzeit gemeinsam gestalten (Lebenswoche oder "ora-et-labora" Tage)

  • erlebnispädagogische Angebote...



Praxisbeispiele aus dem Handlungsfeld Leiturgia:


schulisch:

  • Schulgottesdienste

  • Jahrgangsstufen- und Klassengottesdienste

  • Frühschichten

  • Zeit für Ruhe und Einkehr während der Pause

  • Meditationsangebote

  • Raum der Stille

  • Feiern von Namens- und Geburtstagen

  • Schulgebet

  • Morgenkreis

  • Impuls am Wochenanfang

  • Feiern im Kirchenjahr...



außerschulisch:


  • Jugend- oder Lehrerwallfahrt

  • Liturgische Nacht

  • Nacht der Versöhnung

  • Wandern mit der Bibel (z. B. Emmausgang nach den Osterferien)

  • Ökumenischer Kreuzweg der Jugend

  • Gebetskreis (z. B. Taizégruppe)...


Schulpastoral wendet u.a. Methoden der Jugend- und Erwachsenenbildung, fachliche Kompetenzen der Beratungsbereiche und sozialer Gruppenarbeit sowie ganzheitliche Methoden der Religionspädagogik an.
____________________________________
1 Vgl. Schulpastoral - der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule, Erklärung der Kommission für Erziehung und Schule der deutschen Bischöfe, Nr. 16, Bonn 1996.

2 Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et spes" 1, in: Kleines Konzilskompendium. Alle Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen des Zweiten Vaticanums in der bischöflich beauftragten Übersetzung, hg. von Karl Rahner und Herbert Vorgrimler, Freiburg u.a. 1966, S. 449.

3 Vgl. Schulpastoral der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule, a. a. O., 2.2. Vgl. Ziele und und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, in: Gemeinsame Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg u.a. 1976, S. 293f.

4 Vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M. 1986.

5 Vgl. Jugendwerk der Deutschen Shell (Hg.), Jugend '97. Zukunftsperspektiven, Gesellschaftliches Engagement, Politische Orientierung, Opladen 1997, S. 14.

6 Vgl. Leitsätze für den Unterricht und die Erziehung nach gemeinsamen Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse an Grund-, Haupt- und Sondervolksschulen, hg. vom Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz und vom Landesbischof der Evang-Luth. Kirche in Bayern, München 1988.

7 Vgl. Lehrplan für die Hauptschule. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 29.10.1997 Nr. IV/3 - S 7410/2 - 4/141584. Veröffentlicht in: KWMBl I So. -Nr. 1/1997.

8 Vgl. Ziele und und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, a. a. O., S. 298.

9 Vgl. Rolf Zerfaß, Die kirchlichen Grundvollzüge - im Horizont der Gottesherrschaft, in: Konferenz der Bayerischen Pastoraltheologen (Hg.), Das Handeln der Kirche in der Welt von heute. Ein pastoraltheologischer Grundriss, München 1994, S. 34.

10 Ottmar Fuchs, Option für die Armen, in: Das Handeln der Kirche in der Welt von heute. Ein pastoraltheologischer Grundriss, a. a. O, S. 116.