"...weil gleichsam die Wand der vergänglichen Dinge aufgerissen ist und etwas vom Geheimnis Gottes in die Welt hereinleuchtet."
Die Ehe ist Sakrament
Werfen wir zunächst einen Blick in die Heilige Schrift. Im gleichen Atemzug, in dem sie von der Erschaffung des Menschen spricht, spricht sie auch von der Ehe; die Ehe wiederum sieht sie in der Perspektive auf die Familie hin, im Zeichen des Gottessegens, der Fruchtbarkeit bedeutet und so Zukunft schafft. Die Heilige Schrift erzählt davon, wie Gott die Frau aus der Seite des schlafenden Mannes formte. Mit diesem wundervollen Bild macht sie deutlich, dass Mann und Frau gleichen Wesens und gleicher Würde sind. Zugleich zeigt sie damit, dass das Geheimnis der Liebe von Mann und Frau bis in den tiefsten Grund ihres Seins hinunterreicht. Von ihrem Ursprung her sind sie eins, ein einziger Gottesgedanke….
Der biblische Bericht über die Erschaffung von Mann und Frau schließt mit dem Wort: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und beide werden zu einem Fleisch“ (Gen 2,24). Der heilige Paulus hat in diesem Satz eine Vorhersage der Liebe Christi zu seiner Kirche gesehen (Eph 5.29ff). Das bedeutet: In dem Bund der Ehe liegt von innen her ein Hinweis auf den Bund Gottes mit den Menschen, auf die Bundeseinheit zwischen Christus und seiner Kirche, in der Gottes Liebe Leib geworden ist und sich leibhaftig mit den Menschen vereinigt hat. Weil es so ist, darum nennen wir die Ehe ein Sakrament.
Das will also sagen: Die Gemeinschaft von Mann und Frau ist nicht bloß etwas Biologisches; sie ist auch nicht etwas bloß Rechtliches und Äußerliches, das die Menschen einmal vereinbart haben und je nach Umständen auch wieder verändern können. Sie ist von der Schöpfung selbst vorgezeichnet und die Schöpfung wiederum trägt gleichsam von Anfang an das Wasserzeichen Jesu Christi in sich. Die tiefsten Dinge der Schöpfung, in denen der Urwille des Schöpfers erkennbar wird, die haben auch mit Christus zu tun. Irgendwie haben das die Menschen aller Zeiten und Zonen stets gespürt. Man könnte deshalb sagen, dass es so etwas wie Schöpfungssakramente gibt, Grundwirklichkeiten, die immer mit dem Heiligen in Beziehung gebracht wurden, weil in ihnen gleichsam die Wand der vergänglichen Dinge aufgerissen ist und etwas vom Geheimnis Gottes in die Welt hereinleuchtet.
So sind Geburt und Tod immer als Einbrüche des Göttlichen verstanden worden; dasselbe gilt auch für die beiden Grundakte, in denen der Mensch scheinbar nur seine Einheit mit den übrigen Lebewesen vollzieht: Die Nahrungsaufnahme und die Gemeinschaft von Mann und Frau. Man spürte, dass der Mensch gerade darin an den geheimen Grund des Weltalls rührt, dass er hier sich versündigen oder aber in besonderer Weise seinem Gott nahe werden kann. So war den Menschen deutlich, dass die Verbindung von Mann und Frau niemals etwas bloß Privates oder Beliebiges sein kann, weil es hier um das Tiefste seiner selbst und der ganzen menschlichen Familie geht.
Die jüdische Überlieferung hat das sehr schön ausgedrückt: Im Anschluss an die Geschichte, wie Gott dem Adam die Frau zuführte, erklärte sie Gott selbst als den Brautführer für Adam und schrieb so dem Schöpfer die Einsetzung der Ehe zu. Sie benannte daher die Ehe als „Kidduschin“, als Segen, als Heiligung. Die Christen brauchen hier nur noch ihr neues Wort „Sakrament“ einzusetzen. So können wir jetzt besser als vorher die Frage beantworten: Wieso ist die Ehe ein Sakrament? Darauf können wir jetzt zusammenfassend sagen: Die Ehe ist die vom Schöpfer gewollte und von der Schöpfung dem Menschen vorgezeichnete Gemeinschaft von Mann und Frau. Mit der Schöpfung ist sie von Christus erneuert und zu ihrer endgültigen Gestalt geführt worden. Nur in der Bundesgemeinschaft mit Christus kann der Bund der Ehe seinen vollen Sinn finden.